Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


so lange vor dem Bette sitzen bleiben, bis ich eingeschlafen war, und doch wußte ich gar nichts anzugeben, wovor ich mich fürchtete. Wachte ich auf, und fand keinen vor meinen Bette, so sprang ich in größter Angst auf, lief in Finstern durchs ganze Haus, und setzte mich, (weil ich mich nicht hinein getrauete) vor die Thür der Stube, worin mehrere Menschen befindlich waren, denn wenn ich nur noch bei mir jemand reden hörete, so verschwand die Furchtsamkeit. Jch habe diesen Fehler noch nachher bei zunehmenden Jahren an mir gehabt, und mir alle mögliche Mühe geben müssen, ihn abzulegen. Zuletzt hat er sich gänzlich verlohren, aber wirklich erst sehr spät.


III. Beispiel eines sehr empfindsamen Nervensystems.

Jch kenne eine Person von vornehmen Stande, die bei dem Wort: Aderlassen, allemal in eine Art von Ohnmacht verfällt. Daß es keine Verstellung sey, davon bin ich hinlänglich überzeugt, denn alle Umstände lehren das Gegentheil. Wenn diese Person in einer Gesellschaft auch noch so aufgereimt und völlig gesund ist, und es entfährt etwa jemanden dieser Ausdruck, wenn von derglei-


so lange vor dem Bette sitzen bleiben, bis ich eingeschlafen war, und doch wußte ich gar nichts anzugeben, wovor ich mich fuͤrchtete. Wachte ich auf, und fand keinen vor meinen Bette, so sprang ich in groͤßter Angst auf, lief in Finstern durchs ganze Haus, und setzte mich, (weil ich mich nicht hinein getrauete) vor die Thuͤr der Stube, worin mehrere Menschen befindlich waren, denn wenn ich nur noch bei mir jemand reden hoͤrete, so verschwand die Furchtsamkeit. Jch habe diesen Fehler noch nachher bei zunehmenden Jahren an mir gehabt, und mir alle moͤgliche Muͤhe geben muͤssen, ihn abzulegen. Zuletzt hat er sich gaͤnzlich verlohren, aber wirklich erst sehr spaͤt.


III. Beispiel eines sehr empfindsamen Nervensystems.

Jch kenne eine Person von vornehmen Stande, die bei dem Wort: Aderlassen, allemal in eine Art von Ohnmacht verfaͤllt. Daß es keine Verstellung sey, davon bin ich hinlaͤnglich uͤberzeugt, denn alle Umstaͤnde lehren das Gegentheil. Wenn diese Person in einer Gesellschaft auch noch so aufgereimt und voͤllig gesund ist, und es entfaͤhrt etwa jemanden dieser Ausdruck, wenn von derglei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0046" n="46"/><lb/>
so lange vor dem                   Bette sitzen bleiben, bis ich eingeschlafen war, und doch wußte ich gar nichts                   anzugeben, wovor ich mich fu&#x0364;rchtete. Wachte ich auf, und fand keinen vor meinen                   Bette, so sprang ich in gro&#x0364;ßter Angst auf, lief in Finstern durchs ganze Haus, und                   setzte mich, (weil ich mich nicht hinein getrauete) vor die Thu&#x0364;r der Stube, worin                   mehrere Menschen befindlich waren, denn wenn ich nur <hi rendition="#b">noch bei                      mir</hi> jemand reden ho&#x0364;rete, so verschwand die Furchtsamkeit. Jch habe                   diesen Fehler noch nachher bei zunehmenden Jahren an mir gehabt, und mir alle                   mo&#x0364;gliche Mu&#x0364;he geben mu&#x0364;ssen, ihn abzulegen. Zuletzt hat er sich ga&#x0364;nzlich verlohren,                   aber wirklich erst sehr spa&#x0364;t. </p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">III</hi>.             Beispiel eines sehr empfindsamen Nervensystems.</head><lb/>
            <note type="editorial">
              <bibl>
                <persName ref="#ref67"><note type="editorial"/>Anonym</persName>
              </bibl>
            </note>
            <p>Jch kenne eine Person von vornehmen Stande, die bei dem Wort: <hi rendition="#b">Aderlassen,</hi> allemal in eine Art von Ohnmacht verfa&#x0364;llt.                   Daß es keine Verstellung sey, davon bin ich hinla&#x0364;nglich u&#x0364;berzeugt, denn alle                   Umsta&#x0364;nde lehren das Gegentheil. Wenn diese Person in einer Gesellschaft auch noch                   so aufgereimt und vo&#x0364;llig gesund ist, und es entfa&#x0364;hrt etwa jemanden dieser                   Ausdruck, wenn von derglei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0046] so lange vor dem Bette sitzen bleiben, bis ich eingeschlafen war, und doch wußte ich gar nichts anzugeben, wovor ich mich fuͤrchtete. Wachte ich auf, und fand keinen vor meinen Bette, so sprang ich in groͤßter Angst auf, lief in Finstern durchs ganze Haus, und setzte mich, (weil ich mich nicht hinein getrauete) vor die Thuͤr der Stube, worin mehrere Menschen befindlich waren, denn wenn ich nur noch bei mir jemand reden hoͤrete, so verschwand die Furchtsamkeit. Jch habe diesen Fehler noch nachher bei zunehmenden Jahren an mir gehabt, und mir alle moͤgliche Muͤhe geben muͤssen, ihn abzulegen. Zuletzt hat er sich gaͤnzlich verlohren, aber wirklich erst sehr spaͤt. III. Beispiel eines sehr empfindsamen Nervensystems. Jch kenne eine Person von vornehmen Stande, die bei dem Wort: Aderlassen, allemal in eine Art von Ohnmacht verfaͤllt. Daß es keine Verstellung sey, davon bin ich hinlaͤnglich uͤberzeugt, denn alle Umstaͤnde lehren das Gegentheil. Wenn diese Person in einer Gesellschaft auch noch so aufgereimt und voͤllig gesund ist, und es entfaͤhrt etwa jemanden dieser Ausdruck, wenn von derglei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/46
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/46>, abgerufen am 21.11.2024.