noch, gleich dem Uranos, die hundertärmigen Rie- sen und Cyklopen, in dem Tartarus eingekerkert.
Von seinen Kindern fürchtet er Verderben; denn noch lehnet das Neuentstandene sich gegen seinen Ursprung auf, der es wieder zu vernichten droht. So wie die Erde seufzte, daß der umwöl- bende Himmel ihre Kinder in ihrem Schooße ge- fangen hielt, so seufzt nun Rhea über die Grau- samkeit der alles zerstörenden, ihre eigenen Bil- dungen verschlingenden Macht, mit welcher sie vermählt ist. Und da sie den Jupiter, den künf- tigen Beherrscher der Götter und Menschen ge- bähren soll, so fleht sie die Erde und den gestirn- ten Himmel um die Erhaltung ihres noch unge- bohrnen Kindes an.
Die uralten Gottheiten sind ihrer Herrschaft entsetzt, und haben nur noch Einfluß durch Weis- sagung und Rath; sie rathen ihrer Tochter, wie sie den Jupiter, sobald sie ihn gebohren, in eine fruchtbare Gegend, in Kreta, verbergen soll. -- Die wilde umherschweifende Phantasie heftet sich nun auf einen Fleck der Erde, und findet auf dem Eilande, wo dies Götterkind erzogen werden soll, den ersten Ruheplatz.
Auf den Rath ihrer Mutter Erde wickelt die Rhea einen Stein in Windeln, und giebt ihn dem Saturnus, statt des neugebohrnen Götter- kindes, zu verschlingen. Durch diesen bedeutungs-
B
noch, gleich dem Uranos, die hundertaͤrmigen Rie- ſen und Cyklopen, in dem Tartarus eingekerkert.
Von ſeinen Kindern fuͤrchtet er Verderben; denn noch lehnet das Neuentſtandene ſich gegen ſeinen Urſprung auf, der es wieder zu vernichten droht. So wie die Erde ſeufzte, daß der umwoͤl- bende Himmel ihre Kinder in ihrem Schooße ge- fangen hielt, ſo ſeufzt nun Rhea uͤber die Grau- ſamkeit der alles zerſtoͤrenden, ihre eigenen Bil- dungen verſchlingenden Macht, mit welcher ſie vermaͤhlt iſt. Und da ſie den Jupiter, den kuͤnf- tigen Beherrſcher der Goͤtter und Menſchen ge- baͤhren ſoll, ſo fleht ſie die Erde und den geſtirn- ten Himmel um die Erhaltung ihres noch unge- bohrnen Kindes an.
Die uralten Gottheiten ſind ihrer Herrſchaft entſetzt, und haben nur noch Einfluß durch Weiſ- ſagung und Rath; ſie rathen ihrer Tochter, wie ſie den Jupiter, ſobald ſie ihn gebohren, in eine fruchtbare Gegend, in Kreta, verbergen ſoll. — Die wilde umherſchweifende Phantaſie heftet ſich nun auf einen Fleck der Erde, und findet auf dem Eilande, wo dies Goͤtterkind erzogen werden ſoll, den erſten Ruheplatz.
Auf den Rath ihrer Mutter Erde wickelt die Rhea einen Stein in Windeln, und giebt ihn dem Saturnus, ſtatt des neugebohrnen Goͤtter- kindes, zu verſchlingen. Durch dieſen bedeutungs-
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noch, gleich dem Uranos, die hundertaͤrmigen Rie-
ſen und Cyklopen, in dem Tartarus eingekerkert.
Von ſeinen Kindern fuͤrchtet er Verderben;
denn noch lehnet das Neuentſtandene ſich gegen
ſeinen Urſprung auf, der es wieder zu vernichten
droht. So wie die Erde ſeufzte, daß der umwoͤl-
bende Himmel ihre Kinder in ihrem Schooße ge-
fangen hielt, ſo ſeufzt nun Rhea uͤber die Grau-
ſamkeit der alles zerſtoͤrenden, ihre eigenen Bil-
dungen verſchlingenden Macht, mit welcher ſie
vermaͤhlt iſt. Und da ſie den Jupiter, den kuͤnf-
tigen Beherrſcher der Goͤtter und Menſchen ge-
baͤhren ſoll, ſo fleht ſie die Erde und den geſtirn-
ten Himmel um die Erhaltung ihres noch unge-
bohrnen Kindes an.
Die uralten Gottheiten ſind ihrer Herrſchaft
entſetzt, und haben nur noch Einfluß durch Weiſ-
ſagung und Rath; ſie rathen ihrer Tochter, wie
ſie den Jupiter, ſobald ſie ihn gebohren, in eine
fruchtbare Gegend, in Kreta, verbergen ſoll. —
Die wilde umherſchweifende Phantaſie heftet ſich
nun auf einen Fleck der Erde, und findet auf dem
Eilande, wo dies Goͤtterkind erzogen werden ſoll,
den erſten Ruheplatz.
Auf den Rath ihrer Mutter Erde wickelt die
Rhea einen Stein in Windeln, und giebt ihn
dem Saturnus, ſtatt des neugebohrnen Goͤtter-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/37>, abgerufen am 03.12.2024.
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