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Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788.

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welches sie in unser Auge leuchtet. Durch den Mittel¬
begriff des Edeln also wird der Begriff des Schönen
wieder zum Moralischen hinübergezogen und gleichsam
daran festgekettet. Wenigstens werden dem Schönen
dadurch die Grenzen vorgeschrieben, die es nicht über¬
schreiten darf.

Da wir nun einmal genöthigt sind, uns den Be¬
griff von der Nachahmung des eigentlichen Schönen,
den wir nicht haben, aus dem Begriff von der mora¬
lischen Nachahmung des Guten und Edlen, den wir
haben, zu entwickeln; und, da wir uns die eigent¬
liche Nachahmung des Schönen, ausser dem Genuss
der Werke selbst, die dadurch entstanden sind, gar
nicht anders denken können, als in so fern sie sich
von der bloss moralischen Nachahmung des Guten und
Edlen unterscheidet: so müssen wir nun schon die Be¬
griffe von nützlich, gut, schön, und edel, noch wei¬
ter in ihre feinern Abstufungen zu verfolgen suchen.

Dadurch also, dass z. B. die That des Mutius Scae¬
vola erwünschte Folgen hatte, wurde sie nicht im ge¬
ringsten edler, als sie war; und würde auch, ohne
den Erfolg, von ihrem innern Werth nichts verlohren
haben: sie brauchte nicht nützlich zu seyn, um edel
zu seyn; bedurfte des Erfolges nicht, eben weil sie
ihren innern Werth in sich selber hatte: und wodurch
anders hatte sie diesen Werth, als durch sich selbst,
durch ihr Daseyn?

Das Edle und Grosse der Handlung lag ja eben
darinn, dass der junge Held, auf jeden Erfolg gefasst.

das

welches ſie in unſer Auge leuchtet. Durch den Mittel¬
begriff des Edeln alſo wird der Begriff des Schönen
wieder zum Moraliſchen hinübergezogen und gleichſam
daran feſtgekettet. Wenigſtens werden dem Schönen
dadurch die Grenzen vorgeſchrieben, die es nicht über¬
ſchreiten darf.

Da wir nun einmal genöthigt ſind, uns den Be¬
griff von der Nachahmung des eigentlichen Schönen,
den wir nicht haben, aus dem Begriff von der mora¬
liſchen Nachahmung des Guten und Edlen, den wir
haben, zu entwickeln; und, da wir uns die eigent¬
liche Nachahmung des Schönen, ausſer dem Genuſs
der Werke ſelbſt, die dadurch entſtanden ſind, gar
nicht anders denken können, als in ſo fern ſie ſich
von der bloſs moraliſchen Nachahmung des Guten und
Edlen unterſcheidet: ſo müſſen wir nun ſchon die Be¬
griffe von nützlich, gut, ſchön, und edel, noch wei¬
ter in ihre feinern Abſtufungen zu verfolgen ſuchen.

Dadurch alſo, daſs z. B. die That des Mutius Scae¬
vola erwünſchte Folgen hatte, wurde ſie nicht im ge¬
ringſten edler, als ſie war; und würde auch, ohne
den Erfolg, von ihrem innern Werth nichts verlohren
haben: ſie brauchte nicht nützlich zu ſeyn, um edel
zu ſeyn; bedurfte des Erfolges nicht, eben weil ſie
ihren innern Werth in ſich ſelber hatte: und wodurch
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Das Edle und Grosſe der Handlung lag ja eben
darinn, daſs der junge Held, auf jeden Erfolg gefaſst.

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[10/0016] welches ſie in unſer Auge leuchtet. Durch den Mittel¬ begriff des Edeln alſo wird der Begriff des Schönen wieder zum Moraliſchen hinübergezogen und gleichſam daran feſtgekettet. Wenigſtens werden dem Schönen dadurch die Grenzen vorgeſchrieben, die es nicht über¬ ſchreiten darf. Da wir nun einmal genöthigt ſind, uns den Be¬ griff von der Nachahmung des eigentlichen Schönen, den wir nicht haben, aus dem Begriff von der mora¬ liſchen Nachahmung des Guten und Edlen, den wir haben, zu entwickeln; und, da wir uns die eigent¬ liche Nachahmung des Schönen, ausſer dem Genuſs der Werke ſelbſt, die dadurch entſtanden ſind, gar nicht anders denken können, als in ſo fern ſie ſich von der bloſs moraliſchen Nachahmung des Guten und Edlen unterſcheidet: ſo müſſen wir nun ſchon die Be¬ griffe von nützlich, gut, ſchön, und edel, noch wei¬ ter in ihre feinern Abſtufungen zu verfolgen ſuchen. Dadurch alſo, daſs z. B. die That des Mutius Scae¬ vola erwünſchte Folgen hatte, wurde ſie nicht im ge¬ ringſten edler, als ſie war; und würde auch, ohne den Erfolg, von ihrem innern Werth nichts verlohren haben: ſie brauchte nicht nützlich zu ſeyn, um edel zu ſeyn; bedurfte des Erfolges nicht, eben weil ſie ihren innern Werth in ſich ſelber hatte: und wodurch anders hatte ſie dieſen Werth, als durch ſich ſelbſt, durch ihr Daſeyn? Das Edle und Grosſe der Handlung lag ja eben darinn, daſs der junge Held, auf jeden Erfolg gefaſst. das

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788/16>, abgerufen am 29.03.2024.