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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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auf die Virtu, auf die persönliche Tugend des
Regenten ankommt und von derselben der gan-
ze Ton der Regierung, die Handels-Weise und
Berathung des Ober- und Unter-Ministers, die
ganze Behandlung des Volks u. s w. abhängt,
so ist der in dieser Persönlichkeit liegende
Trost freylich sehr wandelbar und vergänglich.
Es bleibt aber dabey: Ein guter König, wenn
er auch von seinem Volk gar nicht bewundert,
ja nicht einmal nach Würden geschäzt würde,
ist immer mehr werth, als ein grosser König,
wenn er auch der Einzige in seiner Gattung
wäre. Der ehrwürdige Gross-Kanzler von Car-
mer
mag sich's ganz gut bewusst gewesen
seyn, warum er seinen jezigen König und nicht
Friedrich den Grossen wegen seines rühm-
lichen Hasses gegen allen Despotismus

gelobt hat; dieser leztere würde es für Satyre
gehalten haben. Ob, und wie lange aber Fried-
rich Wilhelm II. jenes herrliche Lob stets ver-
dienen wird? mag die Zeit lehren; dann Fried-
rich II. liess im Jahr 1740. in den ersten Tagen
seiner neuangetretenen Regierung, die merk-
würdige Worte offentlich bekannt machen:
"Ich will, dass künftig, wofern etwan mein

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auf die Virtù, auf die persönliche Tugend des
Regenten ankommt und von derselben der gan-
ze Ton der Regierung, die Handels-Weise und
Berathung des Ober- und Unter-Ministers, die
ganze Behandlung des Volks u. s w. abhängt,
so ist der in dieser Persönlichkeit liegende
Trost freylich sehr wandelbar und vergänglich.
Es bleibt aber dabey: Ein guter König, wenn
er auch von seinem Volk gar nicht bewundert,
ja nicht einmal nach Würden geschäzt würde,
ist immer mehr werth, als ein groſser König,
wenn er auch der Einzige in seiner Gattung
wäre. Der ehrwürdige Groſs-Kanzler von Car-
mer
mag sich’s ganz gut bewuſst gewesen
seyn, warum er seinen jezigen König und nicht
Friedrich den Groſsen wegen seines rühm-
lichen Hasses gegen allen Despotismus

gelobt hat; dieser leztere würde es für Satyre
gehalten haben. Ob, und wie lange aber Fried-
rich Wilhelm II. jenes herrliche Lob stets ver-
dienen wird? mag die Zeit lehren; dann Fried-
rich II. lieſs im Jahr 1740. in den ersten Tagen
seiner neuangetretenen Regierung, die merk-
würdige Worte offentlich bekannt machen:
„Ich will, daſs künftig, wofern etwan mein

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[65/0071] auf die Virtù, auf die persönliche Tugend des Regenten ankommt und von derselben der gan- ze Ton der Regierung, die Handels-Weise und Berathung des Ober- und Unter-Ministers, die ganze Behandlung des Volks u. s w. abhängt, so ist der in dieser Persönlichkeit liegende Trost freylich sehr wandelbar und vergänglich. Es bleibt aber dabey: Ein guter König, wenn er auch von seinem Volk gar nicht bewundert, ja nicht einmal nach Würden geschäzt würde, ist immer mehr werth, als ein groſser König, wenn er auch der Einzige in seiner Gattung wäre. Der ehrwürdige Groſs-Kanzler von Car- mer mag sich’s ganz gut bewuſst gewesen seyn, warum er seinen jezigen König und nicht Friedrich den Groſsen wegen seines rühm- lichen Hasses gegen allen Despotismus gelobt hat; dieser leztere würde es für Satyre gehalten haben. Ob, und wie lange aber Fried- rich Wilhelm II. jenes herrliche Lob stets ver- dienen wird? mag die Zeit lehren; dann Fried- rich II. lieſs im Jahr 1740. in den ersten Tagen seiner neuangetretenen Regierung, die merk- würdige Worte offentlich bekannt machen: „Ich will, daſs künftig, wofern etwan mein E

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/71>, abgerufen am 29.04.2024.