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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Wahrheit, sondern ein Verbrechen der be-
leidigten Nation und Menschheit
,
das eine
offentliche Rüge gegen einen solchen Elenden
verdient. Welche Begriffe müssen die Unter-
thanen von der Heiligkeit und Würde des Re-
genten bekommen, wenn der kundbar schlechte
und schlimme eben so, ja noch mehr gepriesen
wird, als der gerechte und gute! Welch heillo-
sen schädlichen Eindruck machen dergleichen
unwürdige Lobpreisungen bey jungen Fürsten!
Wie tief muss aber selbst der Nachfolger, wenn
er nicht alles Gefühl von Ehre und Gewissen
verlohren hat, einen solchen niederträchtigen
Götzendiener und Speichellecker innerlich selbst
verachten! Was ist endlich von den Zuhörern
aller Stände zu halten, die einen Leichenredner,
der einen landkundigen Tyrannen wegen sei-
ner Gerechtigkeit lobt, anstatt ihn stracks von
der Canzel zu werfen, noch mit Gedult anhö-
ren mögen, wenn er auch gleich, zu Ehren sei-
nes schwarzen Rocks, nur mit tiefer Verachtung
als ein schaamloser Lügner gebrandmarkt wird?


Ein übertriebenes Lob ist, wenn nur etwas,
auch allenfalls der geringste Theil einer Hand-
lung, lobenswürdig ist. So ist es übertrieben,

Wahrheit, sondern ein Verbrechen der be-
leidigten Nation und Menschheit
,
das eine
offentliche Rüge gegen einen solchen Elenden
verdient. Welche Begriffe müssen die Unter-
thanen von der Heiligkeit und Würde des Re-
genten bekommen, wenn der kundbar schlechte
und schlimme eben so, ja noch mehr gepriesen
wird, als der gerechte und gute! Welch heillo-
sen schädlichen Eindruck machen dergleichen
unwürdige Lobpreisungen bey jungen Fürsten!
Wie tief muſs aber selbst der Nachfolger, wenn
er nicht alles Gefühl von Ehre und Gewissen
verlohren hat, einen solchen niederträchtigen
Götzendiener und Speichellecker innerlich selbst
verachten! Was ist endlich von den Zuhörern
aller Stände zu halten, die einen Leichenredner,
der einen landkundigen Tyrannen wegen sei-
ner Gerechtigkeit lobt, anstatt ihn stracks von
der Canzel zu werfen, noch mit Gedult anhö-
ren mögen, wenn er auch gleich, zu Ehren sei-
nes schwarzen Rocks, nur mit tiefer Verachtung
als ein schaamloser Lügner gebrandmarkt wird?


Ein übertriebenes Lob ist, wenn nur etwas,
auch allenfalls der geringste Theil einer Hand-
lung, lobenswürdig ist. So ist es übertrieben,

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[194/0200] Wahrheit, sondern ein Verbrechen der be- leidigten Nation und Menschheit, das eine offentliche Rüge gegen einen solchen Elenden verdient. Welche Begriffe müssen die Unter- thanen von der Heiligkeit und Würde des Re- genten bekommen, wenn der kundbar schlechte und schlimme eben so, ja noch mehr gepriesen wird, als der gerechte und gute! Welch heillo- sen schädlichen Eindruck machen dergleichen unwürdige Lobpreisungen bey jungen Fürsten! Wie tief muſs aber selbst der Nachfolger, wenn er nicht alles Gefühl von Ehre und Gewissen verlohren hat, einen solchen niederträchtigen Götzendiener und Speichellecker innerlich selbst verachten! Was ist endlich von den Zuhörern aller Stände zu halten, die einen Leichenredner, der einen landkundigen Tyrannen wegen sei- ner Gerechtigkeit lobt, anstatt ihn stracks von der Canzel zu werfen, noch mit Gedult anhö- ren mögen, wenn er auch gleich, zu Ehren sei- nes schwarzen Rocks, nur mit tiefer Verachtung als ein schaamloser Lügner gebrandmarkt wird? Ein übertriebenes Lob ist, wenn nur etwas, auch allenfalls der geringste Theil einer Hand- lung, lobenswürdig ist. So ist es übertrieben,

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/200>, abgerufen am 21.11.2024.