Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788.dem letzten Athemzuge es erst vollenden könnten, es Behält alsdann das Schöne, das wir ahnden, bloss Verliert sich aber, mit der gänzlichen Hin¬ Freilich kann nun der Punkt, wo Bildungs- und Denn da die ächte Bildungskraft, sogleich bei der nicht
dem letzten Athemzuge es erſt vollenden könnten, es Behält alsdann das Schöne, das wir ahnden, bloſs Verliert ſich aber, mit der gänzlichen Hin¬ Freilich kann nun der Punkt, wo Bildungs- und Denn da die ächte Bildungskraft, ſogleich bei der nicht
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0037" n="31"/> dem letzten Athemzuge es erſt vollenden könnten, es<lb/> dennoch zu vollenden ſtrebten. —</p><lb/> <p>Behält alsdann das Schöne, das wir ahnden, bloſs<lb/> an und für ſich ſelbſt, in ſeiner Hervorbringung, noch<lb/> Reiz genug unſre Thatkraft zu bewegen; ſo dürfen<lb/> wir getroſt unſerm Bildungstriebe folgen, weil er<lb/> ächt und rein iſt. —</p><lb/> <p>Verliert ſich aber, mit der gänzlichen Hin¬<lb/> wegdenkung des Genusſes und der Wirkung, auch<lb/> der Reiz — ſo bedarf es ja keines Kampfes<lb/> weiter — der Frieden in uns iſt hergeſtellt — und<lb/> das nun wieder in ſeine Rechte getretne Empfindungs¬<lb/> vermögen eröfnet ſich, zum Lohne für ſein beſcheid¬<lb/> nes Zurücktreten in ſeine Grenzen, dem reinſten Ge¬<lb/> nuſs des Schönen, der mit der Natur ſeines Weſens<lb/> beſtehen kann.</p><lb/> <p>Freilich kann nun der Punkt, wo Bildungs- und<lb/> Empfindungskraft ſich ſchneidet, ſo äusſerſt leicht ver¬<lb/> fehlt und überſchritten werden, daſs es gar nicht zu<lb/> verwundern iſt, wenn immer tauſend falſche, ange¬<lb/> maaſste Abdrücke des höchſten Schönen, gegen einen<lb/> ächten, durch den falſchen Bildungstrieb, in den Wer¬<lb/> ken der Kunſt entſtehen.</p><lb/> <p>Denn da die ächte Bildungskraft, ſogleich bei der<lb/> erſten Entſtehung ihres Werks, auch ſchon den erſten,<lb/> höhſten Genuſs desſelben, als ihren ſichern Lohn, in<lb/> ſich ſelber trägt; und ſich nur dadurch von dem fal¬<lb/> ſchen Bildungstriebe unterſcheidet, daſs ſie den aller¬<lb/> erſten Moment ihres Anſtosſes durch ſich ſelber, und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nicht<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [31/0037]
dem letzten Athemzuge es erſt vollenden könnten, es
dennoch zu vollenden ſtrebten. —
Behält alsdann das Schöne, das wir ahnden, bloſs
an und für ſich ſelbſt, in ſeiner Hervorbringung, noch
Reiz genug unſre Thatkraft zu bewegen; ſo dürfen
wir getroſt unſerm Bildungstriebe folgen, weil er
ächt und rein iſt. —
Verliert ſich aber, mit der gänzlichen Hin¬
wegdenkung des Genusſes und der Wirkung, auch
der Reiz — ſo bedarf es ja keines Kampfes
weiter — der Frieden in uns iſt hergeſtellt — und
das nun wieder in ſeine Rechte getretne Empfindungs¬
vermögen eröfnet ſich, zum Lohne für ſein beſcheid¬
nes Zurücktreten in ſeine Grenzen, dem reinſten Ge¬
nuſs des Schönen, der mit der Natur ſeines Weſens
beſtehen kann.
Freilich kann nun der Punkt, wo Bildungs- und
Empfindungskraft ſich ſchneidet, ſo äusſerſt leicht ver¬
fehlt und überſchritten werden, daſs es gar nicht zu
verwundern iſt, wenn immer tauſend falſche, ange¬
maaſste Abdrücke des höchſten Schönen, gegen einen
ächten, durch den falſchen Bildungstrieb, in den Wer¬
ken der Kunſt entſtehen.
Denn da die ächte Bildungskraft, ſogleich bei der
erſten Entſtehung ihres Werks, auch ſchon den erſten,
höhſten Genuſs desſelben, als ihren ſichern Lohn, in
ſich ſelber trägt; und ſich nur dadurch von dem fal¬
ſchen Bildungstriebe unterſcheidet, daſs ſie den aller¬
erſten Moment ihres Anſtosſes durch ſich ſelber, und
nicht
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788/37>, abgerufen am 16.07.2024. |