Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

vermeiden, und sich selbst neue Belästigungen
zu ersparen. Bey solchen haben die Schreyer
und die sich am dreistesten in die Brust wer-
fen können, gutes Spiel.

Ferner finden sich zuweilen Herrn von solch
grosser Herzens-Güte, welche die Menschen,
mit denen sie umgeben sind, immer nur von
der schönen Seite anzusehen sich angewöhnen;
die sich nie bereden können oder wollen, wie
oft unter dem scheinbarsten Diensteifer Nebenab-
sichten, Eigennutz, Neid, Eifersucht gegen an-
dere etc. verborgen liegen; die sich ungerne
und schwer eines andern überzeugen lassen,
und, wann sie dann endlich den Glauben in die
Hand bekommen, lieber sehen, dass, anstatt
durchzugreifen, andere sich die Mühe geben,
durch Ueberredungen und Vorstellungen die
bessere Gesinnung einzupfropfen und die im-
mer undankbare und vergebliche Mühe, Mohren
weiss waschen zu wollen, übernehmen.

So erzählte Luther einst von der Gedult und
Langmuth seines alten Herrn, Churfürsten Jo-
hannsen zu Sachsen, dass er sich durch den Unge-
horsam seiner Leute nicht bewegen lassen, son-
dern allzeit gehoft und gewartet, sie würden

vermeiden, und sich selbst neue Belästigungen
zu ersparen. Bey solchen haben die Schreyer
und die sich am dreistesten in die Brust wer-
fen können, gutes Spiel.

Ferner finden sich zuweilen Herrn von solch
groſser Herzens-Güte, welche die Menschen,
mit denen sie umgeben sind, immer nur von
der schönen Seite anzusehen sich angewöhnen;
die sich nie bereden können oder wollen, wie
oft unter dem scheinbarsten Diensteifer Nebenab-
sichten, Eigennutz, Neid, Eifersucht gegen an-
dere etc. verborgen liegen; die sich ungerne
und schwer eines andern überzeugen lassen,
und, wann sie dann endlich den Glauben in die
Hand bekommen, lieber sehen, daſs, anstatt
durchzugreifen, andere sich die Mühe geben,
durch Ueberredungen und Vorstellungen die
bessere Gesinnung einzupfropfen und die im-
mer undankbare und vergebliche Mühe, Mohren
weiſs waschen zu wollen, übernehmen.

So erzählte Luther einst von der Gedult und
Langmuth seines alten Herrn, Churfürsten Jo-
hannsen zu Sachsen, daſs er sich durch den Unge-
horsam seiner Leute nicht bewegen lassen, son-
dern allzeit gehoft und gewartet, sie würden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="6"/>
vermeiden, und sich selbst neue Belästigungen<lb/>
zu ersparen. Bey solchen haben die Schreyer<lb/>
und die sich am dreistesten in die Brust wer-<lb/>
fen können, gutes Spiel.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Ferner finden sich zuweilen Herrn von solch<lb/>
gro&#x017F;ser Herzens-Güte, welche die Menschen,<lb/>
mit denen sie umgeben sind, immer nur von<lb/>
der schönen Seite anzusehen sich angewöhnen;<lb/>
die sich nie bereden können oder wollen, wie<lb/>
oft unter dem scheinbarsten Diensteifer Nebenab-<lb/>
sichten, Eigennutz, Neid, Eifersucht gegen an-<lb/>
dere etc. verborgen liegen; die sich ungerne<lb/>
und schwer eines andern überzeugen lassen,<lb/>
und, wann sie dann endlich den Glauben in die<lb/>
Hand bekommen, lieber sehen, da&#x017F;s, anstatt<lb/>
durchzugreifen, andere sich die Mühe geben,<lb/>
durch Ueberredungen und Vorstellungen die<lb/>
bessere Gesinnung einzupfropfen und die im-<lb/>
mer undankbare und vergebliche Mühe, Mohren<lb/>
wei&#x017F;s waschen zu wollen, übernehmen.</p><lb/>
        <p>So erzählte <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Luther</hi></hi> einst von der Gedult und<lb/>
Langmuth seines alten Herrn, Churfürsten Jo-<lb/>
hannsen zu Sachsen, da&#x017F;s er sich durch den Unge-<lb/>
horsam seiner Leute nicht bewegen lassen, son-<lb/>
dern allzeit gehoft und gewartet, sie würden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0012] vermeiden, und sich selbst neue Belästigungen zu ersparen. Bey solchen haben die Schreyer und die sich am dreistesten in die Brust wer- fen können, gutes Spiel. Ferner finden sich zuweilen Herrn von solch groſser Herzens-Güte, welche die Menschen, mit denen sie umgeben sind, immer nur von der schönen Seite anzusehen sich angewöhnen; die sich nie bereden können oder wollen, wie oft unter dem scheinbarsten Diensteifer Nebenab- sichten, Eigennutz, Neid, Eifersucht gegen an- dere etc. verborgen liegen; die sich ungerne und schwer eines andern überzeugen lassen, und, wann sie dann endlich den Glauben in die Hand bekommen, lieber sehen, daſs, anstatt durchzugreifen, andere sich die Mühe geben, durch Ueberredungen und Vorstellungen die bessere Gesinnung einzupfropfen und die im- mer undankbare und vergebliche Mühe, Mohren weiſs waschen zu wollen, übernehmen. So erzählte Luther einst von der Gedult und Langmuth seines alten Herrn, Churfürsten Jo- hannsen zu Sachsen, daſs er sich durch den Unge- horsam seiner Leute nicht bewegen lassen, son- dern allzeit gehoft und gewartet, sie würden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/12
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/12>, abgerufen am 23.11.2024.