Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.Jch werde daher künftig eine eigne untergeordnete Rubrik, in der Rubrik zur Seelennaturkunde, zu einer Sammlung an sich merkwürdiger, oder durch Reflexionen merkwürdig gemachter Träume bestimmen. Für jetzt genug hievon! Beispiele des Lebensüberdrusses. Sind im zweiten Stück des ersten Bandes die Geschichte des Musquetiers Daniel Völkners, die pag. 10, und des Jnspektors Johann Peter Drieß, die pag. 18 steht. Bei dem ersten war der Lebensüberdruß höchstwahrscheinlicher Weise durch überspannte Vorstellungen von der Glückseligkeit eines künftigen Lebens entstanden, die ihm das für eine hochgespannte Phantasie freilich eben nicht reitzende Leben eines gemeinen Soldaten eckelhaft und abgeschmackt machten. Um sich nun also ohne Selbstmord, wodurch er der Seligkeit verlustig zu werden glaubte, der Bürde dieses Lebens zu entledigen, ermordete er ein unschuldiges Kind, mit dem festen Gedanken sich dann noch vor seiner Hinrichtung wieder zu bekehren, um auf die Weise doch noch Gnade wieder zu erhalten. Er hatte also auf eine recht politische Art sich zugleich die Be- Jch werde daher kuͤnftig eine eigne untergeordnete Rubrik, in der Rubrik zur Seelennaturkunde, zu einer Sammlung an sich merkwuͤrdiger, oder durch Reflexionen merkwuͤrdig gemachter Traͤume bestimmen. Fuͤr jetzt genug hievon! Beispiele des Lebensuͤberdrusses. Sind im zweiten Stuͤck des ersten Bandes die Geschichte des Musquetiers Daniel Voͤlkners, die pag. 10, und des Jnspektors Johann Peter Drieß, die pag. 18 steht. Bei dem ersten war der Lebensuͤberdruß hoͤchstwahrscheinlicher Weise durch uͤberspannte Vorstellungen von der Gluͤckseligkeit eines kuͤnftigen Lebens entstanden, die ihm das fuͤr eine hochgespannte Phantasie freilich eben nicht reitzende Leben eines gemeinen Soldaten eckelhaft und abgeschmackt machten. Um sich nun also ohne Selbstmord, wodurch er der Seligkeit verlustig zu werden glaubte, der Buͤrde dieses Lebens zu entledigen, ermordete er ein unschuldiges Kind, mit dem festen Gedanken sich dann noch vor seiner Hinrichtung wieder zu bekehren, um auf die Weise doch noch Gnade wieder zu erhalten. Er hatte also auf eine recht politische Art sich zugleich die Be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0026" n="24"/><lb/> <p>Jch werde daher kuͤnftig eine eigne untergeordnete Rubrik, in der Rubrik zur Seelennaturkunde, zu einer Sammlung <hi rendition="#b">an sich merkwuͤrdiger, oder durch Reflexionen merkwuͤrdig gemachter Traͤume</hi> bestimmen. Fuͤr jetzt genug hievon! </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="3"> <head>Beispiele des Lebensuͤberdrusses.</head><lb/> <p>Sind im zweiten Stuͤck des ersten Bandes die Geschichte des <hi rendition="#b">Musquetiers Daniel Voͤlkners,</hi> die pag. 10, und des <hi rendition="#b">Jnspektors Johann Peter Drieß,</hi> die pag. 18 steht. </p> <p>Bei dem ersten war der Lebensuͤberdruß hoͤchstwahrscheinlicher Weise durch <hi rendition="#b">uͤberspannte Vorstellungen von der Gluͤckseligkeit eines kuͤnftigen Lebens</hi> entstanden, die ihm das fuͤr eine hochgespannte Phantasie freilich eben nicht reitzende Leben eines gemeinen Soldaten eckelhaft und abgeschmackt machten. Um sich nun also ohne Selbstmord, wodurch er der Seligkeit verlustig zu werden glaubte, der Buͤrde dieses Lebens zu entledigen, ermordete er ein unschuldiges Kind, mit dem festen Gedanken sich dann noch vor seiner Hinrichtung wieder zu bekehren, um auf die Weise doch noch Gnade wieder zu erhalten. Er hatte also auf eine recht politische Art sich zugleich die Be-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0026]
Jch werde daher kuͤnftig eine eigne untergeordnete Rubrik, in der Rubrik zur Seelennaturkunde, zu einer Sammlung an sich merkwuͤrdiger, oder durch Reflexionen merkwuͤrdig gemachter Traͤume bestimmen. Fuͤr jetzt genug hievon!
Beispiele des Lebensuͤberdrusses.
Sind im zweiten Stuͤck des ersten Bandes die Geschichte des Musquetiers Daniel Voͤlkners, die pag. 10, und des Jnspektors Johann Peter Drieß, die pag. 18 steht.
Bei dem ersten war der Lebensuͤberdruß hoͤchstwahrscheinlicher Weise durch uͤberspannte Vorstellungen von der Gluͤckseligkeit eines kuͤnftigen Lebens entstanden, die ihm das fuͤr eine hochgespannte Phantasie freilich eben nicht reitzende Leben eines gemeinen Soldaten eckelhaft und abgeschmackt machten. Um sich nun also ohne Selbstmord, wodurch er der Seligkeit verlustig zu werden glaubte, der Buͤrde dieses Lebens zu entledigen, ermordete er ein unschuldiges Kind, mit dem festen Gedanken sich dann noch vor seiner Hinrichtung wieder zu bekehren, um auf die Weise doch noch Gnade wieder zu erhalten. Er hatte also auf eine recht politische Art sich zugleich die Be-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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