So wie an den Höfen, im Umgang der gros- sen Welt, in der Politik, alles nur Mode und Maske ist, so war es auch vorlängst mit der Religion. Um einen so heiligen ehrwürdigen Gegenstand nicht mit meinen profanen Worten zu entweyhen, so sey mir vergönnt, es mit den Worten zu sagen, welche die Frau von Maintenon an ihren Freund, den Cardinal von Noailles den 31. Jan. 1700. hierüber geschrie- ben hat: La religion est peu connue a la Cour. Au lieu de s'accommoder a elle, on veut l'accommo- der a soi. On craint la lumiere, qui montreroit trop de choses effraiantes. On en admet toutes les pratiques exterieures; on en neglige l'esprit. Le Roi ne manquera pas a une station ni a une absti- nence; mais il ne comprendra point, qu'il faille s'humilier, se repentir, se couvrir du sac et du cendre, aimer Dieu plutot que de le craindre.
Was Wunder also, dass auch das Lob, wie so Vieles andere in der Welt, seine Moden hat? Anstatt aber, dass die Moden in der männ- und weiblichen Kleidung immer mehr verein- facht werden, so heisst es bey den Lobs-Er- hebungen, die freilich nicht so viel als ein neuer
So wie an den Höfen, im Umgang der gros- sen Welt, in der Politik, alles nur Mode und Maske ist, so war es auch vorlängst mit der Religion. Um einen so heiligen ehrwürdigen Gegenstand nicht mit meinen profanen Worten zu entweyhen, so sey mir vergönnt, es mit den Worten zu sagen, welche die Frau von Maintenon an ihren Freund, den Cardinal von Noailles den 31. Jan. 1700. hierüber geschrie- ben hat: La religion est peu connue à la Cour. Au lieu de s’accommoder à elle, on veut l’accommo- der à soi. On craint la lumiére, qui montreroit trop de choses effraïantes. On en admet toutes les pratiques exterieures; on en néglige l’esprit. Le Roi ne manquera pas à une station ni à une absti- nence; mais il ne comprendra point, qu’il faille s’humilier, se repentir, se couvrir du sac et du cendre, aimer Dieu plutôt que de le craindre.
Was Wunder also, daſs auch das Lob, wie so Vieles andere in der Welt, seine Moden hat? Anstatt aber, daſs die Moden in der männ- und weiblichen Kleidung immer mehr verein- facht werden, so heiſst es bey den Lobs-Er- hebungen, die freilich nicht so viel als ein neuer
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So wie an den Höfen, im Umgang der gros-
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Gegenstand nicht mit meinen profanen Worten
zu entweyhen, so sey mir vergönnt, es mit
den Worten zu sagen, welche die Frau von
Maintenon an ihren Freund, den Cardinal von
Noailles den 31. Jan. 1700. hierüber geschrie-
ben hat: La religion est peu connue à la Cour.
Au lieu de s’accommoder à elle, on veut l’accommo-
der à soi. On craint la lumiére, qui montreroit
trop de choses effraïantes. On en admet toutes les
pratiques exterieures; on en néglige l’esprit. Le
Roi ne manquera pas à une station ni à une absti-
nence; mais il ne comprendra point, qu’il
faille s’humilier, se repentir, se couvrir
du sac et du cendre, aimer Dieu plutôt que
de le craindre.
Was Wunder also, daſs auch das Lob, wie
so Vieles andere in der Welt, seine Moden
hat? Anstatt aber, daſs die Moden in der männ-
und weiblichen Kleidung immer mehr verein-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/196>, abgerufen am 24.11.2024.
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