Gehorsam sind die Untergebenen denen ihnen vom Landesherrn bekannt gemachten Vorge- sezten allerdings schuldig; allein unumschränk- ten Gehorsam, der jede vernünftige Gegen- Vorstellung ausschliesst, sollte man keiner Ge- sellschaft im Staat ertheilen (zumuthen); und am allerwenigsten in wissenschaftlichen Din- gen, wo so viel auf die eigene Art zu sehen ankommt. Man kann annehmen, dass das vor- gesezte Ober-Schul-Collegium wahrscheinlich nichts unternehmen werde, was den Fortschrit- ten wahrer Aufklärung zuwiderlaufen könnte. Aber ist es denn doch nicht ein denkbarer Fall, dass ein einziger Mann in einem solchen Colle- gio ein so grosses Uebergewicht erlangen kön- ne, dass seine aus Mangel an gewissen Ein- sichten, oder zu Beförderung gewisser Absich- ten, abzielende Vorschläge, die dem Ganzen nachtheilig werden könnten, zum Gesetz ge- macht werden können? Und ist diss nicht um so eher zu befürchten, wenn die Einsichten der Befehlenden den Einsichten der Gehorchenden weit nachstehen; wenn jene, eben weil sie ge- gen diese überwichtig sind, aus einem auch dem nicht verdorbenen menschlichen Herzen so eige- nen Stolz, selbst ihre nicht ganz heilsam erkann-
Gehorsam sind die Untergebenen denen ihnen vom Landesherrn bekannt gemachten Vorge- sezten allerdings schuldig; allein unumschränk- ten Gehorsam, der jede vernünftige Gegen- Vorstellung ausschlieſst, sollte man keiner Ge- sellschaft im Staat ertheilen (zumuthen); und am allerwenigsten in wissenschaftlichen Din- gen, wo so viel auf die eigene Art zu sehen ankommt. Man kann annehmen, daſs das vor- gesezte Ober-Schul-Collegium wahrscheinlich nichts unternehmen werde, was den Fortschrit- ten wahrer Aufklärung zuwiderlaufen könnte. Aber ist es denn doch nicht ein denkbarer Fall, daſs ein einziger Mann in einem solchen Colle- gio ein so groſses Uebergewicht erlangen kön- ne, daſs seine aus Mangel an gewissen Ein- sichten, oder zu Beförderung gewisser Absich- ten, abzielende Vorschläge, die dem Ganzen nachtheilig werden könnten, zum Gesetz ge- macht werden können? Und ist diſs nicht um so eher zu befürchten, wenn die Einsichten der Befehlenden den Einsichten der Gehorchenden weit nachstehen; wenn jene, eben weil sie ge- gen diese überwichtig sind, aus einem auch dem nicht verdorbenen menschlichen Herzen so eige- nen Stolz, selbst ihre nicht ganz heilsam erkann-
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Gehorsam sind die Untergebenen denen ihnen
vom Landesherrn bekannt gemachten Vorge-
sezten allerdings schuldig; allein unumschränk-
ten Gehorsam, der jede vernünftige Gegen-
Vorstellung ausschlieſst, sollte man keiner Ge-
sellschaft im Staat ertheilen (zumuthen); und
am allerwenigsten in wissenschaftlichen Din-
gen, wo so viel auf die eigene Art zu sehen
ankommt. Man kann annehmen, daſs das vor-
gesezte Ober-Schul-Collegium wahrscheinlich
nichts unternehmen werde, was den Fortschrit-
ten wahrer Aufklärung zuwiderlaufen könnte.
Aber ist es denn doch nicht ein denkbarer Fall,
daſs ein einziger Mann in einem solchen Colle-
gio ein so groſses Uebergewicht erlangen kön-
ne, daſs seine aus Mangel an gewissen Ein-
sichten, oder zu Beförderung gewisser Absich-
ten, abzielende Vorschläge, die dem Ganzen
nachtheilig werden könnten, zum Gesetz ge-
macht werden können? Und ist diſs nicht um
so eher zu befürchten, wenn die Einsichten der
Befehlenden den Einsichten der Gehorchenden
weit nachstehen; wenn jene, eben weil sie ge-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/236>, abgerufen am 21.11.2024.
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