Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788.nen der Einbildungskraft fassbar, dem Auge sichtbar, In der Thatkraft liegen nämlich stets die Anlässe Die Denkkraft muss sich, um dem, was die thätige Je
nen der Einbildungskraft faſsbar, dem Auge ſichtbar, In der Thatkraft liegen nämlich ſtets die Anläsſe Die Denkkraft muſs ſich, um dem, was die thätige Je
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0028" n="22"/> nen der Einbildungskraft faſsbar, dem Auge ſichtbar,<lb/> dem Ohre hörbar, machen; weil der Horizont der<lb/> Thatkraft mehr umfaſst, als der äusſre Sinn, und Ein¬<lb/> bildungs- und Denkkraft fasſen kann.</p><lb/> <p>In der Thatkraft liegen nämlich ſtets die Anläsſe<lb/> und Anfänge zu ſo vielen Begriffen, als die Denkkraft<lb/> nicht auf einmal einander unterordnen; die Einbil¬<lb/> dungskraft nicht auf einmal neben einander ſtellen,<lb/> und der äusſre Sinn noch weniger auf einmal in der<lb/> Wirklichkeit ausſer ſich fasſen kann.</p><lb/> <p>Die Denkkraft muſs ſich, um dem, was die thätige<lb/> Kraft in dunkler Ahndung auf einmal faſst, nachzu¬<lb/> kommen, ſo oft wiederholen, bis ſie den ganzen Fonds<lb/> von Anfängen und Anläsſen zu Begriffen, der in der<lb/> Thatkraft ihr unterliegt, erſchöpft hat, und alsdann<lb/> den Kreislauf von neuem beginnen kann. — Die Ein¬<lb/> bildungskraft muſs noch weit öfter ſich wiederholen,<lb/> weil ſie nicht in einander- ſondern nebeneinanderſtel¬<lb/> lend, jedesmal um ſo weniger fasſen kann. — Der<lb/> äusſre Sinn iſt ein immerwährendes Wiederholen ſei¬<lb/> ner ſelbſt, weil er jedesmal nur ſo viel faſst, als in<lb/> dem Horizonte, der undurchdringlich ihn umſchlieſst,<lb/> wirklich neben einander ſteht. — So wenig faſst der<lb/> äusſre Sinn, daſs, um dem reichen Fonds von Anläs¬<lb/> ſen zu Begriffen, die in der Thatkraft ſchlummern,<lb/> nachzukommen, und alle zum Anſchaun und zur Wirk¬<lb/> lichkeit zu bringen, kein Leben hinreicht, und ſo<lb/> lange wir athmen, das Auge ſich nimmer ſatt ſieht,<lb/> das Ohr ſich nimmer ſatt hört.<lb/></p> <fw place="bottom" type="catch">Je<lb/></fw> </body> </text> </TEI> [22/0028]
nen der Einbildungskraft faſsbar, dem Auge ſichtbar,
dem Ohre hörbar, machen; weil der Horizont der
Thatkraft mehr umfaſst, als der äusſre Sinn, und Ein¬
bildungs- und Denkkraft fasſen kann.
In der Thatkraft liegen nämlich ſtets die Anläsſe
und Anfänge zu ſo vielen Begriffen, als die Denkkraft
nicht auf einmal einander unterordnen; die Einbil¬
dungskraft nicht auf einmal neben einander ſtellen,
und der äusſre Sinn noch weniger auf einmal in der
Wirklichkeit ausſer ſich fasſen kann.
Die Denkkraft muſs ſich, um dem, was die thätige
Kraft in dunkler Ahndung auf einmal faſst, nachzu¬
kommen, ſo oft wiederholen, bis ſie den ganzen Fonds
von Anfängen und Anläsſen zu Begriffen, der in der
Thatkraft ihr unterliegt, erſchöpft hat, und alsdann
den Kreislauf von neuem beginnen kann. — Die Ein¬
bildungskraft muſs noch weit öfter ſich wiederholen,
weil ſie nicht in einander- ſondern nebeneinanderſtel¬
lend, jedesmal um ſo weniger fasſen kann. — Der
äusſre Sinn iſt ein immerwährendes Wiederholen ſei¬
ner ſelbſt, weil er jedesmal nur ſo viel faſst, als in
dem Horizonte, der undurchdringlich ihn umſchlieſst,
wirklich neben einander ſteht. — So wenig faſst der
äusſre Sinn, daſs, um dem reichen Fonds von Anläs¬
ſen zu Begriffen, die in der Thatkraft ſchlummern,
nachzukommen, und alle zum Anſchaun und zur Wirk¬
lichkeit zu bringen, kein Leben hinreicht, und ſo
lange wir athmen, das Auge ſich nimmer ſatt ſieht,
das Ohr ſich nimmer ſatt hört.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788/28>, abgerufen am 16.07.2024. |