Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Er war nämlich Kaufmann; aber da ein reeller Handel, bey der Mittelmäßigkeit seiner Glücksumstände, lange nicht hinreichend war, seine zahlreiche Familie zu ernähren, und die immer erneuerten Wünsche seiner Frau zu befriedigen; so ward er Schleichhändler. Mit der Zunahme seines Vermögens, mit der sichtlichen Vergrößerung seines Wohlstandes, nahm seine Gemüthsruhe merklich ab; und der Mann, der vormals nur gegen das Keifen einer Frau zu kämpfen hatte, hatte jetzt, durch die Befriedigung dieser, einen weit härtern Kampf zu bestehen -- sein Gewissen klagte ihn an und verdammte ihn. "Jch bin ein schädliches Mitglied des Staats, sagte er mir oft mit innigster Erschütterung. Die Gesetze desselben sind mir heilig, und ich verletze sie, bin gezwungen sie zu verletzen. Jch weiß, daß es nicht gut gehn kann, und über kurz oder lang meine Schande an den Tag kommen muß." "Doch, setzte er einst hinzu, nicht die Furcht vor Entdeckung beunruhigt mich, sondern die That
Er war naͤmlich Kaufmann; aber da ein reeller Handel, bey der Mittelmaͤßigkeit seiner Gluͤcksumstaͤnde, lange nicht hinreichend war, seine zahlreiche Familie zu ernaͤhren, und die immer erneuerten Wuͤnsche seiner Frau zu befriedigen; so ward er Schleichhaͤndler. Mit der Zunahme seines Vermoͤgens, mit der sichtlichen Vergroͤßerung seines Wohlstandes, nahm seine Gemuͤthsruhe merklich ab; und der Mann, der vormals nur gegen das Keifen einer Frau zu kaͤmpfen hatte, hatte jetzt, durch die Befriedigung dieser, einen weit haͤrtern Kampf zu bestehen — sein Gewissen klagte ihn an und verdammte ihn. »Jch bin ein schaͤdliches Mitglied des Staats, sagte er mir oft mit innigster Erschuͤtterung. Die Gesetze desselben sind mir heilig, und ich verletze sie, bin gezwungen sie zu verletzen. Jch weiß, daß es nicht gut gehn kann, und uͤber kurz oder lang meine Schande an den Tag kommen muß.« »Doch, setzte er einst hinzu, nicht die Furcht vor Entdeckung beunruhigt mich, sondern die That <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="4"/><lb/> nach seinen Grundsaͤtzen behandelt werden konnten, noch sich behandeln lassen wollten; so mußte er Dinge unternehmen, die mit seiner Rechtschaffenheit stritten, ihn in seinen Augen veraͤchtlich machten, und ihm das Ende seines Lebens als wuͤnschenswerth vorstellten.</p> <p>Er war naͤmlich Kaufmann; aber da ein reeller Handel, bey der Mittelmaͤßigkeit seiner Gluͤcksumstaͤnde, lange nicht hinreichend war, seine zahlreiche Familie zu ernaͤhren, und die immer erneuerten Wuͤnsche seiner Frau zu befriedigen; so ward er Schleichhaͤndler. Mit der Zunahme seines Vermoͤgens, mit der sichtlichen Vergroͤßerung seines Wohlstandes, nahm seine Gemuͤthsruhe merklich ab; und der Mann, der vormals nur gegen das Keifen einer Frau zu kaͤmpfen hatte, hatte jetzt, durch die Befriedigung dieser, einen weit haͤrtern Kampf zu bestehen — sein Gewissen klagte ihn an und verdammte ihn.</p> <p>»Jch bin ein schaͤdliches Mitglied des Staats, sagte er mir oft mit innigster Erschuͤtterung. Die Gesetze desselben sind mir heilig, und ich verletze sie, bin gezwungen sie zu verletzen. Jch weiß, daß es nicht gut gehn kann, und uͤber kurz oder lang meine Schande an den Tag kommen muß.«</p> <p>»Doch, setzte er einst hinzu, nicht die Furcht vor Entdeckung beunruhigt mich, sondern die That<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0004]
nach seinen Grundsaͤtzen behandelt werden konnten, noch sich behandeln lassen wollten; so mußte er Dinge unternehmen, die mit seiner Rechtschaffenheit stritten, ihn in seinen Augen veraͤchtlich machten, und ihm das Ende seines Lebens als wuͤnschenswerth vorstellten.
Er war naͤmlich Kaufmann; aber da ein reeller Handel, bey der Mittelmaͤßigkeit seiner Gluͤcksumstaͤnde, lange nicht hinreichend war, seine zahlreiche Familie zu ernaͤhren, und die immer erneuerten Wuͤnsche seiner Frau zu befriedigen; so ward er Schleichhaͤndler. Mit der Zunahme seines Vermoͤgens, mit der sichtlichen Vergroͤßerung seines Wohlstandes, nahm seine Gemuͤthsruhe merklich ab; und der Mann, der vormals nur gegen das Keifen einer Frau zu kaͤmpfen hatte, hatte jetzt, durch die Befriedigung dieser, einen weit haͤrtern Kampf zu bestehen — sein Gewissen klagte ihn an und verdammte ihn.
»Jch bin ein schaͤdliches Mitglied des Staats, sagte er mir oft mit innigster Erschuͤtterung. Die Gesetze desselben sind mir heilig, und ich verletze sie, bin gezwungen sie zu verletzen. Jch weiß, daß es nicht gut gehn kann, und uͤber kurz oder lang meine Schande an den Tag kommen muß.«
»Doch, setzte er einst hinzu, nicht die Furcht vor Entdeckung beunruhigt mich, sondern die That
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