Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


wozu du keinen weißt, daß ich aufsprang, Huth und Stock nahm, um in ein Kollegium zu gehen, das in einer Viertelstunde angehn sollte, und hüpfend und singend aus meinem Stübchen eilte.

Vor diesem Stübchen lag ein andres, an dessen verschlossene Thüre hart angeklopft wurde, ehe ich sie erreicht hatte. Jch öfne sie, und sehe einen Postbothen vor mir stehen, der mir einen Brief mit 10 Rthlr. -- für mich, an dem Orte, zu der Zeit (es war 1754) ein wahres Kapital! -- übergab, und darüber quittirt seyn wollte.

Es war ein Brief von meiner Stiefgroßmutter, die mir wohl manches kleine, aber niemals ein so grosses, Geschenk in Gelde, immer nur persönlich, nie mit der Post, gemacht hatte, von mir sonst nie, am wenigsten jetzt um Eines gebeten war, und ihrer, mir bekannten Umstände wegen, um ein so wichtiges weder jemals gebeten worden wäre, noch gebeten werden konnte; die aber an dem Orte zum Behuf des Handels, den sie in ihrer kleinen Stadt trieb, mancherlei zu bezahlen oder einzukaufen hatte.

Der natürlichste Gedanke wäre mithin für mich unter diesen Umständen der gewesen: du wirst diese Summe für sie in einer oder der andren Weise anzuwenden haben, und ein ganz kleiner Theil davon wird für deine Bemühung seyn.

Aber dieses gerade dachte ich nicht, konnte ich nicht denken, sondern das, was das unwahrschein-


wozu du keinen weißt, daß ich aufsprang, Huth und Stock nahm, um in ein Kollegium zu gehen, das in einer Viertelstunde angehn sollte, und huͤpfend und singend aus meinem Stuͤbchen eilte.

Vor diesem Stuͤbchen lag ein andres, an dessen verschlossene Thuͤre hart angeklopft wurde, ehe ich sie erreicht hatte. Jch oͤfne sie, und sehe einen Postbothen vor mir stehen, der mir einen Brief mit 10 Rthlr. ― fuͤr mich, an dem Orte, zu der Zeit (es war 1754) ein wahres Kapital! ― uͤbergab, und daruͤber quittirt seyn wollte.

Es war ein Brief von meiner Stiefgroßmutter, die mir wohl manches kleine, aber niemals ein so grosses, Geschenk in Gelde, immer nur persoͤnlich, nie mit der Post, gemacht hatte, von mir sonst nie, am wenigsten jetzt um Eines gebeten war, und ihrer, mir bekannten Umstaͤnde wegen, um ein so wichtiges weder jemals gebeten worden waͤre, noch gebeten werden konnte; die aber an dem Orte zum Behuf des Handels, den sie in ihrer kleinen Stadt trieb, mancherlei zu bezahlen oder einzukaufen hatte.

Der natuͤrlichste Gedanke waͤre mithin fuͤr mich unter diesen Umstaͤnden der gewesen: du wirst diese Summe fuͤr sie in einer oder der andren Weise anzuwenden haben, und ein ganz kleiner Theil davon wird fuͤr deine Bemuͤhung seyn.

Aber dieses gerade dachte ich nicht, konnte ich nicht denken, sondern das, was das unwahrschein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0025" n="25"/><lb/>
wozu du keinen weißt, daß ich aufsprang, Huth und                         Stock nahm, um in ein Kollegium zu gehen, das in einer Viertelstunde angehn                         sollte, und hu&#x0364;pfend und singend aus meinem Stu&#x0364;bchen eilte. </p>
            <p>Vor diesem Stu&#x0364;bchen lag ein andres, an dessen verschlossene Thu&#x0364;re hart                         angeklopft wurde, ehe ich sie erreicht hatte. Jch o&#x0364;fne sie, und sehe einen                         Postbothen vor mir stehen, der mir einen Brief mit 10 Rthlr. &#x2015; fu&#x0364;r mich, an                         dem Orte, zu der Zeit (es war 1754) ein wahres Kapital! &#x2015; u&#x0364;bergab, und                         daru&#x0364;ber quittirt seyn wollte. </p>
            <p>Es war ein Brief von meiner Stiefgroßmutter, die mir wohl manches kleine,                         aber niemals ein so grosses, Geschenk in Gelde, immer nur perso&#x0364;nlich, nie                         mit der Post, gemacht hatte, von mir sonst nie, am wenigsten jetzt um Eines                         gebeten war, und ihrer, mir bekannten Umsta&#x0364;nde wegen, um ein so wichtiges                         weder jemals gebeten worden wa&#x0364;re, noch gebeten werden konnte; die aber an                         dem Orte zum Behuf des Handels, den sie in ihrer kleinen Stadt trieb,                         mancherlei zu bezahlen oder einzukaufen hatte. </p>
            <p>Der natu&#x0364;rlichste Gedanke wa&#x0364;re mithin fu&#x0364;r mich unter diesen Umsta&#x0364;nden der                         gewesen: du wirst diese Summe fu&#x0364;r sie in einer oder der andren Weise                         anzuwenden haben, und ein ganz kleiner Theil davon wird fu&#x0364;r deine Bemu&#x0364;hung                         seyn. </p>
            <p>Aber dieses gerade dachte ich nicht, konnte ich nicht denken, sondern das,                         was das unwahrschein-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0025] wozu du keinen weißt, daß ich aufsprang, Huth und Stock nahm, um in ein Kollegium zu gehen, das in einer Viertelstunde angehn sollte, und huͤpfend und singend aus meinem Stuͤbchen eilte. Vor diesem Stuͤbchen lag ein andres, an dessen verschlossene Thuͤre hart angeklopft wurde, ehe ich sie erreicht hatte. Jch oͤfne sie, und sehe einen Postbothen vor mir stehen, der mir einen Brief mit 10 Rthlr. ― fuͤr mich, an dem Orte, zu der Zeit (es war 1754) ein wahres Kapital! ― uͤbergab, und daruͤber quittirt seyn wollte. Es war ein Brief von meiner Stiefgroßmutter, die mir wohl manches kleine, aber niemals ein so grosses, Geschenk in Gelde, immer nur persoͤnlich, nie mit der Post, gemacht hatte, von mir sonst nie, am wenigsten jetzt um Eines gebeten war, und ihrer, mir bekannten Umstaͤnde wegen, um ein so wichtiges weder jemals gebeten worden waͤre, noch gebeten werden konnte; die aber an dem Orte zum Behuf des Handels, den sie in ihrer kleinen Stadt trieb, mancherlei zu bezahlen oder einzukaufen hatte. Der natuͤrlichste Gedanke waͤre mithin fuͤr mich unter diesen Umstaͤnden der gewesen: du wirst diese Summe fuͤr sie in einer oder der andren Weise anzuwenden haben, und ein ganz kleiner Theil davon wird fuͤr deine Bemuͤhung seyn. Aber dieses gerade dachte ich nicht, konnte ich nicht denken, sondern das, was das unwahrschein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/25
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/25>, abgerufen am 21.11.2024.