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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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nem verlaßnen Zustande, und der Verachtung
worin er bei seinen Mitschülern stand, hier nicht
das mindeste merken ließ, sondern vielmehr das
Angenehme, und Ehrbringende, was er von sich
sagen konnte, auf alle Weise heraussuchte --
daß ihm nehmlich der Rektor auf einer Reise zur
Gesellschaft mitgenommen, daß er in einer Pri¬
vatstunde englisch bei ihm gelernt habe, daß er bei
dem Aufzug mit Fackeln und Musik gewesen, und
wie es dabei zugegangen sey u. s. w.

Auch für sich selbst suchte er so viel wie mög¬
lich alles Unangenehme und Niederdrückende aus
seinen Ideen zu verbannen -- denn er wollte
hier nun einmal in einem vortheilhaften, ehren¬
vollen Lichte erscheinen, und sein Zustand sollte
andern beneidenswerth vorkommen, so wenig
beneidenswerth er auch war --

In dieser angenehmen Selbsttäuschung brach¬
te er hier einige Tage sehr vergnügt zu -- allein
so leicht wie ihm dießmal geworden war, da er
aus den Thoren von H. . . gekommen, und er die
vier Thürme der Stadt allmälig aus dem Gesicht
verlohren hatte, so schwer wurde ihm ums Herz,

nem verlaßnen Zuſtande, und der Verachtung
worin er bei ſeinen Mitſchuͤlern ſtand, hier nicht
das mindeſte merken ließ, ſondern vielmehr das
Angenehme, und Ehrbringende, was er von ſich
ſagen konnte, auf alle Weiſe herausſuchte —
daß ihm nehmlich der Rektor auf einer Reiſe zur
Geſellſchaft mitgenommen, daß er in einer Pri¬
vatſtunde engliſch bei ihm gelernt habe, daß er bei
dem Aufzug mit Fackeln und Muſik geweſen, und
wie es dabei zugegangen ſey u. ſ. w.

Auch fuͤr ſich ſelbſt ſuchte er ſo viel wie moͤg¬
lich alles Unangenehme und Niederdruͤckende aus
ſeinen Ideen zu verbannen — denn er wollte
hier nun einmal in einem vortheilhaften, ehren¬
vollen Lichte erſcheinen, und ſein Zuſtand ſollte
andern beneidenswerth vorkommen, ſo wenig
beneidenswerth er auch war —

In dieſer angenehmen Selbſttaͤuſchung brach¬
te er hier einige Tage ſehr vergnuͤgt zu — allein
ſo leicht wie ihm dießmal geworden war, da er
aus den Thoren von H. . . gekommen, und er die
vier Thuͤrme der Stadt allmaͤlig aus dem Geſicht
verlohren hatte, ſo ſchwer wurde ihm ums Herz,

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[155/0165] nem verlaßnen Zuſtande, und der Verachtung worin er bei ſeinen Mitſchuͤlern ſtand, hier nicht das mindeſte merken ließ, ſondern vielmehr das Angenehme, und Ehrbringende, was er von ſich ſagen konnte, auf alle Weiſe herausſuchte — daß ihm nehmlich der Rektor auf einer Reiſe zur Geſellſchaft mitgenommen, daß er in einer Pri¬ vatſtunde engliſch bei ihm gelernt habe, daß er bei dem Aufzug mit Fackeln und Muſik geweſen, und wie es dabei zugegangen ſey u. ſ. w. Auch fuͤr ſich ſelbſt ſuchte er ſo viel wie moͤg¬ lich alles Unangenehme und Niederdruͤckende aus ſeinen Ideen zu verbannen — denn er wollte hier nun einmal in einem vortheilhaften, ehren¬ vollen Lichte erſcheinen, und ſein Zuſtand ſollte andern beneidenswerth vorkommen, ſo wenig beneidenswerth er auch war — In dieſer angenehmen Selbſttaͤuſchung brach¬ te er hier einige Tage ſehr vergnuͤgt zu — allein ſo leicht wie ihm dießmal geworden war, da er aus den Thoren von H. . . gekommen, und er die vier Thuͤrme der Stadt allmaͤlig aus dem Geſicht verlohren hatte, ſo ſchwer wurde ihm ums Herz,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/165>, abgerufen am 24.11.2024.