Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
6. Einzelne psychologische Beobachtungen und Bemerkungen, zu weiterm Nachdenken aufgesetzt. Jemehr unsere Leidenschaften aufgebracht sind, destomehr gefällt es uns, wenn sie andere billigen. Auffallend ist diese Bemerkung vornehmlich bei dem Zornigen. Der ist uns alsdenn besonders willkommen, welcher uns Recht giebt, und wir können
6. Einzelne psychologische Beobachtungen und Bemerkungen, zu weiterm Nachdenken aufgesetzt. Jemehr unsere Leidenschaften aufgebracht sind, destomehr gefaͤllt es uns, wenn sie andere billigen. Auffallend ist diese Bemerkung vornehmlich bei dem Zornigen. Der ist uns alsdenn besonders willkommen, welcher uns Recht giebt, und wir koͤnnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0071" n="69"/><lb/> Biedersinn, Rechtschaffenheit, Vertraulichkeit und gluͤckliche Einfalt der Sitten zeichneten diese wuͤrdige Familie aus. Schon im voraus kam ich durch die Schoͤnheit der lachenden Gegend, deren Bewohner ich mir nicht anders als ͷαλͼύς νάι αγαδͼύς denken konnte, mit dem besten Vorurtheil hieher, und meine Erwartung ward nicht getaͤuscht. Ob das Maͤdchen, liebevoll, sanft und bluͤhend wie die ganze Natur, Eindruck auf mich machte? Meine Seele war durch die Scenen dieses Tages schon so sehr zu sanften Empfindungen gestimmt, daß es nur <choice><corr>dieses</corr><sic>dleses</sic></choice> Gegenstandes bedurfte, um mich auf einmahl zum feurigsten Liebhaber zu machen. Diese Liebe war unschuldig, und machte in der Folge das Gluͤck meines Lebens.</p><lb/> </div> <div n="3"> <head>6. Einzelne psychologische Beobachtungen und Bemerkungen, zu weiterm Nachdenken aufgesetzt.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName> </bibl> </note> <p>Jemehr unsere Leidenschaften <hi rendition="#b">aufgebracht</hi> sind, destomehr gefaͤllt es uns, wenn sie andere <hi rendition="#b">billigen.</hi> Auffallend ist diese Bemerkung vornehmlich bei dem Zornigen. Der ist uns alsdenn besonders willkommen, welcher uns Recht giebt, und wir koͤnnen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0071]
Biedersinn, Rechtschaffenheit, Vertraulichkeit und gluͤckliche Einfalt der Sitten zeichneten diese wuͤrdige Familie aus. Schon im voraus kam ich durch die Schoͤnheit der lachenden Gegend, deren Bewohner ich mir nicht anders als ͷαλͼύς νάι αγαδͼύς denken konnte, mit dem besten Vorurtheil hieher, und meine Erwartung ward nicht getaͤuscht. Ob das Maͤdchen, liebevoll, sanft und bluͤhend wie die ganze Natur, Eindruck auf mich machte? Meine Seele war durch die Scenen dieses Tages schon so sehr zu sanften Empfindungen gestimmt, daß es nur dieses Gegenstandes bedurfte, um mich auf einmahl zum feurigsten Liebhaber zu machen. Diese Liebe war unschuldig, und machte in der Folge das Gluͤck meines Lebens.
6. Einzelne psychologische Beobachtungen und Bemerkungen, zu weiterm Nachdenken aufgesetzt.
Jemehr unsere Leidenschaften aufgebracht sind, destomehr gefaͤllt es uns, wenn sie andere billigen. Auffallend ist diese Bemerkung vornehmlich bei dem Zornigen. Der ist uns alsdenn besonders willkommen, welcher uns Recht giebt, und wir koͤnnen
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