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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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und seine poetischen Jdeale außer sich darstellen wollte.

Hier sollte nun das Trauerspiel Siegwart geschrieben werden, das sich mit seiner Einkehr bei dem Einsiedler anhub, welches immer R...s Lieblingsidee war, und die Lieblingsidee aller jungen Leute zu seyn pflegt, welche sich einbilden, einen Beruf zur Dichtkunst zu haben.

Dies ist sehr natürlich, weil der Zustand eines Einsiedlers gewissermaßen an sich selber schon Poesie ist, und der Dichter seinen Stoff schon beinahe vorgearbeitet findet.

Wer aber zuerst auf solche Gegenstände fällt, bei dem ist es auch fast immer ein Zeichen, daß bei ihm keine ächte poetische Ader statt finde, weil er die Poesie in den Gegenständen sucht, die in ihm selber schon liegen müßte, um jeden Gegenstand, der sich seiner Einbildungskraft darbietet, zu verschönern.

So ist die Wahl des Schrecklichen ebenfalls ein schlimmes Zeichen, wenn das vermeinte poetische Genie gleich zuerst darauf verfällt; denn freilich macht sich hier das Poetische auch schon von selber, und die innere Leerheit und Unfruchtbarkeit soll durch den äußern Stoff ersetzt werden.

Dies war der Fall bei R... schon in H... auf der Schule, wo er Meineid, Blutschande und Vatermord, in einem Trauerspiele zusammen zu häufen suchte, das der Meineid heissen sollte, und


und seine poetischen Jdeale außer sich darstellen wollte.

Hier sollte nun das Trauerspiel Siegwart geschrieben werden, das sich mit seiner Einkehr bei dem Einsiedler anhub, welches immer R...s Lieblingsidee war, und die Lieblingsidee aller jungen Leute zu seyn pflegt, welche sich einbilden, einen Beruf zur Dichtkunst zu haben.

Dies ist sehr natuͤrlich, weil der Zustand eines Einsiedlers gewissermaßen an sich selber schon Poesie ist, und der Dichter seinen Stoff schon beinahe vorgearbeitet findet.

Wer aber zuerst auf solche Gegenstaͤnde faͤllt, bei dem ist es auch fast immer ein Zeichen, daß bei ihm keine aͤchte poetische Ader statt finde, weil er die Poesie in den Gegenstaͤnden sucht, die in ihm selber schon liegen muͤßte, um jeden Gegenstand, der sich seiner Einbildungskraft darbietet, zu verschoͤnern.

So ist die Wahl des Schrecklichen ebenfalls ein schlimmes Zeichen, wenn das vermeinte poetische Genie gleich zuerst darauf verfaͤllt; denn freilich macht sich hier das Poetische auch schon von selber, und die innere Leerheit und Unfruchtbarkeit soll durch den aͤußern Stoff ersetzt werden.

Dies war der Fall bei R... schon in H... auf der Schule, wo er Meineid, Blutschande und Vatermord, in einem Trauerspiele zusammen zu haͤufen suchte, das der Meineid heissen sollte, und

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[111/0111] und seine poetischen Jdeale außer sich darstellen wollte. Hier sollte nun das Trauerspiel Siegwart geschrieben werden, das sich mit seiner Einkehr bei dem Einsiedler anhub, welches immer R...s Lieblingsidee war, und die Lieblingsidee aller jungen Leute zu seyn pflegt, welche sich einbilden, einen Beruf zur Dichtkunst zu haben. Dies ist sehr natuͤrlich, weil der Zustand eines Einsiedlers gewissermaßen an sich selber schon Poesie ist, und der Dichter seinen Stoff schon beinahe vorgearbeitet findet. Wer aber zuerst auf solche Gegenstaͤnde faͤllt, bei dem ist es auch fast immer ein Zeichen, daß bei ihm keine aͤchte poetische Ader statt finde, weil er die Poesie in den Gegenstaͤnden sucht, die in ihm selber schon liegen muͤßte, um jeden Gegenstand, der sich seiner Einbildungskraft darbietet, zu verschoͤnern. So ist die Wahl des Schrecklichen ebenfalls ein schlimmes Zeichen, wenn das vermeinte poetische Genie gleich zuerst darauf verfaͤllt; denn freilich macht sich hier das Poetische auch schon von selber, und die innere Leerheit und Unfruchtbarkeit soll durch den aͤußern Stoff ersetzt werden. Dies war der Fall bei R... schon in H... auf der Schule, wo er Meineid, Blutschande und Vatermord, in einem Trauerspiele zusammen zu haͤufen suchte, das der Meineid heissen sollte, und

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/111>, abgerufen am 21.11.2024.