Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788.Je lebhafter spiegelnd nun das Organ von der dun¬ Der Horizont der thätigen Kraft aber muss bei Wenn nun eine Organisation von diesem feinern kam; B 4
Je lebhafter ſpiegelnd nun das Organ von der dun¬ Der Horizont der thätigen Kraft aber muſs bei Wenn nun eine Organiſation von dieſem feinern kam; B 4
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0029" n="23"/> <p>Je lebhafter ſpiegelnd nun das Organ von der dun¬<lb/> kelahndenden Thatkraft, durch die unterſcheiden¬<lb/> de Denkkraft, bis zu dem hellſehenden Auge, und<lb/> deutlich vernehmenden Ohre, wird; um deſto<lb/> vollſtändiger und lebendiger werden zwar die Begriffe,<lb/> aber um deſtomehr verdrängen ſie ſich auch, und<lb/> ſchliesſen einander aus. — Wo ſie ſich alſo am<lb/> wenigſten einander ausſchliesſen, und ihrer am mei¬<lb/> ſten neben einander beſtehen können, das kann nur<lb/> da ſeyn, wo ſie am unvollſtändigſten ſind, wo bloſs<lb/> ihre Anfänge oder erſten Anläsſe zuſammentreffen,<lb/> die eben durch ihr Mangelhaftes und Unvollſtändiges,<lb/> in ſich ſelber den immerwährenden, unwiderſtehli¬<lb/> chen Reiz bilden, der ſie zur vollſtändigen Wirklich¬<lb/> keit bringt.</p><lb/> <p>Der Horizont der thätigen Kraft aber muſs bei<lb/> dem bildenden Genie ſo weit, wie die Natur ſelber,<lb/> ſeyn: das heiſst, die Organiſation muſs ſo fein ge¬<lb/> webt ſeyn, und ſo unendlich viele Berührungs¬<lb/> punkte der allumſtrömenden Natur darbieten, daſs<lb/> gleichſam die äusſerſten Enden von allen Verhältnis¬<lb/> ſen der Natur im Groſsen, hier im Kleinen ſich ne¬<lb/> beneinander ſtellend, Raum genug haben, um ſich<lb/> einander nicht verdrängen zu dürfen.</p><lb/> <p>Wenn nun eine Organiſation von dieſem feinern<lb/> Gewebe, bei ihrer völligen Entwicklung, auf einmal<lb/> in der dunklen Ahndung ihrer thätigen Kraft, ein<lb/> Ganzes faſst, das weder in ihr Auge noch in ihr Ohr,<lb/> weder in ihre Einbildungskraft noch in ihre Gedanken<lb/> <fw place="bottom" type="catch">kam;<lb/></fw> <fw place="bottom" type="sig">B 4<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [23/0029]
Je lebhafter ſpiegelnd nun das Organ von der dun¬
kelahndenden Thatkraft, durch die unterſcheiden¬
de Denkkraft, bis zu dem hellſehenden Auge, und
deutlich vernehmenden Ohre, wird; um deſto
vollſtändiger und lebendiger werden zwar die Begriffe,
aber um deſtomehr verdrängen ſie ſich auch, und
ſchliesſen einander aus. — Wo ſie ſich alſo am
wenigſten einander ausſchliesſen, und ihrer am mei¬
ſten neben einander beſtehen können, das kann nur
da ſeyn, wo ſie am unvollſtändigſten ſind, wo bloſs
ihre Anfänge oder erſten Anläsſe zuſammentreffen,
die eben durch ihr Mangelhaftes und Unvollſtändiges,
in ſich ſelber den immerwährenden, unwiderſtehli¬
chen Reiz bilden, der ſie zur vollſtändigen Wirklich¬
keit bringt.
Der Horizont der thätigen Kraft aber muſs bei
dem bildenden Genie ſo weit, wie die Natur ſelber,
ſeyn: das heiſst, die Organiſation muſs ſo fein ge¬
webt ſeyn, und ſo unendlich viele Berührungs¬
punkte der allumſtrömenden Natur darbieten, daſs
gleichſam die äusſerſten Enden von allen Verhältnis¬
ſen der Natur im Groſsen, hier im Kleinen ſich ne¬
beneinander ſtellend, Raum genug haben, um ſich
einander nicht verdrängen zu dürfen.
Wenn nun eine Organiſation von dieſem feinern
Gewebe, bei ihrer völligen Entwicklung, auf einmal
in der dunklen Ahndung ihrer thätigen Kraft, ein
Ganzes faſst, das weder in ihr Auge noch in ihr Ohr,
weder in ihre Einbildungskraft noch in ihre Gedanken
kam;
B 4
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788/29>, abgerufen am 16.07.2024. |