Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

auf. -- In allen, was seine ruhige Einbildungskraft
ihm spiegelt, sondert sich das Grosse und Edle vom
Gemeinen, nach einem dunkelempfundnen Maassstabe
in ihm selber ab, und strebt aus ihm heraus. --

So geht die um sich greifende, zerstörende That¬
kraft, sich auf sich selber stützend, in die sanfte
schaffende Bildungskraft, durch ruhiges Selbstgefühl,
hinüber, und ergreift den leblosen Stoff, und haucht
ihm Leben ein.

Auf die Weise bildete unter jedem Himmelsstrich
die Natur das Schöne, sich in den reinsten Seelen in
ihren ruhigsten Momenten spiegelnd. --

Sie allein führt an ihrer Hand den bildenden Künst¬
ler, den Dichter, in ihr innerstes Heiligthum, wo
sie dem sich neu entwickelnden Bildungstriebe, schon
seit Jahrhunderten vorgearbeitet, und seine Bahn ihm
vorgezeichnet hat.

Denn alles, was die Vorwelt erfunden, ist ja in
den Umfang der Natur zurücktretend, mit ihr eins
geworden, und soll mit ihr vereint, harmonisch auf
uns wirken. -- -- Das Schöne der bildenden Künste
steht, sobald es einmal da ist, mit auf ihrer grossen
Stufenleiter, und will nicht mit ihr in ihren einzelnen
Theilen verglichen, sondern in ihrem ganzen Unfange,
als zu ihr gehörend, mitgedacht und empfunden seyn.

Unser Naturgenuss soll durch die Betrachtung des
Schönen in der Kunst, verfeinert; und unser Gefühl
für das Schöne in der Kunst soll wechselseitig durch

den

auf. — In allen, was ſeine ruhige Einbildungskraft
ihm ſpiegelt, ſondert ſich das Grosſe und Edle vom
Gemeinen, nach einem dunkelempfundnen Maaſsſtabe
in ihm ſelber ab, und ſtrebt aus ihm heraus. —

So geht die um ſich greifende, zerſtörende That¬
kraft, ſich auf ſich ſelber ſtützend, in die ſanfte
ſchaffende Bildungskraft, durch ruhiges Selbſtgefühl,
hinüber, und ergreift den lebloſen Stoff, und haucht
ihm Leben ein.

Auf die Weiſe bildete unter jedem Himmelsſtrich
die Natur das Schöne, ſich in den reinſten Seelen in
ihren ruhigſten Momenten ſpiegelnd. —

Sie allein führt an ihrer Hand den bildenden Künſt¬
ler, den Dichter, in ihr innerſtes Heiligthum, wo
ſie dem ſich neu entwickelnden Bildungstriebe, ſchon
ſeit Jahrhunderten vorgearbeitet, und ſeine Bahn ihm
vorgezeichnet hat.

Denn alles, was die Vorwelt erfunden, iſt ja in
den Umfang der Natur zurücktretend, mit ihr eins
geworden, und ſoll mit ihr vereint, harmoniſch auf
uns wirken. — — Das Schöne der bildenden Künſte
ſteht, ſobald es einmal da iſt, mit auf ihrer grosſen
Stufenleiter, und will nicht mit ihr in ihren einzelnen
Theilen verglichen, ſondern in ihrem ganzen Unfange,
als zu ihr gehörend, mitgedacht und empfunden ſeyn.

Unſer Naturgenuſs ſoll durch die Betrachtung des
Schönen in der Kunſt, verfeinert; und unſer Gefühl
für das Schöne in der Kunſt ſoll wechſelſeitig durch

