Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0088" n="88"/><lb/> uͤberirrdische Wesen bei einer wundervollen Begebenheit mit im Spiele gewesen seyn muͤssen; die dunkeln uns in Erstaunen setzenden Begriffe von der ausserordentlichen Kraft, die, um jene Begebenheit zu Stande zu bringen, erfordert wurde; die Wißbegierde, wie doch wohl wunderthaͤtige Menschen in den Umgang mit der Gottheit gekommen seyn moͤgen, und wie sie sich darin zu erhalten wissen; die aͤusserst schnelle, ungewoͤhnliche, uns unbegreifliche Zusammenstellung von Umstaͤnden, die eine wunderbare Scene ausmachen — alles dies erhaͤlt unsern Geist in einer bestaͤndigen Spannung, und weil unsere Wißbegierde dabei eigentlich nie ganz befriedigt wird, weil uns dabei, wenn wir auch einen deutlichen Begrif von dem Zusammenhange der Begebenheit haben, immer die geheime Einwuͤrkung der Gottheit auf Sachen und Personen unbegreiflich bleibt; so verdoppeln jene Umstaͤnde unsere Aufmerksamkeit ohngefaͤhr so, wie wir unsere Augen anstrengen, um eine entfernte uns sonderbar vorkommende Sache zu sehen. Unbefriedigte Wißbegierde ist es also vornehmlich, was unsere Seele so geneigt gegen das Wunderbare macht. Ueberhaupt aber reitzt in unzaͤhligen Faͤllen das Unvollendete, Halbbekannte und Versteckte in Erzaͤhlungen sowohl, als Begebenheiten und Gegenstaͤnde menschlicher Kuͤnste und Wissenschaften unsere Aufmerksamkeit mehr, als das Bestimmte, Vollendete und Bekannte, weil durch jenes nach einem psychologischen Erfah-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0088]
uͤberirrdische Wesen bei einer wundervollen Begebenheit mit im Spiele gewesen seyn muͤssen; die dunkeln uns in Erstaunen setzenden Begriffe von der ausserordentlichen Kraft, die, um jene Begebenheit zu Stande zu bringen, erfordert wurde; die Wißbegierde, wie doch wohl wunderthaͤtige Menschen in den Umgang mit der Gottheit gekommen seyn moͤgen, und wie sie sich darin zu erhalten wissen; die aͤusserst schnelle, ungewoͤhnliche, uns unbegreifliche Zusammenstellung von Umstaͤnden, die eine wunderbare Scene ausmachen — alles dies erhaͤlt unsern Geist in einer bestaͤndigen Spannung, und weil unsere Wißbegierde dabei eigentlich nie ganz befriedigt wird, weil uns dabei, wenn wir auch einen deutlichen Begrif von dem Zusammenhange der Begebenheit haben, immer die geheime Einwuͤrkung der Gottheit auf Sachen und Personen unbegreiflich bleibt; so verdoppeln jene Umstaͤnde unsere Aufmerksamkeit ohngefaͤhr so, wie wir unsere Augen anstrengen, um eine entfernte uns sonderbar vorkommende Sache zu sehen. Unbefriedigte Wißbegierde ist es also vornehmlich, was unsere Seele so geneigt gegen das Wunderbare macht. Ueberhaupt aber reitzt in unzaͤhligen Faͤllen das Unvollendete, Halbbekannte und Versteckte in Erzaͤhlungen sowohl, als Begebenheiten und Gegenstaͤnde menschlicher Kuͤnste und Wissenschaften unsere Aufmerksamkeit mehr, als das Bestimmte, Vollendete und Bekannte, weil durch jenes nach einem psychologischen Erfah-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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