Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er jetzt, da er neunzehn Jahr alt war, an
seinen Freund in H. . . . schrieb, er hoffe und
wünsche nunmehr den Rest seiner Tage in Er¬
furt zu beschließen.

Seine lernende Laufbahn sollte nehmlich
hier unmittelbar in die lehrende übergehn, und
so sollte daß Ziel aller seiner Wünsche und Hoff¬
nungen dann erreicht seyn. -- Auf alles übrige
Glänzende glaubte er nun Verzicht gethan zu
haben, und alle die schimmernden Theaterphan¬
tasien schienen auf eine Zeitlang aus seinem
Kopfe verschwunden zu seyn.

Er war nun doch auf einmal in eine neue
Welt versetzt, und hatte gegen seinen Aufent¬
halt in H. . . . immer erstaunlich viel gewonnen.

Wenn er auf den Wällen von Erfurt um
die Stadt spatzieren gieng, so fühlte er lebhaft,
daß er durch eigne Anstrengung sich aus seinem
uneretäglichen Zustande gerissen, und seinen
Standpunkt in der Welt aus eigner Kraft ver¬
ändert hatte.

Wenn er dann die Glocken von Erfurt läuten
hörte, so wurden allmälig alle seine Erinnerun¬
gen an das Vergangene rege -- der gegenwär¬

4ter Theil. H

daß er jetzt, da er neunzehn Jahr alt war, an
ſeinen Freund in H. . . . ſchrieb, er hoffe und
wuͤnſche nunmehr den Reſt ſeiner Tage in Er¬
furt zu beſchließen.

Seine lernende Laufbahn ſollte nehmlich
hier unmittelbar in die lehrende uͤbergehn, und
ſo ſollte daß Ziel aller ſeiner Wuͤnſche und Hoff¬
nungen dann erreicht ſeyn. — Auf alles uͤbrige
Glaͤnzende glaubte er nun Verzicht gethan zu
haben, und alle die ſchimmernden Theaterphan¬
taſien ſchienen auf eine Zeitlang aus ſeinem
Kopfe verſchwunden zu ſeyn.

Er war nun doch auf einmal in eine neue
Welt verſetzt, und hatte gegen ſeinen Aufent¬
halt in H. . . . immer erſtaunlich viel gewonnen.

Wenn er auf den Waͤllen von Erfurt um
die Stadt ſpatzieren gieng, ſo fuͤhlte er lebhaft,
daß er durch eigne Anſtrengung ſich aus ſeinem
uneretaͤglichen Zuſtande geriſſen, und ſeinen
Standpunkt in der Welt aus eigner Kraft ver¬
aͤndert hatte.

Wenn er dann die Glocken von Erfurt laͤuten
hoͤrte, ſo wurden allmaͤlig alle ſeine Erinnerun¬
gen an das Vergangene rege — der gegenwaͤr¬

4ter Theil. H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0127" n="113"/>
daß er jetzt, da er neunzehn Jahr alt war, an<lb/>
&#x017F;einen Freund in H. . . . &#x017F;chrieb, er hoffe und<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;che nunmehr den Re&#x017F;t &#x017F;einer Tage in Er¬<lb/>
furt zu be&#x017F;chließen.</p><lb/>
      <p>Seine lernende Laufbahn &#x017F;ollte nehmlich<lb/>
hier unmittelbar in die lehrende u&#x0364;bergehn, und<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ollte daß Ziel aller &#x017F;einer Wu&#x0364;n&#x017F;che und Hoff¬<lb/>
nungen dann erreicht &#x017F;eyn. &#x2014; Auf alles u&#x0364;brige<lb/>
Gla&#x0364;nzende glaubte er nun Verzicht gethan zu<lb/>
haben, und alle die &#x017F;chimmernden Theaterphan¬<lb/>
ta&#x017F;ien &#x017F;chienen auf eine Zeitlang aus &#x017F;einem<lb/>
Kopfe ver&#x017F;chwunden zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
      <p>Er war nun doch auf einmal in eine neue<lb/>
Welt ver&#x017F;etzt, und hatte gegen &#x017F;einen Aufent¬<lb/>
halt in H. . . . immer er&#x017F;taunlich viel gewonnen.</p><lb/>
      <p>Wenn er auf den Wa&#x0364;llen von Erfurt um<lb/>
die Stadt &#x017F;patzieren gieng, &#x017F;o fu&#x0364;hlte er lebhaft,<lb/>
daß er durch eigne An&#x017F;trengung &#x017F;ich aus &#x017F;einem<lb/>
unereta&#x0364;glichen Zu&#x017F;tande geri&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;einen<lb/>
Standpunkt in der Welt aus eigner Kraft ver¬<lb/>
a&#x0364;ndert hatte.</p><lb/>
      <p>Wenn er dann die Glocken von Erfurt la&#x0364;uten<lb/>
ho&#x0364;rte, &#x017F;o wurden allma&#x0364;lig alle &#x017F;eine Erinnerun¬<lb/>
gen an das Vergangene rege &#x2014; der gegenwa&#x0364;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4ter <hi rendition="#fr">Theil</hi>. H<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0127] daß er jetzt, da er neunzehn Jahr alt war, an ſeinen Freund in H. . . . ſchrieb, er hoffe und wuͤnſche nunmehr den Reſt ſeiner Tage in Er¬ furt zu beſchließen. Seine lernende Laufbahn ſollte nehmlich hier unmittelbar in die lehrende uͤbergehn, und ſo ſollte daß Ziel aller ſeiner Wuͤnſche und Hoff¬ nungen dann erreicht ſeyn. — Auf alles uͤbrige Glaͤnzende glaubte er nun Verzicht gethan zu haben, und alle die ſchimmernden Theaterphan¬ taſien ſchienen auf eine Zeitlang aus ſeinem Kopfe verſchwunden zu ſeyn. Er war nun doch auf einmal in eine neue Welt verſetzt, und hatte gegen ſeinen Aufent¬ halt in H. . . . immer erſtaunlich viel gewonnen. Wenn er auf den Waͤllen von Erfurt um die Stadt ſpatzieren gieng, ſo fuͤhlte er lebhaft, daß er durch eigne Anſtrengung ſich aus ſeinem uneretaͤglichen Zuſtande geriſſen, und ſeinen Standpunkt in der Welt aus eigner Kraft ver¬ aͤndert hatte. Wenn er dann die Glocken von Erfurt laͤuten hoͤrte, ſo wurden allmaͤlig alle ſeine Erinnerun¬ gen an das Vergangene rege — der gegenwaͤr¬ 4ter Theil. H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/127
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/127>, abgerufen am 21.11.2024.