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0042" n="36"/>
auf. &#x2014; In allen, was &#x017F;eine ruhige Einbildungskraft<lb/>
ihm &#x017F;piegelt, &#x017F;ondert &#x017F;ich das Gros&#x017F;e und Edle vom<lb/>
Gemeinen, nach einem dunkelempfundnen Maa&#x017F;s&#x017F;tabe<lb/>
in ihm &#x017F;elber ab, und &#x017F;trebt aus ihm heraus. &#x2014;</p><lb/>
      <p>So geht die um &#x017F;ich greifende, zer&#x017F;törende That¬<lb/>
kraft, &#x017F;ich auf &#x017F;ich &#x017F;elber &#x017F;tützend, in die &#x017F;anfte<lb/>
&#x017F;chaffende Bildungskraft, durch ruhiges Selb&#x017F;tgefühl,<lb/>
hinüber, und ergreift den leblo&#x017F;en Stoff, und haucht<lb/>
ihm Leben ein.</p><lb/>
      <p>Auf die Wei&#x017F;e bildete unter jedem Himmels&#x017F;trich<lb/>
die Natur das Schöne, &#x017F;ich in den rein&#x017F;ten Seelen in<lb/>
ihren ruhig&#x017F;ten Momenten &#x017F;piegelnd. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Sie allein führt an ihrer Hand den bildenden Kün&#x017F;<lb/>
ler, den Dichter, in ihr inner&#x017F;tes Heiligthum, wo<lb/>
&#x017F;ie dem &#x017F;ich neu entwickelnden Bildungstriebe, &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;eit Jahrhunderten vorgearbeitet, und &#x017F;eine Bahn ihm<lb/>
vorgezeichnet hat.</p><lb/>
      <p>Denn alles, was die Vorwelt erfunden, i&#x017F;t ja in<lb/>
den Umfang der Natur zurücktretend, mit ihr eins<lb/>
geworden, und &#x017F;oll mit ihr vereint, harmoni&#x017F;ch auf<lb/>
uns wirken. &#x2014; &#x2014; Das Schöne der bildenden Kün&#x017F;te<lb/>
&#x017F;teht, &#x017F;obald es einmal da i&#x017F;t, mit auf ihrer gros&#x017F;en<lb/>
Stufenleiter, und will nicht mit ihr in ihren einzelnen<lb/>
Theilen verglichen, &#x017F;ondern in ihrem ganzen Unfange,<lb/>
als zu ihr gehörend, mitgedacht und empfunden &#x017F;eyn.</p><lb/>
      <p>Un&#x017F;er Naturgenu&#x017F;s &#x017F;oll durch die Betrachtung des<lb/>
Schönen in der Kun&#x017F;t, verfeinert; und un&#x017F;er Gefühl<lb/>
für das Schöne in der Kun&#x017F;t &#x017F;oll wech&#x017F;el&#x017F;eitig durch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0042] auf. — In allen, was ſeine ruhige Einbildungskraft ihm ſpiegelt, ſondert ſich das Grosſe und Edle vom Gemeinen, nach einem dunkelempfundnen Maaſsſtabe in ihm ſelber ab, und ſtrebt aus ihm heraus. — So geht die um ſich greifende, zerſtörende That¬ kraft, ſich auf ſich ſelber ſtützend, in die ſanfte ſchaffende Bildungskraft, durch ruhiges Selbſtgefühl, hinüber, und ergreift den lebloſen Stoff, und haucht ihm Leben ein. Auf die Weiſe bildete unter jedem Himmelsſtrich die Natur das Schöne, ſich in den reinſten Seelen in ihren ruhigſten Momenten ſpiegelnd. — Sie allein führt an ihrer Hand den bildenden Künſt¬ ler, den Dichter, in ihr innerſtes Heiligthum, wo ſie dem ſich neu entwickelnden Bildungstriebe, ſchon ſeit Jahrhunderten vorgearbeitet, und ſeine Bahn ihm vorgezeichnet hat. Denn alles, was die Vorwelt erfunden, iſt ja in den Umfang der Natur zurücktretend, mit ihr eins geworden, und ſoll mit ihr vereint, harmoniſch auf uns wirken. — — Das Schöne der bildenden Künſte ſteht, ſobald es einmal da iſt, mit auf ihrer grosſen Stufenleiter, und will nicht mit ihr in ihren einzelnen Theilen verglichen, ſondern in ihrem ganzen Unfange, als zu ihr gehörend, mitgedacht und empfunden ſeyn. Unſer Naturgenuſs ſoll durch die Betrachtung des Schönen in der Kunſt, verfeinert; und unſer Gefühl für das Schöne in der Kunſt ſoll wechſelſeitig durch den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788/42
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788/42>, abgerufen am 25.04.2024.