Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite


heißet Gott, und sie freuete sich, den näher kennen zu lernen. Am andern Tage zeigte ich ihr die Sonne, und befahl ihr, daß sie dieselbe ansehen sollte; da sie aber ihres starken Glanzes wegen solche nicht ansehen konnte, schrieb ich ihr vor: Gott hat die Sonne auch erschaffen, und dieser Gott ist so groß und so herrlich und glänzend, daß ihn niemand ansehen kann. Gleich darauf kam uns ein starkes Gewitter sehr zu ihrem Unterricht zu Nutze. Wie sie eine Furcht vor dem Blitze, und vor der Erschütterung des Donners zeigte, so wieß ich ihr, das thäte Gott, der wäre aber uns nicht böse, wie sie wohl dächte, sondern gut, und er wäre hier bei uns, ob wir ihn schon nicht sehen könnten.

Jch nahm hierauf ein Kind und band dem die Augen zu, nun frug ich sie: ob das Kind uns sehen könnte? worauf natürlich ihr Kopfschütteln, ihr Nein, erfolgte. Jch frug weiter, können wir denn das Kind sehen? Ja; nickte sie; nun brauchte ich ein Exempel und zeigte ihr, wenn jemand in die Stube käme und diesem Kinde Leid zufügen wollte, ob ich denn als Vater das Kind nicht würde beschützen. Sie nickte wieder Ja. Oder wenn der Durchlauchtigste Herzog die Kanonen abfeuern ließen, (N B. den Durchl. Herzog bezeichnete sie mit dem Stern auf der Brust) und Jhro Durchlauchten Prinzen wären gegenwärtig, ob denn denenselben bei dieser donnernden und blitzenden Kanonade würde ein Leid zugefüget werden. Nein, schüttelte sie


heißet Gott, und sie freuete sich, den naͤher kennen zu lernen. Am andern Tage zeigte ich ihr die Sonne, und befahl ihr, daß sie dieselbe ansehen sollte; da sie aber ihres starken Glanzes wegen solche nicht ansehen konnte, schrieb ich ihr vor: Gott hat die Sonne auch erschaffen, und dieser Gott ist so groß und so herrlich und glaͤnzend, daß ihn niemand ansehen kann. Gleich darauf kam uns ein starkes Gewitter sehr zu ihrem Unterricht zu Nutze. Wie sie eine Furcht vor dem Blitze, und vor der Erschuͤtterung des Donners zeigte, so wieß ich ihr, das thaͤte Gott, der waͤre aber uns nicht boͤse, wie sie wohl daͤchte, sondern gut, und er waͤre hier bei uns, ob wir ihn schon nicht sehen koͤnnten.

