Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
Monath lange anhaltende Uebung gehört dazu, der größte Fleiß, das charakteristische einer andern
Monath lange anhaltende Uebung gehoͤrt dazu, der groͤßte Fleiß, das charakteristische einer andern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0054" n="54"/><lb/> Verstellung der Grundcharakter der Handschrift, obschon durch erzwungene und verstellte Zuͤge verdunkelt. — Jch habe immer gefunden, daß das Vermoͤgen der Verstellung der Handschrift mit dem der Verstellung des Charakters und des Gesichts gleichen Schritt gehet. Beides setzt bewegliche Nerven, geschmeidige Muskeln, die nicht an eine Bewegung gebunden sind, voraus — beides also physisch sich nicht widersprechend, sondern mit einander uͤbereinstimmend. Hundert will ich daher nehmen, die ihre Handschrift eben so wenig ganz sollen verstellen koͤnnen: so wenig sie ganz den taͤuschenden Schmeichler und Versteller ihrer Empfindung vor dem Kenner sollen spielen koͤnnen — und nur den hundert und ersten erst nehmen, der beides <choice><corr>chamaͤleonisch</corr><sic>chamoͤelaonisch</sic></choice> taͤuschend vielleicht unter andern Farben wird verstecken koͤnnen. Je mehr der Mensch daher zu jedem Ausdruck sich stimmen, je mehr er Schmeichler und Hofmann seyn kann: desto besser kann er dieses und jenes, Handschrift und Gesicht verziehen und verstellen. — Briefe, Handschriften nachmahlen, war dieses wohl je mehr in Gebrauch als bei Kabalen der Hoͤfe? — Und auch hier wie schwer, Haͤnde nachzubilden; eben so schwer, als sich in die Empfindung des andern zu versetzen. </p> <p>Monath lange anhaltende Uebung gehoͤrt dazu, der groͤßte Fleiß, das charakteristische einer andern<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0054]
Verstellung der Grundcharakter der Handschrift, obschon durch erzwungene und verstellte Zuͤge verdunkelt. — Jch habe immer gefunden, daß das Vermoͤgen der Verstellung der Handschrift mit dem der Verstellung des Charakters und des Gesichts gleichen Schritt gehet. Beides setzt bewegliche Nerven, geschmeidige Muskeln, die nicht an eine Bewegung gebunden sind, voraus — beides also physisch sich nicht widersprechend, sondern mit einander uͤbereinstimmend. Hundert will ich daher nehmen, die ihre Handschrift eben so wenig ganz sollen verstellen koͤnnen: so wenig sie ganz den taͤuschenden Schmeichler und Versteller ihrer Empfindung vor dem Kenner sollen spielen koͤnnen — und nur den hundert und ersten erst nehmen, der beides chamaͤleonisch taͤuschend vielleicht unter andern Farben wird verstecken koͤnnen. Je mehr der Mensch daher zu jedem Ausdruck sich stimmen, je mehr er Schmeichler und Hofmann seyn kann: desto besser kann er dieses und jenes, Handschrift und Gesicht verziehen und verstellen. — Briefe, Handschriften nachmahlen, war dieses wohl je mehr in Gebrauch als bei Kabalen der Hoͤfe? — Und auch hier wie schwer, Haͤnde nachzubilden; eben so schwer, als sich in die Empfindung des andern zu versetzen.
Monath lange anhaltende Uebung gehoͤrt dazu, der groͤßte Fleiß, das charakteristische einer andern
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