Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
Schröder, IX. Beispiel und Folgen einer schwärmerischen Sehnsucht nach dem Tode. Beim Durchlesen des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde erinnere ich mich der seltenen Krankheit einer Bauersfrau meiner Gemeine, wovon ich die Hauptzüge in meinen Annotationen aufgezeichnet, hier mittheile: Vor ohngefähr drei Jahren, wurde ich zu einer kranken Frau gerufen, ihr das heilige Abendmahl zu reichen. Gleich bei meinem Eintritt in das Haus dieser Kranken fand ich deren ganze Familie, die zum Theil aus vernünftig denkenden Bauern bestand, versammlet, die auf mich wartete. Zwar sind dergleichen Versammlungen bei solcher Gelegenheit, (wie der fürtrefliche D. Leß für nöthig hält) hier gewöhnlich; nur diese, auf deren Gesichtern sich ein ungewöhnlich trüber Ernst und tiefes Nachdenken verbreitete, schien mir geheimnißvoll --. Dieser mir auffallende Anblick enträhtselte sich aber bald, als sich die ganze Gesellschaft um mich versammlete, und mir
Schroͤder, IX. Beispiel und Folgen einer schwaͤrmerischen Sehnsucht nach dem Tode. Beim Durchlesen des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde erinnere ich mich der seltenen Krankheit einer Bauersfrau meiner Gemeine, wovon ich die Hauptzuͤge in meinen Annotationen aufgezeichnet, hier mittheile: Vor ohngefaͤhr drei Jahren, wurde ich zu einer kranken Frau gerufen, ihr das heilige Abendmahl zu reichen. Gleich bei meinem Eintritt in das Haus dieser Kranken fand ich deren ganze Familie, die zum Theil aus vernuͤnftig denkenden Bauern bestand, versammlet, die auf mich wartete. Zwar sind dergleichen Versammlungen bei solcher Gelegenheit, (wie der fuͤrtrefliche D. Leß fuͤr noͤthig haͤlt) hier gewoͤhnlich; nur diese, auf deren Gesichtern sich ein ungewoͤhnlich truͤber Ernst und tiefes Nachdenken verbreitete, schien mir geheimnißvoll ―. Dieser mir auffallende Anblick entraͤhtselte sich aber bald, als sich die ganze Gesellschaft um mich versammlete, und mir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="64"/><lb/> der ihn zu der grausamsten Operation abhaͤrtet und hinleitet. </p> <p rendition="#right"><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0148"><note type="editorial">Schroͤder</note>Schroͤder,</persName></hi><lb/> Doctor Medicinaͤ. </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">IX</hi>.<lb/> Beispiel und Folgen einer schwaͤrmerischen Sehnsucht nach dem Tode.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref9"><note type="editorial"/>Hellen, Christian Friedrich zur</persName> </bibl> </note> <p>Beim Durchlesen des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde erinnere ich mich der seltenen Krankheit einer Bauersfrau meiner Gemeine, wovon ich die Hauptzuͤge in meinen Annotationen aufgezeichnet, hier mittheile: </p> <p>Vor ohngefaͤhr drei Jahren, wurde ich zu einer kranken Frau gerufen, ihr das heilige Abendmahl zu reichen. Gleich bei meinem Eintritt in das Haus dieser Kranken fand ich deren ganze Familie, die zum Theil aus vernuͤnftig denkenden Bauern bestand, versammlet, die auf mich wartete. Zwar sind dergleichen Versammlungen bei solcher Gelegenheit, (wie der fuͤrtrefliche D. Leß fuͤr noͤthig haͤlt) hier gewoͤhnlich; nur diese, auf deren Gesichtern sich ein ungewoͤhnlich truͤber Ernst und tiefes Nachdenken verbreitete, schien mir geheimnißvoll ―. Dieser mir auffallende Anblick entraͤhtselte sich aber bald, als sich die ganze Gesellschaft um mich versammlete, und mir<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0066]
der ihn zu der grausamsten Operation abhaͤrtet und hinleitet.
Schroͤder,
Doctor Medicinaͤ.
IX.
Beispiel und Folgen einer schwaͤrmerischen Sehnsucht nach dem Tode.
Beim Durchlesen des Magazins zur Erfahrungsseelenkunde erinnere ich mich der seltenen Krankheit einer Bauersfrau meiner Gemeine, wovon ich die Hauptzuͤge in meinen Annotationen aufgezeichnet, hier mittheile:
Vor ohngefaͤhr drei Jahren, wurde ich zu einer kranken Frau gerufen, ihr das heilige Abendmahl zu reichen. Gleich bei meinem Eintritt in das Haus dieser Kranken fand ich deren ganze Familie, die zum Theil aus vernuͤnftig denkenden Bauern bestand, versammlet, die auf mich wartete. Zwar sind dergleichen Versammlungen bei solcher Gelegenheit, (wie der fuͤrtrefliche D. Leß fuͤr noͤthig haͤlt) hier gewoͤhnlich; nur diese, auf deren Gesichtern sich ein ungewoͤhnlich truͤber Ernst und tiefes Nachdenken verbreitete, schien mir geheimnißvoll ―. Dieser mir auffallende Anblick entraͤhtselte sich aber bald, als sich die ganze Gesellschaft um mich versammlete, und mir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |