Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite


seyn mußte, konnte nach meiner Hypothese den Zustand nicht wenig verschlimmern helfen; indem jede Gemüthsbewegung die ordentliche Einwirkung wirksamer Jdeen auf die Organe zu verhindern pflegt; wie solches vom Stottern ist angemerket worden.

Es thut nichts zur Sache, daß Hr. S. sich auf nichts in seinen vorhergegangenen Vorstellungen oder Geschäften zu besinnen wußte, das zu den unverständlichen Worten, die er in der Verwirrung niederschrieb, hätte Anlaß geben können. Wir haben gesehen, daß die dunkelsten Empfindungen, die mit keinem Bewußtseyn der Seele verbunden sind, auf die Organe dennoch sehr kräftig wirken, und die zweckmäßigen willkührlichen Handlungen hervorbringen, und eben so wohl unterbrechen können. Ein Wort, das etwa in währender Verwirrung in einem Nebenzimmer laut gesprochen ward, konnte zufälliger Weise, da alles in dem Haupte Hrn. S so gespannt war, einen sehr lebhaften Eindruck machen, und von stärkerer Wirkung in die Organe seyn, als die zweckmäßige Jdee, die kein sonderliches Jnteresse hatte. Jndem nun Hr. S. seine Lebensgeister anstrengte, die Bewegung der Hand hervorzubringen, die zu seinem Endzweck erforderlich war, drang jene fremde Vorstellung vor, und ließ ihn etwas unzweckmäßiges niederschreiben, so wie dem Stotternden wider Willen Silben entfahren, die er nicht hat aussprechen wollen. Die Seele, ihres Vorsatzes deutlich bewußt, merkte gar bald, daß etwas


seyn mußte, konnte nach meiner Hypothese den Zustand nicht wenig verschlimmern helfen; indem jede Gemuͤthsbewegung die ordentliche Einwirkung wirksamer Jdeen auf die Organe zu verhindern pflegt; wie solches vom Stottern ist angemerket worden.

Es thut nichts zur Sache, daß Hr. S. sich auf nichts in seinen vorhergegangenen Vorstellungen oder Geschaͤften zu besinnen wußte, das zu den unverstaͤndlichen Worten, die er in der Verwirrung niederschrieb, haͤtte Anlaß geben koͤnnen. Wir haben gesehen, daß die dunkelsten Empfindungen, die mit keinem Bewußtseyn der Seele verbunden sind, auf die Organe dennoch sehr kraͤftig wirken, und die zweckmaͤßigen willkuͤhrlichen Handlungen hervorbringen, und eben so wohl unterbrechen koͤnnen. Ein Wort, das etwa in waͤhrender Verwirrung in einem Nebenzimmer laut gesprochen ward, konnte zufaͤlliger Weise, da alles in dem Haupte Hrn. S so gespannt war, einen sehr lebhaften Eindruck machen, und von staͤrkerer Wirkung in die Organe seyn, als die zweckmaͤßige Jdee, die kein sonderliches Jnteresse hatte. Jndem nun Hr. S. seine Lebensgeister anstrengte, die Bewegung der Hand hervorzubringen, die zu seinem Endzweck erforderlich war, drang jene fremde Vorstellung vor, und ließ ihn etwas unzweckmaͤßiges niederschreiben, so wie dem Stotternden wider Willen Silben entfahren, die er nicht hat aussprechen wollen. Die Seele, ihres Vorsatzes deutlich bewußt, merkte gar bald, daß etwas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0076" n="72"/><lb/>
seyn mußte, konnte nach meiner                         Hypothese den Zustand nicht wenig verschlimmern helfen; indem jede                         Gemu&#x0364;thsbewegung die ordentliche Einwirkung wirksamer Jdeen auf die Organe zu                         verhindern pflegt; wie solches vom Stottern ist angemerket worden. </p>
          <p>Es thut nichts zur Sache, daß <persName ref="#ref0112"><note type="editorial">Spalding, Johann Joachim</note>Hr. S.</persName> sich auf                         nichts in seinen vorhergegangenen Vorstellungen oder Gescha&#x0364;ften zu besinnen                         wußte, das zu den unversta&#x0364;ndlichen Worten, die er in der Verwirrung                         niederschrieb, ha&#x0364;tte Anlaß geben ko&#x0364;nnen. Wir haben gesehen, daß die                         dunkelsten Empfindungen, die mit keinem Bewußtseyn der Seele verbunden sind,                         auf die Organe dennoch sehr kra&#x0364;ftig wirken, und die zweckma&#x0364;ßigen                         willku&#x0364;hrlichen Handlungen hervorbringen, und eben so wohl unterbrechen                         ko&#x0364;nnen. Ein Wort, das etwa in wa&#x0364;hrender Verwirrung in einem Nebenzimmer laut                         gesprochen ward, konnte zufa&#x0364;lliger Weise, da alles in dem Haupte <persName ref="#ref0112"><note type="editorial">Spalding, Johann Joachim</note>Hrn. S</persName> so gespannt                         war, einen sehr lebhaften Eindruck machen, und von sta&#x0364;rkerer Wirkung in die                         Organe seyn, als die zweckma&#x0364;ßige Jdee, die kein sonderliches Jnteresse                         hatte. Jndem nun <persName ref="#ref0112"><note type="editorial">Spalding, Johann Joachim</note>Hr.                             S.</persName> seine Lebensgeister anstrengte, die Bewegung der Hand                         hervorzubringen, die zu seinem Endzweck erforderlich war, drang jene fremde                         Vorstellung vor, und ließ ihn etwas unzweckma&#x0364;ßiges niederschreiben, so wie                         dem Stotternden wider Willen Silben entfahren, die er nicht hat aussprechen                         wollen. Die Seele, ihres Vorsatzes deutlich bewußt, merkte gar bald, daß                         etwas<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0076] seyn mußte, konnte nach meiner Hypothese den Zustand nicht wenig verschlimmern helfen; indem jede Gemuͤthsbewegung die ordentliche Einwirkung wirksamer Jdeen auf die Organe zu verhindern pflegt; wie solches vom Stottern ist angemerket worden. Es thut nichts zur Sache, daß Hr. S. sich auf nichts in seinen vorhergegangenen Vorstellungen oder Geschaͤften zu besinnen wußte, das zu den unverstaͤndlichen Worten, die er in der Verwirrung niederschrieb, haͤtte Anlaß geben koͤnnen. Wir haben gesehen, daß die dunkelsten Empfindungen, die mit keinem Bewußtseyn der Seele verbunden sind, auf die Organe dennoch sehr kraͤftig wirken, und die zweckmaͤßigen willkuͤhrlichen Handlungen hervorbringen, und eben so wohl unterbrechen koͤnnen. Ein Wort, das etwa in waͤhrender Verwirrung in einem Nebenzimmer laut gesprochen ward, konnte zufaͤlliger Weise, da alles in dem Haupte Hrn. S so gespannt war, einen sehr lebhaften Eindruck machen, und von staͤrkerer Wirkung in die Organe seyn, als die zweckmaͤßige Jdee, die kein sonderliches Jnteresse hatte. Jndem nun Hr. S. seine Lebensgeister anstrengte, die Bewegung der Hand hervorzubringen, die zu seinem Endzweck erforderlich war, drang jene fremde Vorstellung vor, und ließ ihn etwas unzweckmaͤßiges niederschreiben, so wie dem Stotternden wider Willen Silben entfahren, die er nicht hat aussprechen wollen. Die Seele, ihres Vorsatzes deutlich bewußt, merkte gar bald, daß etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/76
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/76>, abgerufen am 21.11.2024.