Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0102" n="102"/><lb/> auch gleich das Object des Willens einen erstaunlichen Reiz haͤtte; — also schon hierin liegt der Grund eines <hi rendition="#b">versteckten</hi> Nichtwollens, ein heimlicherTrieb: <hi rendition="#b">daß das Object des Wunsches uͤberhaupt nicht daseyn moͤchte, damit man nicht von dem Wunsche selbst in seiner Thaͤtigkeit zu sehr eingeschraͤnkt werde.</hi> Man muß sich oft schon <hi rendition="#b">zwingen,</hi> den Wunsch zu erhalten, weil man einmal eigensinnig genug war, den Wunsch zu <hi rendition="#b">wollen.</hi> Aber diese psychologische Bemerkung erklaͤrt jenes Phaͤnomen nicht ganz nach seinen verschiedenen Faͤllen und Modificationen; — es muß also gemeiniglich noch ein zweiter und dritter Grund hinzu kommen, warum die gewuͤnschte Sache auch nicht gewuͤnscht wird. Durch unzaͤhlig gemachte Erfahrungen unterrichtet, ahnden wir nicht selten den Ekel und die Saͤttigung, voraus, die nach einem erreichten Wunsche sich der Seele bemaͤchtigt, und bei der Erfuͤllung des Wunsches uns das nicht immer finden laͤßt, was wir vorher, <hi rendition="#b">so lange die Sache mehr ein Gegenstand der Einbildungskraft war,</hi> darinn zu finden hoften. Das Ziel sich <hi rendition="#b">erreicht</hi> gedacht, zeichnet der Seele wieder nur einen zu begraͤnzten, zu engen Standpunct vor; sie uͤbersieht ihn <hi rendition="#b">zu genau,</hi> zu deutlich, als daß dieser Vorausblick ihr immer angenehm seyn koͤnnte, zumal wenn die Erfuͤllung des Wunsches, und die Erreichung des Ziels uns einen Theil unsrer jetzigen wahren, oder fingirten Freiheit nimmt. —<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0102]
auch gleich das Object des Willens einen erstaunlichen Reiz haͤtte; — also schon hierin liegt der Grund eines versteckten Nichtwollens, ein heimlicherTrieb: daß das Object des Wunsches uͤberhaupt nicht daseyn moͤchte, damit man nicht von dem Wunsche selbst in seiner Thaͤtigkeit zu sehr eingeschraͤnkt werde. Man muß sich oft schon zwingen, den Wunsch zu erhalten, weil man einmal eigensinnig genug war, den Wunsch zu wollen. Aber diese psychologische Bemerkung erklaͤrt jenes Phaͤnomen nicht ganz nach seinen verschiedenen Faͤllen und Modificationen; — es muß also gemeiniglich noch ein zweiter und dritter Grund hinzu kommen, warum die gewuͤnschte Sache auch nicht gewuͤnscht wird. Durch unzaͤhlig gemachte Erfahrungen unterrichtet, ahnden wir nicht selten den Ekel und die Saͤttigung, voraus, die nach einem erreichten Wunsche sich der Seele bemaͤchtigt, und bei der Erfuͤllung des Wunsches uns das nicht immer finden laͤßt, was wir vorher, so lange die Sache mehr ein Gegenstand der Einbildungskraft war, darinn zu finden hoften. Das Ziel sich erreicht gedacht, zeichnet der Seele wieder nur einen zu begraͤnzten, zu engen Standpunct vor; sie uͤbersieht ihn zu genau, zu deutlich, als daß dieser Vorausblick ihr immer angenehm seyn koͤnnte, zumal wenn die Erfuͤllung des Wunsches, und die Erreichung des Ziels uns einen Theil unsrer jetzigen wahren, oder fingirten Freiheit nimmt. —
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