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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.

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bei Kindern zu ihrer moralischen Besserung bedienen müsse. Es ist bei der so großen Verschiedenheit der Gemüther, bei der verschiedenen Empfindlichkeit junger Kinder, und bei der oft durchs ganze Leben hindurch würkenden Dauer früherer Eindrücke durchaus nicht gleichgültig, womit, und wie man jene bestraft, und ich bin überzeugt, daß durch eine falsch angewandte Art der Strafen viel mehr junge Leute von Grund aus verdorben sind, als durch jenes zärtliche Nachgeben, welches Eltern so oft gegen ihre Kinder an den Tag legen. Viele Unarten der Kinder sollte man gar nicht, oder nur mit wenigen Worten bestrafen, wenn sie eine bloße Folge ihres Leichtsinns und ihrer Uebereilung sind. Weil Kinder in diesen Fällen nichts Böses gethan zu haben glauben, und weil sie selten schon richtige Begriffe über die Moralität ihrer Handlungen besitzen, die wir oft zu früh bei ihnen voraussetzen; so werden sie leicht Unrecht zu leiden glauben, wenn man sie deswegen bestraft; sie werden sich heimlich über ihre Eltern und Lehrer erboßen; ihre Liebe wird gegen sie in einen versteckten Haß verwandelt werden, und alle ihre Handlungen werden nach und nach in jene unglückliche Heuchelei ausarten, hinter welche sie sich mit einem desto größern Rechte zu verstecken suchen werden, je mehr man ihnen durch unüberlegte Strafen Unrecht gethan hat. Selbst diejenigen Strafen, die Kinder verdient haben, sollte man mit größter Vorsicht wählen, und dabei


bei Kindern zu ihrer moralischen Besserung bedienen muͤsse. Es ist bei der so großen Verschiedenheit der Gemuͤther, bei der verschiedenen Empfindlichkeit junger Kinder, und bei der oft durchs ganze Leben hindurch wuͤrkenden Dauer fruͤherer Eindruͤcke durchaus nicht gleichguͤltig, womit, und wie man jene bestraft, und ich bin uͤberzeugt, daß durch eine falsch angewandte Art der Strafen viel mehr junge Leute von Grund aus verdorben sind, als durch jenes zaͤrtliche Nachgeben, welches Eltern so oft gegen ihre Kinder an den Tag legen. Viele Unarten der Kinder sollte man gar nicht, oder nur mit wenigen Worten bestrafen, wenn sie eine bloße Folge ihres Leichtsinns und ihrer Uebereilung sind. Weil Kinder in diesen Faͤllen nichts Boͤses gethan zu haben glauben, und weil sie selten schon richtige Begriffe uͤber die Moralitaͤt ihrer Handlungen besitzen, die wir oft zu fruͤh bei ihnen voraussetzen; so werden sie leicht Unrecht zu leiden glauben, wenn man sie deswegen bestraft; sie werden sich heimlich uͤber ihre Eltern und Lehrer erboßen; ihre Liebe wird gegen sie in einen versteckten Haß verwandelt werden, und alle ihre Handlungen werden nach und nach in jene ungluͤckliche Heuchelei ausarten, hinter welche sie sich mit einem desto groͤßern Rechte zu verstecken suchen werden, je mehr man ihnen durch unuͤberlegte Strafen Unrecht gethan hat. Selbst diejenigen Strafen, die Kinder verdient haben, sollte man mit groͤßter Vorsicht waͤhlen, und dabei

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[53/0053] bei Kindern zu ihrer moralischen Besserung bedienen muͤsse. Es ist bei der so großen Verschiedenheit der Gemuͤther, bei der verschiedenen Empfindlichkeit junger Kinder, und bei der oft durchs ganze Leben hindurch wuͤrkenden Dauer fruͤherer Eindruͤcke durchaus nicht gleichguͤltig, womit, und wie man jene bestraft, und ich bin uͤberzeugt, daß durch eine falsch angewandte Art der Strafen viel mehr junge Leute von Grund aus verdorben sind, als durch jenes zaͤrtliche Nachgeben, welches Eltern so oft gegen ihre Kinder an den Tag legen. Viele Unarten der Kinder sollte man gar nicht, oder nur mit wenigen Worten bestrafen, wenn sie eine bloße Folge ihres Leichtsinns und ihrer Uebereilung sind. Weil Kinder in diesen Faͤllen nichts Boͤses gethan zu haben glauben, und weil sie selten schon richtige Begriffe uͤber die Moralitaͤt ihrer Handlungen besitzen, die wir oft zu fruͤh bei ihnen voraussetzen; so werden sie leicht Unrecht zu leiden glauben, wenn man sie deswegen bestraft; sie werden sich heimlich uͤber ihre Eltern und Lehrer erboßen; ihre Liebe wird gegen sie in einen versteckten Haß verwandelt werden, und alle ihre Handlungen werden nach und nach in jene ungluͤckliche Heuchelei ausarten, hinter welche sie sich mit einem desto groͤßern Rechte zu verstecken suchen werden, je mehr man ihnen durch unuͤberlegte Strafen Unrecht gethan hat. Selbst diejenigen Strafen, die Kinder verdient haben, sollte man mit groͤßter Vorsicht waͤhlen, und dabei

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/53>, abgerufen am 21.11.2024.