Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0086" n="86"/><lb/> ten, aufmerksam zu machen; auf den Fall aber, daß er diesen Vorstellungen nicht Gehoͤr geben sollte, nimmt sie einen Ring mit zuruͤck. Jnzwischen laͤßt er es doch zu dieser Extremitaͤt nicht kommen, er findet ihre Vorstellungen vernuͤnftig, und sie werden am Ende dahin eins, daß sie immer seine Freundin bleibe, ihm gern mit Rath und That, wo sie koͤnnte, beistehen wolle, aber uͤbrigens wollten sie in dem Verhaͤltnisse gegen einander bleiben, in welchem sie sich jetzt befaͤnden. Und so scheiden sie friedlich auseinander. Natuͤrlich waren ihr, bei der ganzen Verhandlung, ihr Mann und ihre Kinder, die sie beide gewiß sehr liebt, und die am Leben und gesund sind, gar nicht eingefallen. Sie war auch nicht in ihrer Vorstellung etwa Wittwe, sondern in allem Betracht frei und ledig. Auf der andern Seite ist <hi rendition="#b">O**</hi> gar nicht in dem Zustande, daß ihm einfallen koͤnnte, zu heirathen; nochmehr, er hat mehrmal geaͤußert, daß er durch gegruͤndete Ursachen bewogen, bis jetzt den Entschluß habe, niemals zu heirathen. Er hatte sie in seinem Leben nicht unter vier Augen gesprochen, geschweige ihr etwas gesagt, was nur auf die entfernteste Weise Beziehung dahin haben koͤnnte. Einen Umstand muß ich doch auch anfuͤhren : Es hatte um diese Zeit ein junger Mann ein sehr reiches Maͤdchen geheirathet, und dadurch ein, von vielen beneidetes, Gluͤck gemacht. Dieß hatte an diesem Orte Gelegenheit zu vielen Unterhaltungen gegeben, woran<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0086]
ten, aufmerksam zu machen; auf den Fall aber, daß er diesen Vorstellungen nicht Gehoͤr geben sollte, nimmt sie einen Ring mit zuruͤck. Jnzwischen laͤßt er es doch zu dieser Extremitaͤt nicht kommen, er findet ihre Vorstellungen vernuͤnftig, und sie werden am Ende dahin eins, daß sie immer seine Freundin bleibe, ihm gern mit Rath und That, wo sie koͤnnte, beistehen wolle, aber uͤbrigens wollten sie in dem Verhaͤltnisse gegen einander bleiben, in welchem sie sich jetzt befaͤnden. Und so scheiden sie friedlich auseinander. Natuͤrlich waren ihr, bei der ganzen Verhandlung, ihr Mann und ihre Kinder, die sie beide gewiß sehr liebt, und die am Leben und gesund sind, gar nicht eingefallen. Sie war auch nicht in ihrer Vorstellung etwa Wittwe, sondern in allem Betracht frei und ledig. Auf der andern Seite ist O** gar nicht in dem Zustande, daß ihm einfallen koͤnnte, zu heirathen; nochmehr, er hat mehrmal geaͤußert, daß er durch gegruͤndete Ursachen bewogen, bis jetzt den Entschluß habe, niemals zu heirathen. Er hatte sie in seinem Leben nicht unter vier Augen gesprochen, geschweige ihr etwas gesagt, was nur auf die entfernteste Weise Beziehung dahin haben koͤnnte. Einen Umstand muß ich doch auch anfuͤhren : Es hatte um diese Zeit ein junger Mann ein sehr reiches Maͤdchen geheirathet, und dadurch ein, von vielen beneidetes, Gluͤck gemacht. Dieß hatte an diesem Orte Gelegenheit zu vielen Unterhaltungen gegeben, woran
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