Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
Die Erfahrung lehrt es ja, daß wir oft in einem Augenblick durch eine unwiderstehliche Kraft und Gewalt mitten aus einer scheinbaren Unthätigkeit unserer Seele herausgerissen und gleichsam blindlings zum Handeln und Denken fortgetrieben werden, ohne daß wir eine deutliche Vorstellung
Die Erfahrung lehrt es ja, daß wir oft in einem Augenblick durch eine unwiderstehliche Kraft und Gewalt mitten aus einer scheinbaren Unthaͤtigkeit unserer Seele herausgerissen und gleichsam blindlings zum Handeln und Denken fortgetrieben werden, ohne daß wir eine deutliche Vorstellung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0063" n="63"/><lb/> ohne eine neue dadurch entstandene Schwierigkeit zu heben, daß nehmlich eine Kraft als Kraft <hi rendition="#b">nie</hi> unwuͤrksam seyn kann, weil eben diese Unwuͤrksamkeit sie ja selbst <hi rendition="#b">aufheben</hi> wuͤrde. Wir koͤnnen uns unter der Kraft, welchen Grad der Wuͤrksamkeit, welche Einschraͤnkungen wir ihr auch immer geben moͤgen, doch einmahl nichts anders, als eine gewisse <hi rendition="#b">Tendenz</hi> zu Handlungen erklaͤren, <choice><corr>als</corr><sic>oft</sic></choice> eine nothwendige innere Wuͤrksamkeit denken. Sobald diese Tendenz aufgehoben ist, ist auch der Begriff von Kraft vernichtet, — und sobald ich mir die Seele ohne jene Tendenz, ohne die damit verbundene nothwendige und innere Wuͤrksamkeit vorstellen will, wird meine Seele ein <hi rendition="#b">Nichts,</hi> indem ich nichts unterscheiden kann, weil ich das Wesen einer Kraft in meiner Vorstellung vernichtet habe. Das Gefuͤhl von Nichtwuͤrksamkeit meiner Seele kann also keinen richtigen Beweis gegen den Satz des Cartesius abgeben, und dies um so viel weniger, da aus andern unlaͤugbaren Erfahrungen gewiß ist, daß es oft in uns Vorstellungen giebt, deren sich unsere Seele <hi rendition="#b">nicht</hi>bewußt ist. Jch muß mich hieruͤber naͤher erklaͤren.</p> <p>Die Erfahrung lehrt es ja, daß wir oft in einem Augenblick durch eine unwiderstehliche Kraft und Gewalt mitten aus einer scheinbaren Unthaͤtigkeit unserer Seele herausgerissen und gleichsam blindlings zum Handeln und Denken fortgetrieben werden, ohne daß wir eine <hi rendition="#b">deutliche Vorstellung</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0063]
ohne eine neue dadurch entstandene Schwierigkeit zu heben, daß nehmlich eine Kraft als Kraft nie unwuͤrksam seyn kann, weil eben diese Unwuͤrksamkeit sie ja selbst aufheben wuͤrde. Wir koͤnnen uns unter der Kraft, welchen Grad der Wuͤrksamkeit, welche Einschraͤnkungen wir ihr auch immer geben moͤgen, doch einmahl nichts anders, als eine gewisse Tendenz zu Handlungen erklaͤren, als eine nothwendige innere Wuͤrksamkeit denken. Sobald diese Tendenz aufgehoben ist, ist auch der Begriff von Kraft vernichtet, — und sobald ich mir die Seele ohne jene Tendenz, ohne die damit verbundene nothwendige und innere Wuͤrksamkeit vorstellen will, wird meine Seele ein Nichts, indem ich nichts unterscheiden kann, weil ich das Wesen einer Kraft in meiner Vorstellung vernichtet habe. Das Gefuͤhl von Nichtwuͤrksamkeit meiner Seele kann also keinen richtigen Beweis gegen den Satz des Cartesius abgeben, und dies um so viel weniger, da aus andern unlaͤugbaren Erfahrungen gewiß ist, daß es oft in uns Vorstellungen giebt, deren sich unsere Seele nichtbewußt ist. Jch muß mich hieruͤber naͤher erklaͤren.
Die Erfahrung lehrt es ja, daß wir oft in einem Augenblick durch eine unwiderstehliche Kraft und Gewalt mitten aus einer scheinbaren Unthaͤtigkeit unserer Seele herausgerissen und gleichsam blindlings zum Handeln und Denken fortgetrieben werden, ohne daß wir eine deutliche Vorstellung
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