Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
O... kannte diesen Unglücklichen, der in den Orden der Karthäuser getreten war, weil der Blitz seinen Jugendfreund an seiner Seite erschlagen hatte -- und Reisern schwebte das Bild dieses Jünglings von nun an beständig vor der Seele. -- Halbe Tage brachte er auf der alten Mauer hinter seiner Wohnung zu, und sehnte sich in den Bezirk jener stillen Mauren hin, die seiner Meinung nach eine ganze Welt mit allen ihren Täuschungen und Blendwerken ausschlossen. -- Mit jenem Jüngling wollte er dort verblühen, und dem Grabe zuwelken -- dort wollte er selber sein einsames Gärtchen bauen, -- den sanften Strahl der Abendsonne in seiner Zelle begrüßen -- und allen irrdischen Wünschen und Hofnungen entnommen mit Ruhe und Heiterkeit dem Tode entgegen sehen. Als er schon einige Tage in diesen Gedanken vertieft gewesen war, kam O... zu ihm und sagte, daß die Studenten in Erfurt willens wären eine Komödie zu spielen, und daß einige Rollen noch unbesetzt wären. -- -- --
O... kannte diesen Ungluͤcklichen, der in den Orden der Karthaͤuser getreten war, weil der Blitz seinen Jugendfreund an seiner Seite erschlagen hatte — und Reisern schwebte das Bild dieses Juͤnglings von nun an bestaͤndig vor der Seele. — Halbe Tage brachte er auf der alten Mauer hinter seiner Wohnung zu, und sehnte sich in den Bezirk jener stillen Mauren hin, die seiner Meinung nach eine ganze Welt mit allen ihren Taͤuschungen und Blendwerken ausschlossen. — Mit jenem Juͤngling wollte er dort verbluͤhen, und dem Grabe zuwelken — dort wollte er selber sein einsames Gaͤrtchen bauen, — den sanften Strahl der Abendsonne in seiner Zelle begruͤßen — und allen irrdischen Wuͤnschen und Hofnungen entnommen mit Ruhe und Heiterkeit dem Tode entgegen sehen. Als er schon einige Tage in diesen Gedanken vertieft gewesen war, kam O... zu ihm und sagte, daß die Studenten in Erfurt willens waͤren eine Komoͤdie zu spielen, und daß einige Rollen noch unbesetzt waͤren. — — — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0100" n="98"/><lb/> Augen nicht von den seinigen wenden, die er andachtsvoll gen Himmel schlug. — </p> <p>O... kannte diesen Ungluͤcklichen, der in den Orden der Karthaͤuser getreten war, weil der Blitz seinen Jugendfreund an seiner Seite erschlagen hatte — und Reisern schwebte das Bild dieses Juͤnglings von nun an bestaͤndig vor der Seele. — </p> <p>Halbe Tage brachte er auf der alten Mauer hinter seiner Wohnung zu, und sehnte sich in den Bezirk jener stillen Mauren hin, die seiner Meinung nach eine ganze Welt mit allen ihren Taͤuschungen und Blendwerken ausschlossen. — </p> <p>Mit jenem Juͤngling wollte er dort verbluͤhen, und dem Grabe zuwelken — dort wollte er selber sein einsames Gaͤrtchen bauen, — den sanften Strahl der Abendsonne in seiner Zelle begruͤßen — und allen irrdischen Wuͤnschen und Hofnungen entnommen mit Ruhe und Heiterkeit dem Tode entgegen sehen. </p> <p>Als er schon einige Tage in diesen Gedanken vertieft gewesen war, kam O... zu ihm und sagte, daß die Studenten in Erfurt willens waͤren eine Komoͤdie zu spielen, und daß einige Rollen noch unbesetzt waͤren. — — — </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0100]
Augen nicht von den seinigen wenden, die er andachtsvoll gen Himmel schlug. —
O... kannte diesen Ungluͤcklichen, der in den Orden der Karthaͤuser getreten war, weil der Blitz seinen Jugendfreund an seiner Seite erschlagen hatte — und Reisern schwebte das Bild dieses Juͤnglings von nun an bestaͤndig vor der Seele. —
Halbe Tage brachte er auf der alten Mauer hinter seiner Wohnung zu, und sehnte sich in den Bezirk jener stillen Mauren hin, die seiner Meinung nach eine ganze Welt mit allen ihren Taͤuschungen und Blendwerken ausschlossen. —
Mit jenem Juͤngling wollte er dort verbluͤhen, und dem Grabe zuwelken — dort wollte er selber sein einsames Gaͤrtchen bauen, — den sanften Strahl der Abendsonne in seiner Zelle begruͤßen — und allen irrdischen Wuͤnschen und Hofnungen entnommen mit Ruhe und Heiterkeit dem Tode entgegen sehen.
Als er schon einige Tage in diesen Gedanken vertieft gewesen war, kam O... zu ihm und sagte, daß die Studenten in Erfurt willens waͤren eine Komoͤdie zu spielen, und daß einige Rollen noch unbesetzt waͤren. — — —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |