Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Empfindungen, die er hier vor einem Jahre ge¬
habt hatte; sein Gefühl für Lob und Beifall ward
dadurch so sehr unterdrückt, daß er zuletzt, bei¬
nahe seiner Natur zuwider eine Art von Ver¬
gnügen darin fand, sich mit den schmuzigsten
Gassenbuben abzugeben, und mit ihnen gemeine
Sache zu machen, bloß weil er verzweifelte, sich
je die Liebe und Achtung in P. wieder zu erwer¬
ben, die er durch seine Mutter einmal verlohren
hatte, welche nicht nur gegen seinen Vater, so
oft er zu Hause kam, sondern auch gegen ganz
fremde Leute, beständig von nichts, als von sei¬
ner schlechten Aufführung sprach, wodurch die¬
selbe denn wirklick anfing, schlecht zu werden
und sein Herz sich zu verschlimmern schien.

Er kam auch nun seltner in das v. F..sche
Haus, und die Zeit seines diesmaligen Aufent¬
halts in P. strich für ihn höchst unangenehm
und traurig vorüber, so daß er sich oft noch mit
Wehmuth an die Freuden des vorigen Jahres
zurückerinnerte, ob er gleich diesmal nicht so viel
Schmerzen an seinem Fuß auszustehn hatte, der
nun, nachdem der schadhafte Knochen herausge¬
nommen war, wieder an zu heilen fing.

Empfindungen, die er hier vor einem Jahre ge¬
habt hatte; ſein Gefuͤhl fuͤr Lob und Beifall ward
dadurch ſo ſehr unterdruͤckt, daß er zuletzt, bei¬
nahe ſeiner Natur zuwider eine Art von Ver¬
gnuͤgen darin fand, ſich mit den ſchmuzigſten
Gaſſenbuben abzugeben, und mit ihnen gemeine
Sache zu machen, bloß weil er verzweifelte, ſich
je die Liebe und Achtung in P. wieder zu erwer¬
ben, die er durch ſeine Mutter einmal verlohren
hatte, welche nicht nur gegen ſeinen Vater, ſo
oft er zu Hauſe kam, ſondern auch gegen ganz
fremde Leute, beſtaͤndig von nichts, als von ſei¬
ner ſchlechten Auffuͤhrung ſprach, wodurch die¬
ſelbe denn wirklick anfing, ſchlecht zu werden
und ſein Herz ſich zu verſchlimmern ſchien.

Er kam auch nun ſeltner in das v. F..ſche
Haus, und die Zeit ſeines diesmaligen Aufent¬
halts in P. ſtrich fuͤr ihn hoͤchſt unangenehm
und traurig voruͤber, ſo daß er ſich oft noch mit
Wehmuth an die Freuden des vorigen Jahres
zuruͤckerinnerte, ob er gleich diesmal nicht ſo viel
Schmerzen an ſeinem Fuß auszuſtehn hatte, der
nun, nachdem der ſchadhafte Knochen herausge¬
nommen war, wieder an zu heilen fing.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0066" n="56"/>
Empfindungen, die er hier vor einem Jahre ge¬<lb/>
habt hatte; &#x017F;ein Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r Lob und Beifall ward<lb/>
dadurch &#x017F;o &#x017F;ehr unterdru&#x0364;ckt, daß er zuletzt, bei¬<lb/>
nahe &#x017F;einer Natur zuwider eine Art von Ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gen darin fand, &#x017F;ich mit den &#x017F;chmuzig&#x017F;ten<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;enbuben abzugeben, und mit ihnen gemeine<lb/>
Sache zu machen, bloß weil er verzweifelte, &#x017F;ich<lb/>
je die Liebe und Achtung in P. wieder zu erwer¬<lb/>
ben, die er durch &#x017F;eine Mutter einmal verlohren<lb/>
hatte, welche nicht nur gegen &#x017F;einen Vater, &#x017F;o<lb/>
oft er zu Hau&#x017F;e kam, &#x017F;ondern auch gegen ganz<lb/>
fremde Leute, be&#x017F;ta&#x0364;ndig von nichts, als von &#x017F;ei¬<lb/>
ner &#x017F;chlechten Auffu&#x0364;hrung &#x017F;prach, wodurch die¬<lb/>
&#x017F;elbe denn wirklick anfing, &#x017F;chlecht zu werden<lb/>
und &#x017F;ein Herz &#x017F;ich zu ver&#x017F;chlimmern &#x017F;chien.</p><lb/>
      <p>Er kam auch nun &#x017F;eltner in das v. F..&#x017F;che<lb/>
Haus, und die Zeit &#x017F;eines diesmaligen Aufent¬<lb/>
halts in P. &#x017F;trich fu&#x0364;r ihn ho&#x0364;ch&#x017F;t unangenehm<lb/>
und traurig voru&#x0364;ber, &#x017F;o daß er &#x017F;ich oft noch mit<lb/>
Wehmuth an die Freuden des vorigen Jahres<lb/>
zuru&#x0364;ckerinnerte, ob er gleich diesmal nicht &#x017F;o viel<lb/>
Schmerzen an &#x017F;einem Fuß auszu&#x017F;tehn hatte, der<lb/>
nun, nachdem der &#x017F;chadhafte Knochen herausge¬<lb/>
nommen war, wieder an zu heilen fing.</p><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0066] Empfindungen, die er hier vor einem Jahre ge¬ habt hatte; ſein Gefuͤhl fuͤr Lob und Beifall ward dadurch ſo ſehr unterdruͤckt, daß er zuletzt, bei¬ nahe ſeiner Natur zuwider eine Art von Ver¬ gnuͤgen darin fand, ſich mit den ſchmuzigſten Gaſſenbuben abzugeben, und mit ihnen gemeine Sache zu machen, bloß weil er verzweifelte, ſich je die Liebe und Achtung in P. wieder zu erwer¬ ben, die er durch ſeine Mutter einmal verlohren hatte, welche nicht nur gegen ſeinen Vater, ſo oft er zu Hauſe kam, ſondern auch gegen ganz fremde Leute, beſtaͤndig von nichts, als von ſei¬ ner ſchlechten Auffuͤhrung ſprach, wodurch die¬ ſelbe denn wirklick anfing, ſchlecht zu werden und ſein Herz ſich zu verſchlimmern ſchien. Er kam auch nun ſeltner in das v. F..ſche Haus, und die Zeit ſeines diesmaligen Aufent¬ halts in P. ſtrich fuͤr ihn hoͤchſt unangenehm und traurig voruͤber, ſo daß er ſich oft noch mit Wehmuth an die Freuden des vorigen Jahres zuruͤckerinnerte, ob er gleich diesmal nicht ſo viel Schmerzen an ſeinem Fuß auszuſtehn hatte, der nun, nachdem der ſchadhafte Knochen herausge¬ nommen war, wieder an zu heilen fing.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/66
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/66>, abgerufen am 04.12.2024.