Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
Die andre Erzählung hält eben so wenig eine genaue Prüfung aus. Hier ist sie: "Vor einigen Wochen geht der Graf v. O-, ein sehr aufgeklärter und einsichtsvoller Minister, in's Bad. Als er nach Haus reisen will, trägt er einem Verwandten, der etwas früher abgeht, auf, ihm in einem Gasthofe ein Paar Zimmer, aber durchaus nicht die nämlichen, die ihm bei seiner Hinreise angewiesen worden, zu bestellen. Die Frage, was er gegen diese Zimmer einzuwenden habe, beantwortet der Graf dahin: wie er etwas gegen selbige habe, das er sich selbst nicht erklären könne. Der Verwandte begnügt sich mit dieser Antwort, richtet den ihm mitgegebenen Auftrag aus, und bezieht die Zimmer selbst, die sich sein Oheim verbeten hat. Nach einigen Tagen aber wird er in selbigen krank, und als der Graf ankommt, erfährt er, daß sein Vetter in denselben gestorben und bereits begraben sey." - Daß der Graf einen Widerwillen gegen die vorerwähnten Zimmer hatte, konnte ja aus mehrern Ursachen, als aus einer Art Vorgefühl von dem Tode seines Vetters, herrühren. Wer auf den
Die andre Erzaͤhlung haͤlt eben so wenig eine genaue Pruͤfung aus. Hier ist sie: »Vor einigen Wochen geht der Graf v. O–, ein sehr aufgeklaͤrter und einsichtsvoller Minister, in's Bad. Als er nach Haus reisen will, traͤgt er einem Verwandten, der etwas fruͤher abgeht, auf, ihm in einem Gasthofe ein Paar Zimmer, aber durchaus nicht die naͤmlichen, die ihm bei seiner Hinreise angewiesen worden, zu bestellen. Die Frage, was er gegen diese Zimmer einzuwenden habe, beantwortet der Graf dahin: wie er etwas gegen selbige habe, das er sich selbst nicht erklaͤren koͤnne. Der Verwandte begnuͤgt sich mit dieser Antwort, richtet den ihm mitgegebenen Auftrag aus, und bezieht die Zimmer selbst, die sich sein Oheim verbeten hat. Nach einigen Tagen aber wird er in selbigen krank, und als der Graf ankommt, erfaͤhrt er, daß sein Vetter in denselben gestorben und bereits begraben sey.« – Daß der Graf einen Widerwillen gegen die vorerwaͤhnten Zimmer hatte, konnte ja aus mehrern Ursachen, als aus einer Art Vorgefuͤhl von dem Tode seines Vetters, herruͤhren. Wer auf den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0099" n="97"/><lb/> Furchtsamkeit vor Uebeln mag man dann hinterher so manches geahndet zu haben waͤhnen, wenn es nach dem natuͤrlichen Laufe der Dinge sich natuͤrlich zuzutragen pflegte.</p> <p>Die andre Erzaͤhlung haͤlt eben so wenig eine genaue Pruͤfung aus. Hier ist sie:</p> <p>»Vor einigen Wochen geht der Graf v. O–, ein sehr aufgeklaͤrter und einsichtsvoller Minister, in's Bad. Als er nach Haus reisen will, traͤgt er einem Verwandten, der etwas fruͤher abgeht, auf, ihm in einem Gasthofe ein Paar Zimmer, aber durchaus nicht die naͤmlichen, die ihm bei seiner Hinreise angewiesen worden, zu bestellen. Die Frage, was er gegen diese Zimmer einzuwenden habe, beantwortet der Graf dahin: wie er etwas gegen selbige habe, das er sich selbst nicht erklaͤren koͤnne. Der Verwandte begnuͤgt sich mit dieser Antwort, richtet den ihm mitgegebenen Auftrag aus, und bezieht die Zimmer selbst, die sich sein Oheim verbeten hat. Nach einigen Tagen aber wird er in selbigen krank, und als der Graf ankommt, erfaͤhrt er, daß sein Vetter in <choice><corr>denselben</corr><sic>demselben</sic></choice> gestorben und bereits begraben sey.« –</p> <p>Daß der Graf einen Widerwillen gegen die vorerwaͤhnten Zimmer hatte, konnte ja aus mehrern Ursachen, als aus einer Art Vorgefuͤhl von dem Tode seines Vetters, herruͤhren. Wer auf den<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0099]
Furchtsamkeit vor Uebeln mag man dann hinterher so manches geahndet zu haben waͤhnen, wenn es nach dem natuͤrlichen Laufe der Dinge sich natuͤrlich zuzutragen pflegte.
Die andre Erzaͤhlung haͤlt eben so wenig eine genaue Pruͤfung aus. Hier ist sie:
»Vor einigen Wochen geht der Graf v. O–, ein sehr aufgeklaͤrter und einsichtsvoller Minister, in's Bad. Als er nach Haus reisen will, traͤgt er einem Verwandten, der etwas fruͤher abgeht, auf, ihm in einem Gasthofe ein Paar Zimmer, aber durchaus nicht die naͤmlichen, die ihm bei seiner Hinreise angewiesen worden, zu bestellen. Die Frage, was er gegen diese Zimmer einzuwenden habe, beantwortet der Graf dahin: wie er etwas gegen selbige habe, das er sich selbst nicht erklaͤren koͤnne. Der Verwandte begnuͤgt sich mit dieser Antwort, richtet den ihm mitgegebenen Auftrag aus, und bezieht die Zimmer selbst, die sich sein Oheim verbeten hat. Nach einigen Tagen aber wird er in selbigen krank, und als der Graf ankommt, erfaͤhrt er, daß sein Vetter in denselben gestorben und bereits begraben sey.« –
Daß der Graf einen Widerwillen gegen die vorerwaͤhnten Zimmer hatte, konnte ja aus mehrern Ursachen, als aus einer Art Vorgefuͤhl von dem Tode seines Vetters, herruͤhren. Wer auf den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |