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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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ners *) vor Augen stellt, so läge der Despotis-
mus in Deutschland würklich in lezten Zügen,
und unsere Regenten samt und sonders würden
durch die erhabenste Gründe von Tugend und
Religion geleitet und begeistert. Die eigene
Worte dieses geübten Denkers lauten also:
"Die Geschichte unsers eigenen Vaterlandes
zeigt uns viele Beyspiele von Staaten, in wel-
chen die Regenten durch keine Grund-Gesetze
oder Landes-Stände eingeschränkt, oder wo
sie wenigstens mächtig genug sind, Grund-Ge-
setze und Landes-Stände zu Boden zu treten.
Allein in den meisten Staaten dieser Art ist
die Gewalt des Fürsten mehr dem Scheine
nach, als würklich, unbeschränkt; denn wenn
die Regenten solcher Länder auch nicht durch
Grund-Gesetze, das heisst durch solche Ge-
setze eingeschränkt werden, deren Aufrecht-
haltung sie feyerlich beschworen haben, und
deren Uebertretung sich das Volk oder dessen
Repräsentanten mit rechtmässiger Gewalt entge-
gensetzen könnte; so werden sie doch durch
mancherley andere Gesetze und Betrachtungen
im Zaum gehalten, die ihnen meistens noch hei-

*) In der angefuhrten Abhandlung im Göttingischen histor.
Magazin,
II. B. S. 195.

ners *) vor Augen stellt, so läge der Despotis-
mus in Deutschland würklich in lezten Zügen,
und unsere Regenten samt und sonders würden
durch die erhabenste Gründe von Tugend und
Religion geleitet und begeistert. Die eigene
Worte dieses geübten Denkers lauten also:
„Die Geschichte unsers eigenen Vaterlandes
zeigt uns viele Beyspiele von Staaten, in wel-
chen die Regenten durch keine Grund-Gesetze
oder Landes-Stände eingeschränkt, oder wo
sie wenigstens mächtig genug sind, Grund-Ge-
setze und Landes-Stände zu Boden zu treten.
Allein in den meisten Staaten dieser Art ist
die Gewalt des Fürsten mehr dem Scheine
nach, als würklich, unbeschränkt; denn wenn
die Regenten solcher Länder auch nicht durch
Grund-Gesetze, das heiſst durch solche Ge-
setze eingeschränkt werden, deren Aufrecht-
haltung sie feyerlich beschworen haben, und
deren Uebertretung sich das Volk oder dessen
Repräsentanten mit rechtmäſsiger Gewalt entge-
gensetzen könnte; so werden sie doch durch
mancherley andere Gesetze und Betrachtungen
im Zaum gehalten, die ihnen meistens noch hei-

*) In der angefuhrten Abhandlung im Göttingischen histor.
Magazin,
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[93/0099] ners *) vor Augen stellt, so läge der Despotis- mus in Deutschland würklich in lezten Zügen, und unsere Regenten samt und sonders würden durch die erhabenste Gründe von Tugend und Religion geleitet und begeistert. Die eigene Worte dieses geübten Denkers lauten also: „Die Geschichte unsers eigenen Vaterlandes zeigt uns viele Beyspiele von Staaten, in wel- chen die Regenten durch keine Grund-Gesetze oder Landes-Stände eingeschränkt, oder wo sie wenigstens mächtig genug sind, Grund-Ge- setze und Landes-Stände zu Boden zu treten. Allein in den meisten Staaten dieser Art ist die Gewalt des Fürsten mehr dem Scheine nach, als würklich, unbeschränkt; denn wenn die Regenten solcher Länder auch nicht durch Grund-Gesetze, das heiſst durch solche Ge- setze eingeschränkt werden, deren Aufrecht- haltung sie feyerlich beschworen haben, und deren Uebertretung sich das Volk oder dessen Repräsentanten mit rechtmäſsiger Gewalt entge- gensetzen könnte; so werden sie doch durch mancherley andere Gesetze und Betrachtungen im Zaum gehalten, die ihnen meistens noch hei- *) In der angefuhrten Abhandlung im Göttingischen histor. Magazin, II. B. S. 195.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/99>, abgerufen am 29.04.2024.