nachdenken, ob sie auch mit dem zu bestrafenden Fehler in einem gehörigen Verhältnisse stehen. Jn den Augen der Eltern und Lehrer können sie vielleicht unbedeutend scheinen, können aus guten Absichten so und nicht anders gewählt seyn, und doch in dem Gemüthe junger Kinder die schrecklichsten Veränderungen hervorbringen. Vornehmlich aber hüte man sich doch ja, junge Leute durch Strafen oder auch nur durch Drohungen zur Verzweifelung zu bringen, welches oft leichter geschehen kann, als man glaubt. Die Erschütterungen, welche dadurch das Gemüth eines Kindes bekommt, können für sein ganzes Leben höchst gefährlich werden, und vielleicht auf immer dem Charakter des Kindes eine schiefe Richtung geben. Jch will aus Schacks Jugendgeschichte einen Fall anführen, welcher zwar den letztern Schaden für seinen Charakter nicht hatte; aber ihm eine der entsetzlichsten Entschließungen abzwang, wohin ein verzweiflungsvolles Gemüth gerathen kann.
Schack hatte hintereinander -- er war damals ohngefähr zehn Jahre alt -- einige Unarten begangen, die würklich ernstlich bestraft zu werden verdienten. Er furchte daher auch dießmal wirklich Schläge zu bekommen; aber er hatte sich geirrt. Sein Vater ließ ihn vor sich kommen, und empfing ihn mit einer äußern Ruhe, die ihn befremdete. Gleich einer Bildsäule stand jetzt Schack da, und erwartete sein Urtheil, indem er einen schüchternen Blick
nachdenken, ob sie auch mit dem zu bestrafenden Fehler in einem gehoͤrigen Verhaͤltnisse stehen. Jn den Augen der Eltern und Lehrer koͤnnen sie vielleicht unbedeutend scheinen, koͤnnen aus guten Absichten so und nicht anders gewaͤhlt seyn, und doch in dem Gemuͤthe junger Kinder die schrecklichsten Veraͤnderungen hervorbringen. Vornehmlich aber huͤte man sich doch ja, junge Leute durch Strafen oder auch nur durch Drohungen zur Verzweifelung zu bringen, welches oft leichter geschehen kann, als man glaubt. Die Erschuͤtterungen, welche dadurch das Gemuͤth eines Kindes bekommt, koͤnnen fuͤr sein ganzes Leben hoͤchst gefaͤhrlich werden, und vielleicht auf immer dem Charakter des Kindes eine schiefe Richtung geben. Jch will aus Schacks Jugendgeschichte einen Fall anfuͤhren, welcher zwar den letztern Schaden fuͤr seinen Charakter nicht hatte; aber ihm eine der entsetzlichsten Entschließungen abzwang, wohin ein verzweiflungsvolles Gemuͤth gerathen kann.
Schack hatte hintereinander — er war damals ohngefaͤhr zehn Jahre alt — einige Unarten begangen, die wuͤrklich ernstlich bestraft zu werden verdienten. Er furchte daher auch dießmal wirklich Schlaͤge zu bekommen; aber er hatte sich geirrt. Sein Vater ließ ihn vor sich kommen, und empfing ihn mit einer aͤußern Ruhe, die ihn befremdete. Gleich einer Bildsaͤule stand jetzt Schack da, und erwartete sein Urtheil, indem er einen schuͤchternen Blick
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nachdenken, ob sie auch mit dem zu bestrafenden Fehler in einem gehoͤrigen Verhaͤltnisse stehen. Jn den Augen der Eltern und Lehrer koͤnnen sie vielleicht unbedeutend scheinen, koͤnnen aus guten Absichten so und nicht anders gewaͤhlt seyn, und doch in dem Gemuͤthe junger Kinder die schrecklichsten Veraͤnderungen hervorbringen. Vornehmlich aber huͤte man sich doch ja, junge Leute durch Strafen oder auch nur durch Drohungen zur Verzweifelung zu bringen, welches oft leichter geschehen kann, als man glaubt. Die Erschuͤtterungen, welche dadurch das Gemuͤth eines Kindes bekommt, koͤnnen fuͤr sein ganzes Leben hoͤchst gefaͤhrlich werden, und vielleicht auf immer dem Charakter des Kindes eine schiefe Richtung geben. Jch will aus Schacks Jugendgeschichte einen Fall anfuͤhren, welcher zwar den letztern Schaden fuͤr seinen Charakter nicht hatte; aber ihm eine der entsetzlichsten Entschließungen abzwang, wohin ein verzweiflungsvolles Gemuͤth gerathen kann. </p><p>Schack hatte hintereinander — er war damals ohngefaͤhr zehn Jahre alt — einige Unarten begangen, die wuͤrklich ernstlich bestraft zu werden verdienten. Er furchte daher auch dießmal wirklich Schlaͤge zu bekommen; aber er hatte sich geirrt. Sein Vater ließ ihn vor sich kommen, und empfing ihn mit einer aͤußern Ruhe, die ihn befremdete. Gleich einer Bildsaͤule stand jetzt Schack da, und erwartete sein Urtheil, indem er einen schuͤchternen Blick<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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nachdenken, ob sie auch mit dem zu bestrafenden Fehler in einem gehoͤrigen Verhaͤltnisse stehen. Jn den Augen der Eltern und Lehrer koͤnnen sie vielleicht unbedeutend scheinen, koͤnnen aus guten Absichten so und nicht anders gewaͤhlt seyn, und doch in dem Gemuͤthe junger Kinder die schrecklichsten Veraͤnderungen hervorbringen. Vornehmlich aber huͤte man sich doch ja, junge Leute durch Strafen oder auch nur durch Drohungen zur Verzweifelung zu bringen, welches oft leichter geschehen kann, als man glaubt. Die Erschuͤtterungen, welche dadurch das Gemuͤth eines Kindes bekommt, koͤnnen fuͤr sein ganzes Leben hoͤchst gefaͤhrlich werden, und vielleicht auf immer dem Charakter des Kindes eine schiefe Richtung geben. Jch will aus Schacks Jugendgeschichte einen Fall anfuͤhren, welcher zwar den letztern Schaden fuͤr seinen Charakter nicht hatte; aber ihm eine der entsetzlichsten Entschließungen abzwang, wohin ein verzweiflungsvolles Gemuͤth gerathen kann.
Schack hatte hintereinander — er war damals ohngefaͤhr zehn Jahre alt — einige Unarten begangen, die wuͤrklich ernstlich bestraft zu werden verdienten. Er furchte daher auch dießmal wirklich Schlaͤge zu bekommen; aber er hatte sich geirrt. Sein Vater ließ ihn vor sich kommen, und empfing ihn mit einer aͤußern Ruhe, die ihn befremdete. Gleich einer Bildsaͤule stand jetzt Schack da, und erwartete sein Urtheil, indem er einen schuͤchternen Blick
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/54>, abgerufen am 16.02.2025.
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