Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


beruhte, etwas zu finden, das sich besonders auf seine individuellen Herzensangelegenheiten beziehe. Sie geriethen also darüber, wie natürlich, in die größte Verwunderung. Es dauerte aber nicht lange, so fieng B. J. schon an von der hohen Meinung gegen diesen Obern und die ganze Gesellschaft überhaupt nachzulassen. Er bemerkte, daß ihre sinnreiche Exegetik im Grunde falsch, und noch dazu blos auf ihre ausschweifenden Grundsätze (Selbstvernichtung u.s.w.) eingeschränkt war; hatte man diese einmal gehört, so bekam man nichts Neues mehr zu hören. Jhre sogenannten Wunderwerke ließen sich ziemlich natürlich erklären. Durch Korrespondenzen, Spione, und einen gewissen Grad von Menschenkenntniß, wodurch sie, vermittelst einer Physiognomik und geschickt angebrachter Fragen, indirekte die Geheimnisse des Herzens herauszulocken wußten, brachten sie sich bei diesen einfältigen Menschen den Ruf zuwege, daß sie prophetische Eingebungen, hätten.

So mißfiel ihm auch die ganze Gesellschaft nicht wenig, wegen ihres Zynischen Wesens und ihrer Ausschweifung in der Frölichkeit. Um nur ein einziges Beispiel dieser Art anzuführen, so kamen sie einst zur Betstunde im Hause des Obern zusammen. Einer unter ihnen kam etwas spät; die andern fragten ihn nach der Ursache davon. Jener antwortete, das geschähe darum, weil seine


beruhte, etwas zu finden, das sich besonders auf seine individuellen Herzensangelegenheiten beziehe. Sie geriethen also daruͤber, wie natuͤrlich, in die groͤßte Verwunderung. Es dauerte aber nicht lange, so fieng B. J. schon an von der hohen Meinung gegen diesen Obern und die ganze Gesellschaft uͤberhaupt nachzulassen. Er bemerkte, daß ihre sinnreiche Exegetik im Grunde falsch, und noch dazu blos auf ihre ausschweifenden Grundsaͤtze (Selbstvernichtung u.s.w.) eingeschraͤnkt war; hatte man diese einmal gehoͤrt, so bekam man nichts Neues mehr zu hoͤren. Jhre sogenannten Wunderwerke ließen sich ziemlich natuͤrlich erklaͤren. Durch Korrespondenzen, Spione, und einen gewissen Grad von Menschenkenntniß, wodurch sie, vermittelst einer Physiognomik und geschickt angebrachter Fragen, indirekte die Geheimnisse des Herzens herauszulocken wußten, brachten sie sich bei diesen einfaͤltigen Menschen den Ruf zuwege, daß sie prophetische Eingebungen, haͤtten.

So mißfiel ihm auch die ganze Gesellschaft nicht wenig, wegen ihres Zynischen Wesens und ihrer Ausschweifung in der Froͤlichkeit. Um nur ein einziges Beispiel dieser Art anzufuͤhren, so kamen sie einst zur Betstunde im Hause des Obern zusammen. Einer unter ihnen kam etwas spaͤt; die andern fragten ihn nach der Ursache davon. Jener antwortete, das geschaͤhe darum, weil seine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0081" n="81"/><lb/>
beruhte, etwas zu finden, das sich  besonders <hi rendition="#b">auf seine individuellen  Herzensangelegenheiten</hi> beziehe. Sie  geriethen also daru&#x0364;ber, wie natu&#x0364;rlich, in die gro&#x0364;ßte  Verwunderung. Es dauerte aber nicht lange, so fieng  B. J. schon an von der hohen Meinung gegen diesen  Obern und die ganze Gesellschaft u&#x0364;berhaupt  nachzulassen. Er bemerkte, daß ihre sinnreiche  Exegetik <hi rendition="#b">im Grunde falsch,</hi> und noch dazu blos auf ihre ausschweifenden  Grundsa&#x0364;tze (Selbstvernichtung u.s.w.) eingeschra&#x0364;nkt  war; hatte man diese einmal geho&#x0364;rt, so bekam man  nichts Neues mehr zu ho&#x0364;ren. Jhre sogenannten  Wunderwerke ließen sich ziemlich natu&#x0364;rlich erkla&#x0364;ren.  Durch <hi rendition="#b">Korrespondenzen,  Spione,</hi> und <hi rendition="#b">einen  gewissen Grad von Menschenkenntniß, wodurch sie,  vermittelst einer Physiognomik und geschickt  angebrachter Fragen,</hi> indirekte die  Geheimnisse des Herzens herauszulocken wußten,  <choice><corr>brachten</corr><sic>rbachten</sic></choice> sie sich bei  diesen einfa&#x0364;ltigen Menschen den Ruf zuwege, daß sie <hi rendition="#b">prophetische Eingebungen,</hi> ha&#x0364;tten.</p>
            <p>So mißfiel ihm auch die ganze Gesellschaft nicht wenig,  wegen ihres <hi rendition="#b">Zynischen  Wesens</hi> und ihrer <hi rendition="#b">Ausschweifung in der Fro&#x0364;lichkeit.</hi> Um nur  ein einziges Beispiel dieser Art anzufu&#x0364;hren, so  kamen sie einst zur Betstunde im Hause des Obern  zusammen. Einer unter ihnen kam etwas spa&#x0364;t; die  andern fragten ihn nach der Ursache davon. Jener  antwortete, das gescha&#x0364;he darum, weil seine<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0081] beruhte, etwas zu finden, das sich besonders auf seine individuellen Herzensangelegenheiten beziehe. Sie geriethen also daruͤber, wie natuͤrlich, in die groͤßte Verwunderung. Es dauerte aber nicht lange, so fieng B. J. schon an von der hohen Meinung gegen diesen Obern und die ganze Gesellschaft uͤberhaupt nachzulassen. Er bemerkte, daß ihre sinnreiche Exegetik im Grunde falsch, und noch dazu blos auf ihre ausschweifenden Grundsaͤtze (Selbstvernichtung u.s.w.) eingeschraͤnkt war; hatte man diese einmal gehoͤrt, so bekam man nichts Neues mehr zu hoͤren. Jhre sogenannten Wunderwerke ließen sich ziemlich natuͤrlich erklaͤren. Durch Korrespondenzen, Spione, und einen gewissen Grad von Menschenkenntniß, wodurch sie, vermittelst einer Physiognomik und geschickt angebrachter Fragen, indirekte die Geheimnisse des Herzens herauszulocken wußten, brachten sie sich bei diesen einfaͤltigen Menschen den Ruf zuwege, daß sie prophetische Eingebungen, haͤtten. So mißfiel ihm auch die ganze Gesellschaft nicht wenig, wegen ihres Zynischen Wesens und ihrer Ausschweifung in der Froͤlichkeit. Um nur ein einziges Beispiel dieser Art anzufuͤhren, so kamen sie einst zur Betstunde im Hause des Obern zusammen. Einer unter ihnen kam etwas spaͤt; die andern fragten ihn nach der Ursache davon. Jener antwortete, das geschaͤhe darum, weil seine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/81
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/81>, abgerufen am 09.11.2024.