Jch nahm hierauf ein Kind und band dem die Augen zu, nun frug ich sie: ob das Kind uns sehen koͤnnte? worauf natuͤrlich ihr Kopfschuͤtteln, ihr Nein, erfolgte. Jch frug weiter, koͤnnen wir denn das Kind sehen? Ja; nickte sie; nun brauchte ich ein Exempel und zeigte ihr, wenn jemand in die Stube kaͤme und diesem Kinde Leid zufuͤgen wollte, ob ich denn als Vater das Kind nicht wuͤrde beschuͤtzen. Sie nickte wieder Ja. Oder wenn der Durchlauchtigste Herzog die Kanonen abfeuern ließen, (N B. den Durchl. Herzog bezeichnete sie mit dem Stern auf der Brust) und Jhro Durchlauchten Prinzen waͤren gegenwaͤrtig, ob denn denenselben bei dieser donnernden und blitzenden Kanonade wuͤrde ein Leid zugefuͤget werden. Nein, schuͤttelte sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <div>
            <p><pb facs="#f0096" n="92"/><lb/>
heißet Gott,                         und sie freuete sich, den na&#x0364;her kennen zu lernen. Am andern Tage zeigte ich                         ihr die Sonne, und befahl ihr, daß sie dieselbe ansehen sollte; da sie aber                         ihres starken Glanzes wegen solche nicht ansehen konnte, schrieb ich ihr                         vor: Gott hat die Sonne auch erschaffen, und dieser Gott ist so groß und so                         herrlich und gla&#x0364;nzend, daß ihn niemand ansehen kann. Gleich darauf kam uns                         ein starkes Gewitter sehr zu ihrem Unterricht zu Nutze. Wie sie eine Furcht                         vor dem Blitze, und vor der Erschu&#x0364;tterung des Donners zeigte, so wieß ich                         ihr, das tha&#x0364;te Gott, der wa&#x0364;re aber uns nicht bo&#x0364;se, wie sie wohl da&#x0364;chte,                         sondern gut, und er wa&#x0364;re hier bei uns, ob wir ihn schon nicht sehen ko&#x0364;nnten. </p>
            <p>Jch nahm hierauf ein Kind und band dem die Augen zu, nun frug                         ich sie: ob das Kind uns sehen ko&#x0364;nnte? worauf natu&#x0364;rlich ihr Kopfschu&#x0364;tteln,                         ihr Nein, erfolgte. Jch frug weiter, ko&#x0364;nnen wir denn das Kind sehen? Ja;                         nickte sie; nun brauchte ich ein Exempel und zeigte ihr, wenn jemand in die                         Stube ka&#x0364;me und diesem Kinde Leid zufu&#x0364;gen wollte, ob ich denn als Vater das                         Kind nicht wu&#x0364;rde beschu&#x0364;tzen. Sie nickte wieder Ja. Oder wenn der                         Durchlauchtigste Herzog die Kanonen abfeuern ließen, (<hi rendition="#aq">N                             B.</hi> den Durchl. Herzog bezeichnete sie mit dem Stern auf der                         Brust) und Jhro Durchlauchten Prinzen wa&#x0364;ren gegenwa&#x0364;rtig, ob denn denenselben                         bei dieser donnernden und blitzenden Kanonade wu&#x0364;rde ein Leid zugefu&#x0364;get                         werden. Nein, schu&#x0364;ttelte sie<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0096] heißet Gott, und sie freuete sich, den naͤher kennen zu lernen. Am andern Tage zeigte ich ihr die Sonne, und befahl ihr, daß sie dieselbe ansehen sollte; da sie aber ihres starken Glanzes wegen solche nicht ansehen konnte, schrieb ich ihr vor: Gott hat die Sonne auch erschaffen, und dieser Gott ist so groß und so herrlich und glaͤnzend, daß ihn niemand ansehen kann. Gleich darauf kam uns ein starkes Gewitter sehr zu ihrem Unterricht zu Nutze. Wie sie eine Furcht vor dem Blitze, und vor der Erschuͤtterung des Donners zeigte, so wieß ich ihr, das thaͤte Gott, der waͤre aber uns nicht boͤse, wie sie wohl daͤchte, sondern gut, und er waͤre hier bei uns, ob wir ihn schon nicht sehen koͤnnten. Jch nahm hierauf ein Kind und band dem die Augen zu, nun frug ich sie: ob das Kind uns sehen koͤnnte? worauf natuͤrlich ihr Kopfschuͤtteln, ihr Nein, erfolgte. Jch frug weiter, koͤnnen wir denn das Kind sehen? Ja; nickte sie; nun brauchte ich ein Exempel und zeigte ihr, wenn jemand in die Stube kaͤme und diesem Kinde Leid zufuͤgen wollte, ob ich denn als Vater das Kind nicht wuͤrde beschuͤtzen. Sie nickte wieder Ja. Oder wenn der Durchlauchtigste Herzog die Kanonen abfeuern ließen, (N B. den Durchl. Herzog bezeichnete sie mit dem Stern auf der Brust) und Jhro Durchlauchten Prinzen waͤren gegenwaͤrtig, ob denn denenselben bei dieser donnernden und blitzenden Kanonade wuͤrde ein Leid zugefuͤget werden. Nein, schuͤttelte sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/96
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/96>, abgerufen am 21.11.2024.