Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Durch eine natürliche Folge seiner Jdeen, wobei seine Phantasie immer ein gemeinschaftliches Endziel hatte, sahe er nun auch seine verstorbenen
Durch eine natuͤrliche Folge seiner Jdeen, wobei seine Phantasie immer ein gemeinschaftliches Endziel hatte, sahe er nun auch seine verstorbenen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0063" n="61"/><lb/> nem Bette liegen sieht? – Wie oft mochte der Herr von <persName ref="#ref0123"><note type="editorial">Seckendorf, Siegmund Freiherr von</note>Seckendorff,</persName> da er sich von ihr trennen mußte, daran gedacht haben, daß er sie gewiß einmahl als einen verklaͤrten Engel wiederfinden wuͤrde, dergleichen Jdeen sind ohnedem schon einer Dichterseele sehr gelaͤufig und natuͤrlich, – so sah er sie in seinem Traum, und dieß ging nach den Gesetzen der Einbildungskraft eben so natuͤrlich zu, als daß er in seinem zweiten Traum, welcher eine Fortsetzung des erstern war, alle seine Bekannten wiedererblickte. Die Ungluͤcklichen unter ihnen sah er die Hand vor die Augen halten, weil er sie wohl oft in dieser Stellung, welche gemeiniglich ein Ausdruck unseres Schmerzes ist, beobachtet hatte, oder weil auch noch lebhafte Eindruͤcke von dergleichen Bildern und Kupferstichen in seiner Seele vorhanden seyn mochten, die sich mit der Vorstellung ihres Ungluͤcks durch die Jdeenassociation verbanden. Sonderbarer als alles Vorhergehende scheint die Bemerkung zu seyn, daß einige, von deren Schicksalen er nichts wußte, gleichfalls mit der Hand vorm Auge voruͤbergingen, und daß er nach genauer Erkundigung wuͤrklich erfuhr, daß sie ungluͤcklich lebten, allein wie <hi rendition="#b">zufaͤllig </hi>konnte auch dieß zugehen, und wie viele seiner Bekannten konnten sich ungluͤcklich zu seyn einbilden, ob sies gleich nicht waren.</p> <p>Durch eine natuͤrliche Folge seiner Jdeen, wobei seine Phantasie immer ein gemeinschaftliches <choice><corr>Endziel</corr><sic>Entziel</sic></choice> hatte, sahe er nun auch seine verstorbenen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0063]
nem Bette liegen sieht? – Wie oft mochte der Herr von Seckendorff, da er sich von ihr trennen mußte, daran gedacht haben, daß er sie gewiß einmahl als einen verklaͤrten Engel wiederfinden wuͤrde, dergleichen Jdeen sind ohnedem schon einer Dichterseele sehr gelaͤufig und natuͤrlich, – so sah er sie in seinem Traum, und dieß ging nach den Gesetzen der Einbildungskraft eben so natuͤrlich zu, als daß er in seinem zweiten Traum, welcher eine Fortsetzung des erstern war, alle seine Bekannten wiedererblickte. Die Ungluͤcklichen unter ihnen sah er die Hand vor die Augen halten, weil er sie wohl oft in dieser Stellung, welche gemeiniglich ein Ausdruck unseres Schmerzes ist, beobachtet hatte, oder weil auch noch lebhafte Eindruͤcke von dergleichen Bildern und Kupferstichen in seiner Seele vorhanden seyn mochten, die sich mit der Vorstellung ihres Ungluͤcks durch die Jdeenassociation verbanden. Sonderbarer als alles Vorhergehende scheint die Bemerkung zu seyn, daß einige, von deren Schicksalen er nichts wußte, gleichfalls mit der Hand vorm Auge voruͤbergingen, und daß er nach genauer Erkundigung wuͤrklich erfuhr, daß sie ungluͤcklich lebten, allein wie zufaͤllig konnte auch dieß zugehen, und wie viele seiner Bekannten konnten sich ungluͤcklich zu seyn einbilden, ob sies gleich nicht waren.
Durch eine natuͤrliche Folge seiner Jdeen, wobei seine Phantasie immer ein gemeinschaftliches Endziel hatte, sahe er nun auch seine verstorbenen
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