Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

te Grundsätze dem ohngeachtet befolgt wissen
wollen, um nicht die Demüthigung zu erleiden,
von den Untergebenen eines bessern belehrt wor-
den zu seyn? Wenn es heisst: Dass es nicht
erlaubt seyn solle, über landesherrliche
Einrichtungen und Befehle zu klügeln
,

so ist dieses eine Beeinträchtigung des ersten
Rechts der denkenden Menschheit. Dieser Satz
leidet nur unter der geringsten Classe des Volks,
und dazu noch unter gewissen Einschränkun-
gen, seine Anwendung; allein Männern, wel-
che denken können, muss es frey stehen, mir
geziemendem Respect Einwendungen wider die
landesherrliche Verordnungen machen zu kön-
nen. Der Gesetzgeber ist nur Mensch; er kann
in der besten Absicht eines guten Herzens Ver-
ordnungen erlassen, die dem Ganzen nachthei-
lig sind. Sollen dawider keine Vorstellungen
stattfinden können? Dann sizt türkischer De-
spotismus auf dem Thron, bey dem kein Ge-
setzgeber gewinnt; denn nur Liebe des Volks
macht gute Unterthanen; blosse Furcht macht
Sclaven, die, befreyt von ihren Ketten, Ver-
wüstungen anrichten können, welche den De-
spoten selbst gefährlich werden müssen. Die
Fürsten haben diss auch selbst gefühlt. Fried-

te Grundsätze dem ohngeachtet befolgt wissen
wollen, um nicht die Demüthigung zu erleiden,
von den Untergebenen eines bessern belehrt wor-
den zu seyn? Wenn es heiſst: Daſs es nicht
erlaubt seyn solle, über landesherrliche
Einrichtungen und Befehle zu klügeln
,

so ist dieses eine Beeinträchtigung des ersten
Rechts der denkenden Menschheit. Dieser Satz
leidet nur unter der geringsten Classe des Volks,
und dazu noch unter gewissen Einschränkun-
gen, seine Anwendung; allein Männern, wel-
che denken können, muſs es frey stehen, mir
geziemendem Respect Einwendungen wider die
landesherrliche Verordnungen machen zu kön-
nen. Der Gesetzgeber ist nur Mensch; er kann
in der besten Absicht eines guten Herzens Ver-
ordnungen erlassen, die dem Ganzen nachthei-
lig sind. Sollen dawider keine Vorstellungen
stattfinden können? Dann sizt türkischer De-
spotismus auf dem Thron, bey dem kein Ge-
setzgeber gewinnt; denn nur Liebe des Volks
macht gute Unterthanen; bloſse Furcht macht
Sclaven, die, befreyt von ihren Ketten, Ver-
wüstungen anrichten können, welche den De-
spoten selbst gefährlich werden müssen. Die
Fürsten haben diſs auch selbst gefühlt. Fried-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0237" n="231"/>
te Grundsätze dem ohngeachtet befolgt wissen<lb/>
wollen, um nicht die Demüthigung zu erleiden,<lb/>
von den Untergebenen eines bessern belehrt wor-<lb/>
den zu seyn? Wenn es hei&#x017F;st: <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Da&#x017F;s es nicht<lb/>
erlaubt seyn solle, über landesherrliche<lb/>
Einrichtungen und Befehle zu klügeln</hi>,</hi><lb/>
so ist dieses eine Beeinträchtigung des ersten<lb/>
Rechts der denkenden Menschheit. Dieser Satz<lb/>
leidet nur unter der geringsten Classe des Volks,<lb/>
und dazu noch unter gewissen Einschränkun-<lb/>
gen, seine Anwendung; allein Männern, wel-<lb/>
che denken können, mu&#x017F;s es frey stehen, mir<lb/>
geziemendem Respect Einwendungen wider die<lb/>
landesherrliche Verordnungen machen zu kön-<lb/>
nen. Der Gesetzgeber ist nur Mensch; er kann<lb/>
in der besten Absicht eines guten Herzens Ver-<lb/>
ordnungen erlassen, die dem Ganzen nachthei-<lb/>
lig sind. Sollen dawider keine Vorstellungen<lb/>
stattfinden können? Dann sizt türkischer De-<lb/>
spotismus auf dem Thron, bey dem kein Ge-<lb/>
setzgeber gewinnt; denn nur Liebe des Volks<lb/>
macht gute Unterthanen; blo&#x017F;se Furcht macht<lb/>
Sclaven, die, befreyt von ihren Ketten, Ver-<lb/>
wüstungen anrichten können, welche den De-<lb/>
spoten selbst gefährlich werden müssen. Die<lb/>
Fürsten haben di&#x017F;s auch selbst gefühlt. Fried-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0237] te Grundsätze dem ohngeachtet befolgt wissen wollen, um nicht die Demüthigung zu erleiden, von den Untergebenen eines bessern belehrt wor- den zu seyn? Wenn es heiſst: Daſs es nicht erlaubt seyn solle, über landesherrliche Einrichtungen und Befehle zu klügeln, so ist dieses eine Beeinträchtigung des ersten Rechts der denkenden Menschheit. Dieser Satz leidet nur unter der geringsten Classe des Volks, und dazu noch unter gewissen Einschränkun- gen, seine Anwendung; allein Männern, wel- che denken können, muſs es frey stehen, mir geziemendem Respect Einwendungen wider die landesherrliche Verordnungen machen zu kön- nen. Der Gesetzgeber ist nur Mensch; er kann in der besten Absicht eines guten Herzens Ver- ordnungen erlassen, die dem Ganzen nachthei- lig sind. Sollen dawider keine Vorstellungen stattfinden können? Dann sizt türkischer De- spotismus auf dem Thron, bey dem kein Ge- setzgeber gewinnt; denn nur Liebe des Volks macht gute Unterthanen; bloſse Furcht macht Sclaven, die, befreyt von ihren Ketten, Ver- wüstungen anrichten können, welche den De- spoten selbst gefährlich werden müssen. Die Fürsten haben diſs auch selbst gefühlt. Fried-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/237
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/237>, abgerufen am 02.05.2024.