Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.Ueber die Erscheinungen d. Fr. B. Es kommt hierbei meines Erachtens erstlich auf die Frage an: Sind die Erzählungen gegründet, oder eine blosse Erdichtung? Möglich ist's an sich selbst, daß Jemand so etwas sehe und höre, als hier erzählt wird, es sey entweder durch äussere Einwirkung Gottes selbst, oder eines Geistes, und widerspricht das weder unsrer Natur, noch den Kräften eines endlichen oder unendlichen Geistes, wie die Geschichte der alten Offenbarungen Gottes sattsam darthut. Oder es kann Jemand wirklich sehen und hören durch blosse Wirkung seiner zu lebhaften Einbildungskraft, durch eine solche Stärke der Idearum sensualium und Bewegung in den Nerven, über welche der Geist des Menschen nicht mehr Gewalt hat, daß er wirklich innere Wirkungen mit äussern verwechselt, wie bei den Phantasien in der Fieberhitze, wie bei den Maniacis aller Art, wie uns wohl auch in Träumen begegnet. Die Wirklichkeit eines jeden solchen Ereignisses, daß man dies und jenes gesehen oder gehört habe, ist res facti, läßt sich, im Fall ihrer innern Möglichkeit, aus keinen Gründen a priori entscheiden, durch kein Raisonnement verwerfen oder beweisen; Ueber die Erscheinungen d. Fr. B. Es kommt hierbei meines Erachtens erstlich auf die Frage an: Sind die Erzaͤhlungen gegruͤndet, oder eine blosse Erdichtung? Moͤglich ist's an sich selbst, daß Jemand so etwas sehe und hoͤre, als hier erzaͤhlt wird, es sey entweder durch aͤussere Einwirkung Gottes selbst, oder eines Geistes, und widerspricht das weder unsrer Natur, noch den Kraͤften eines endlichen oder unendlichen Geistes, wie die Geschichte der alten Offenbarungen Gottes sattsam darthut. Oder es kann Jemand wirklich sehen und hoͤren durch blosse Wirkung seiner zu lebhaften Einbildungskraft, durch eine solche Staͤrke der Idearum sensualium und Bewegung in den Nerven, uͤber welche der Geist des Menschen nicht mehr Gewalt hat, daß er wirklich innere Wirkungen mit aͤussern verwechselt, wie bei den Phantasien in der Fieberhitze, wie bei den Maniacis aller Art, wie uns wohl auch in Traͤumen begegnet. Die Wirklichkeit eines jeden solchen Ereignisses, daß man dies und jenes gesehen oder gehoͤrt habe, ist res facti, laͤßt sich, im Fall ihrer innern Moͤglichkeit, aus keinen Gruͤnden a priori entscheiden, durch kein Raisonnement verwerfen oder beweisen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0046" n="44"/><lb/> <div n="4"> <head>Ueber die Erscheinungen d. Fr. B.</head><lb/> <p>Es kommt hierbei meines Erachtens erstlich auf die Frage an:</p> <p> <hi rendition="#b">Sind die Erzaͤhlungen gegruͤndet, oder eine blosse Erdichtung?</hi> </p> <p>Moͤglich ist's an sich selbst, daß Jemand so etwas sehe und hoͤre, als hier erzaͤhlt wird, es sey entweder durch aͤussere Einwirkung Gottes selbst, oder eines Geistes, und widerspricht das weder unsrer Natur, noch den Kraͤften eines endlichen oder unendlichen Geistes, wie die Geschichte der alten Offenbarungen Gottes sattsam darthut. Oder es kann Jemand wirklich sehen und hoͤren durch blosse Wirkung seiner zu lebhaften Einbildungskraft, durch eine solche Staͤrke der <hi rendition="#aq">Idearum sensualium</hi> und Bewegung in den Nerven, uͤber welche der Geist des Menschen nicht mehr Gewalt hat, daß er wirklich <hi rendition="#b">innere</hi> Wirkungen mit <hi rendition="#b">aͤussern</hi> verwechselt, wie bei den Phantasien in der Fieberhitze, wie bei den <hi rendition="#aq">Maniacis</hi> aller Art, wie uns wohl auch in Traͤumen begegnet.</p> <p>Die Wirklichkeit eines jeden solchen Ereignisses, daß man dies und jenes gesehen oder gehoͤrt habe, ist <hi rendition="#aq">res facti,</hi> laͤßt sich, im Fall ihrer innern Moͤglichkeit, aus keinen Gruͤnden <hi rendition="#aq">a priori</hi> entscheiden, durch kein <hi rendition="#aq">Raisonnement</hi> verwerfen oder beweisen;<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0046]
Ueber die Erscheinungen d. Fr. B.
Es kommt hierbei meines Erachtens erstlich auf die Frage an:
Sind die Erzaͤhlungen gegruͤndet, oder eine blosse Erdichtung?
Moͤglich ist's an sich selbst, daß Jemand so etwas sehe und hoͤre, als hier erzaͤhlt wird, es sey entweder durch aͤussere Einwirkung Gottes selbst, oder eines Geistes, und widerspricht das weder unsrer Natur, noch den Kraͤften eines endlichen oder unendlichen Geistes, wie die Geschichte der alten Offenbarungen Gottes sattsam darthut. Oder es kann Jemand wirklich sehen und hoͤren durch blosse Wirkung seiner zu lebhaften Einbildungskraft, durch eine solche Staͤrke der Idearum sensualium und Bewegung in den Nerven, uͤber welche der Geist des Menschen nicht mehr Gewalt hat, daß er wirklich innere Wirkungen mit aͤussern verwechselt, wie bei den Phantasien in der Fieberhitze, wie bei den Maniacis aller Art, wie uns wohl auch in Traͤumen begegnet.
Die Wirklichkeit eines jeden solchen Ereignisses, daß man dies und jenes gesehen oder gehoͤrt habe, ist res facti, laͤßt sich, im Fall ihrer innern Moͤglichkeit, aus keinen Gruͤnden a priori entscheiden, durch kein Raisonnement verwerfen oder beweisen;
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/46>, abgerufen am 16.07.2024. |