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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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der Glaubwürdigkeit des Erzählers kein Mißtrauen in die Wahrheit des Vorfalls setze, sey einst Abends aus einer Gesellschaft, in der man bis zur Munterkeit ein Glas Wein getrunken, zu Hause gekommen, und weil sein Bedienter grade nicht zu Hause gewesen, selbst in die Küche gegangen, um sich eine Pfeiffe anzuzünden. Die heitere Stimmung seines Herzens, da er kurz zuvor eine Gesellschaft scherzender Freunde verlassen hatte, konnte also gar nicht Jdeen der Art in ihm erwecken, die seinem Auge ein so trauriges Bild vorgerückt hätten, als er beim Hinübergehen über die Diele erblickte. Hier sahe er eines seiner Kinder in völliger Todenkleidung im Sarge liegen. Er schrickt zurück, und schweigt, um abzuwarten obs Täuschung sey. Eben dieses Kind aber, das er als Todten sahe, wird, wo ich nicht irre, in Zeit von acht Tagen krank, stirbt, und wird auf dieselbe Stelle, und in derselben Kleidung hingesezt!" --

Jch läugne, daß der Freund des Herrn Professor M.. bei seiner Nachhausekunft aus einer fröhlichen Gesellschaft durchaus so gestimmt gewesen seyn müsse, daß ihm ein solches Schrekbild nicht habe in die Seele kommen können, -- solches Phantasma der Einbildungskraft, denn für eine würkliche Sensation von aussen wird man doch das Ding nicht halten können, man müßte denn verzweifelt abergläubig seyn. Wenn wir im Genuß der Freude auf uns Acht geben, sonderlich, wenn das fröhliche


der Glaubwuͤrdigkeit des Erzaͤhlers kein Mißtrauen in die Wahrheit des Vorfalls setze, sey einst Abends aus einer Gesellschaft, in der man bis zur Munterkeit ein Glas Wein getrunken, zu Hause gekommen, und weil sein Bedienter grade nicht zu Hause gewesen, selbst in die Kuͤche gegangen, um sich eine Pfeiffe anzuzuͤnden. Die heitere Stimmung seines Herzens, da er kurz zuvor eine Gesellschaft scherzender Freunde verlassen hatte, konnte also gar nicht Jdeen der Art in ihm erwecken, die seinem Auge ein so trauriges Bild vorgeruͤckt haͤtten, als er beim Hinuͤbergehen uͤber die Diele erblickte. Hier sahe er eines seiner Kinder in voͤlliger Todenkleidung im Sarge liegen. Er schrickt zuruͤck, und schweigt, um abzuwarten obs Taͤuschung sey. Eben dieses Kind aber, das er als Todten sahe, wird, wo ich nicht irre, in Zeit von acht Tagen krank, stirbt, und wird auf dieselbe Stelle, und in derselben Kleidung hingesezt!« —

Jch laͤugne, daß der Freund des Herrn Professor M.. bei seiner Nachhausekunft aus einer froͤhlichen Gesellschaft durchaus so gestimmt gewesen seyn muͤsse, daß ihm ein solches Schrekbild nicht habe in die Seele kommen koͤnnen, — solches Phantasma der Einbildungskraft, denn fuͤr eine wuͤrkliche Sensation von aussen wird man doch das Ding nicht halten koͤnnen, man muͤßte denn verzweifelt aberglaͤubig seyn. Wenn wir im Genuß der Freude auf uns Acht geben, sonderlich, wenn das froͤhliche

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[10/0010] der Glaubwuͤrdigkeit des Erzaͤhlers kein Mißtrauen in die Wahrheit des Vorfalls setze, sey einst Abends aus einer Gesellschaft, in der man bis zur Munterkeit ein Glas Wein getrunken, zu Hause gekommen, und weil sein Bedienter grade nicht zu Hause gewesen, selbst in die Kuͤche gegangen, um sich eine Pfeiffe anzuzuͤnden. Die heitere Stimmung seines Herzens, da er kurz zuvor eine Gesellschaft scherzender Freunde verlassen hatte, konnte also gar nicht Jdeen der Art in ihm erwecken, die seinem Auge ein so trauriges Bild vorgeruͤckt haͤtten, als er beim Hinuͤbergehen uͤber die Diele erblickte. Hier sahe er eines seiner Kinder in voͤlliger Todenkleidung im Sarge liegen. Er schrickt zuruͤck, und schweigt, um abzuwarten obs Taͤuschung sey. Eben dieses Kind aber, das er als Todten sahe, wird, wo ich nicht irre, in Zeit von acht Tagen krank, stirbt, und wird auf dieselbe Stelle, und in derselben Kleidung hingesezt!« — Jch laͤugne, daß der Freund des Herrn Professor M.. bei seiner Nachhausekunft aus einer froͤhlichen Gesellschaft durchaus so gestimmt gewesen seyn muͤsse, daß ihm ein solches Schrekbild nicht habe in die Seele kommen koͤnnen, — solches Phantasma der Einbildungskraft, denn fuͤr eine wuͤrkliche Sensation von aussen wird man doch das Ding nicht halten koͤnnen, man muͤßte denn verzweifelt aberglaͤubig seyn. Wenn wir im Genuß der Freude auf uns Acht geben, sonderlich, wenn das froͤhliche

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/10>, abgerufen am 21.11.2024.