Gesichtszüge, weder zart noch edel, nur thierische oder sinnliche Begierden und sinnlichen Genuß ausdrücken. -- Demohngeachtet findet man unter den alten Denkmälern Faunen von bewunderns- würdiger Schönheit, wo dennoch die Gesichts- züge immer noch jene halbthierische, sinnliche Natur bezeichnen.
Man siehet die Faunen auf den alten Denk- mälern tanzend, sitzend, Kränze flechtend, mit Ziegen spielend, junge Faunen auf dem Knie wie- gend, und in viel mehrern reitzenden Stellungen abgebildet, wo die Phantasie mit dieser Idee auf die mannigfaltigste Weise spielt.
So läßt ein alter Faun ein junges Mädchen auf seinem Fuße tanzen; -- ein andrer Faun dreht das Rad an einem Brunnen, um einer Nymphe Wasser zu schöpfen, die während der Zeit seinen Thyrsus hält. -- Zwei Faunen sitzen einander gegenüber, und der eine ist im Begriff dem andern einen Dorn aus dem Fuße zu zie- hen. -- Ein andrer tränkt einen jungen Faun aus einem großen Weingefäß. -- So wechseln die reitzenden Darstellungen ab.
Man sieht, daß Die Sorglosigkeit bei die- sen Wesen ein Hauptzug ist, wodurch sie den Göt- tern ähnlich sind, und von den Menschen sich unterscheiden, nach den Worten des alten Dich- ters:
Geſichtszuͤge, weder zart noch edel, nur thieriſche oder ſinnliche Begierden und ſinnlichen Genuß ausdruͤcken. — Demohngeachtet findet man unter den alten Denkmaͤlern Faunen von bewunderns- wuͤrdiger Schoͤnheit, wo dennoch die Geſichts- zuͤge immer noch jene halbthieriſche, ſinnliche Natur bezeichnen.
Man ſiehet die Faunen auf den alten Denk- maͤlern tanzend, ſitzend, Kraͤnze flechtend, mit Ziegen ſpielend, junge Faunen auf dem Knie wie- gend, und in viel mehrern reitzenden Stellungen abgebildet, wo die Phantaſie mit dieſer Idee auf die mannigfaltigſte Weiſe ſpielt.
So laͤßt ein alter Faun ein junges Maͤdchen auf ſeinem Fuße tanzen; — ein andrer Faun dreht das Rad an einem Brunnen, um einer Nymphe Waſſer zu ſchoͤpfen, die waͤhrend der Zeit ſeinen Thyrſus haͤlt. — Zwei Faunen ſitzen einander gegenuͤber, und der eine iſt im Begriff dem andern einen Dorn aus dem Fuße zu zie- hen. — Ein andrer traͤnkt einen jungen Faun aus einem großen Weingefaͤß. — So wechſeln die reitzenden Darſtellungen ab.
Man ſieht, daß Die Sorgloſigkeit bei die- ſen Weſen ein Hauptzug iſt, wodurch ſie den Goͤt- tern aͤhnlich ſind, und von den Menſchen ſich unterſcheiden, nach den Worten des alten Dich- ters:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0380"n="318"/>
Geſichtszuͤge, weder zart noch edel, nur thieriſche<lb/>
oder ſinnliche Begierden und ſinnlichen Genuß<lb/>
ausdruͤcken. — Demohngeachtet findet man unter<lb/>
den alten Denkmaͤlern Faunen von bewunderns-<lb/>
wuͤrdiger Schoͤnheit, wo dennoch die Geſichts-<lb/>
zuͤge immer noch jene halbthieriſche, ſinnliche<lb/>
Natur bezeichnen.</p><lb/><p>Man ſiehet die Faunen auf den alten Denk-<lb/>
maͤlern tanzend, ſitzend, Kraͤnze flechtend, mit<lb/>
Ziegen ſpielend, junge Faunen auf dem Knie wie-<lb/>
gend, und in viel mehrern reitzenden Stellungen<lb/>
abgebildet, wo die Phantaſie mit dieſer Idee auf<lb/>
die mannigfaltigſte Weiſe ſpielt.</p><lb/><p>So laͤßt ein alter Faun ein junges Maͤdchen<lb/>
auf ſeinem Fuße tanzen; — ein andrer Faun<lb/>
dreht das Rad an einem Brunnen, um einer<lb/>
Nymphe Waſſer zu ſchoͤpfen, die waͤhrend der<lb/>
Zeit ſeinen Thyrſus haͤlt. — Zwei Faunen ſitzen<lb/>
einander gegenuͤber, und der eine iſt im Begriff<lb/>
dem andern einen Dorn aus dem Fuße zu zie-<lb/>
hen. — Ein andrer traͤnkt einen jungen Faun<lb/>
aus einem großen Weingefaͤß. — So wechſeln<lb/>
die reitzenden Darſtellungen ab.</p><lb/><p>Man ſieht, daß <hirendition="#fr">Die Sorgloſigkeit</hi> bei die-<lb/>ſen Weſen ein Hauptzug iſt, wodurch ſie den Goͤt-<lb/>
tern aͤhnlich ſind, und von den Menſchen ſich<lb/>
unterſcheiden, nach den Worten des alten Dich-<lb/>
ters:</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[318/0380]
Geſichtszuͤge, weder zart noch edel, nur thieriſche
oder ſinnliche Begierden und ſinnlichen Genuß
ausdruͤcken. — Demohngeachtet findet man unter
den alten Denkmaͤlern Faunen von bewunderns-
wuͤrdiger Schoͤnheit, wo dennoch die Geſichts-
zuͤge immer noch jene halbthieriſche, ſinnliche
Natur bezeichnen.
Man ſiehet die Faunen auf den alten Denk-
maͤlern tanzend, ſitzend, Kraͤnze flechtend, mit
Ziegen ſpielend, junge Faunen auf dem Knie wie-
gend, und in viel mehrern reitzenden Stellungen
abgebildet, wo die Phantaſie mit dieſer Idee auf
die mannigfaltigſte Weiſe ſpielt.
So laͤßt ein alter Faun ein junges Maͤdchen
auf ſeinem Fuße tanzen; — ein andrer Faun
dreht das Rad an einem Brunnen, um einer
Nymphe Waſſer zu ſchoͤpfen, die waͤhrend der
Zeit ſeinen Thyrſus haͤlt. — Zwei Faunen ſitzen
einander gegenuͤber, und der eine iſt im Begriff
dem andern einen Dorn aus dem Fuße zu zie-
hen. — Ein andrer traͤnkt einen jungen Faun
aus einem großen Weingefaͤß. — So wechſeln
die reitzenden Darſtellungen ab.
Man ſieht, daß Die Sorgloſigkeit bei die-
ſen Weſen ein Hauptzug iſt, wodurch ſie den Goͤt-
tern aͤhnlich ſind, und von den Menſchen ſich
unterſcheiden, nach den Worten des alten Dich-
ters:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/380>, abgerufen am 01.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.