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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Zwar wie ein freyes Volck in reinen Sitten lebte/
Und nicht ein Götzen-Knecht des schnöden Goldes war/
Als ein ermuntert Geist nach Helden-Thaten strebte/
Und ihm sein eignes Lob sein' eigne Faust gebahr;
Hat oft ein schlechtes Blat des Siegers Haupt bekräntzet;
Rom theilte frisches Graß an statt der Kronen aus/
Jn welchem Ehrenschmuck sein Bürger mehr gegläntzet/
Als der so Perlen sucht itzt bey der Sonnen Hauß.
Minerva hat darumb den Oelzweig selbst gesetzet/
Damit ihr jährlich Fest bekrönet konte seyn;
Die Eiche Jupiter zu Kronen werth geschätzet.
Jm grünen Myrtenschmuck stellt sich die Venus ein.
Der Heyden Priester ward belaubt mit Blum und Blättern/
Und ihm das Opffer Vieh in Kräntzen zugeführt/
Und wenn die Käyser selbst sich wolten recht vergöttern/
Hat ihr geweyhtes Haupt der Lorbeer-strauß geziert.
Der Zeiten Unschuld blieb in solchen guten Schrancken/
Biß daß die Uppigkeit die Oberhand gewan:
Dann fieng der Väter Witz und Tugend an zukrancken/
Als ein gantz Morgenland zu Kleidern Seide span.
Augustus ließ zu erst die goldnen Kronen blicken/
Und seine Herrlichkeit im höchsten Purpur sehn
Drauf hat was Ost und West von Steinen können schicken/
Deß Phrygers kluge Hand auf Kronen müssen nehn.
Biß der Tyrannen Stoltz und Hochmuth so gestiegen/
Daß ihre Scheitel stets von Demant trächtig stand/
Daß Strahlen umb ihr Haupt wie Sonnen musten fliegen/
Und diese Raserey verzehrt ein gantzes Land.
Es war das Capitol ein Schauplatz solcher Schätze/
So von dem Kronen-Gold verschwendrisch beygelegt/
Biß daß Vespasian entweyhte die Gesetze/
Und hat das Heiligthum durch Müntzen umbgeprägt.
Zwar Kronen bleiben noch der Majestäten Zeichen/
Und Spiegel/ welche recht die Hoheit stellen für;
Sie sind Kleinodien bey den beglückten Reichen/
Der Throne Morgenröth und aller Zepter Zier.
Hingegen sind sie auch ein Gauckelspiel der Zeiten/
Ein Ziel worauf das Glück die schärffsten Augen hat:
Wenn sie von auffen Pracht und Herrlichkeit begleiten/
So hält inwendig Angst und Noth die Hofestadt.
Und
Leichen-Gedichte.
Zwar wie ein freyes Volck in reinen Sitten lebte/
Und nicht ein Goͤtzen-Knecht des ſchnoͤden Goldes war/
Als ein ermuntert Geiſt nach Helden-Thaten ſtrebte/
Und ihm ſein eignes Lob ſein’ eigne Fauſt gebahr;
Hat oft ein ſchlechtes Blat des Siegers Haupt bekraͤntzet;
Rom theilte friſches Graß an ſtatt der Kronen aus/
Jn welchem Ehrenſchmuck ſein Buͤrger mehr geglaͤntzet/
Als der ſo Perlen ſucht itzt bey der Sonnen Hauß.
Minerva hat darumb den Oelzweig ſelbſt geſetzet/
Damit ihr jaͤhrlich Feſt bekroͤnet konte ſeyn;
Die Eiche Jupiter zu Kronen werth geſchaͤtzet.
Jm gruͤnen Myrtenſchmuck ſtellt ſich die Venus ein.
Der Heyden Prieſter ward belaubt mit Blum und Blaͤttern/
Und ihm das Opffer Vieh in Kraͤntzen zugefuͤhrt/
Und wenn die Kaͤyſer ſelbſt ſich wolten recht vergoͤttern/
Hat ihr geweyhtes Haupt der Lorbeer-ſtrauß geziert.
Der Zeiten Unſchuld blieb in ſolchen guten Schrancken/
Biß daß die Uppigkeit die Oberhand gewan:
Dann fieng der Vaͤter Witz und Tugend an zukrancken/
Als ein gantz Morgenland zu Kleidern Seide ſpan.
Auguſtus ließ zu erſt die goldnen Kronen blicken/
Und ſeine Herꝛlichkeit im hoͤchſten Purpur ſehn
Drauf hat was Oſt und Weſt von Steinen koͤnnen ſchicken/
Deß Phrygers kluge Hand auf Kronen muͤſſen nehn.
Biß der Tyrannen Stoltz und Hochmuth ſo geſtiegen/
Daß ihre Scheitel ſtets von Demant traͤchtig ſtand/
Daß Strahlen umb ihr Haupt wie Sonnen muſten fliegen/
Und dieſe Raſerey verzehrt ein gantzes Land.
Es war das Capitol ein Schauplatz ſolcher Schaͤtze/
So von dem Kronen-Gold verſchwendriſch beygelegt/
Biß daß Veſpaſian entweyhte die Geſetze/
Und hat das Heiligthum durch Muͤntzen umbgepraͤgt.
Zwar Kronen bleiben noch der Majeſtaͤten Zeichen/
Und Spiegel/ welche recht die Hoheit ſtellen fuͤr;
Sie ſind Kleinodien bey den begluͤckten Reichen/
Der Throne Morgenroͤth und aller Zepter Zier.
Hingegen ſind ſie auch ein Gauckelſpiel der Zeiten/
Ein Ziel worauf das Gluͤck die ſchaͤrffſten Augen hat:
Wenn ſie von auffen Pracht und Herꝛlichkeit begleiten/
So haͤlt inwendig Angſt und Noth die Hofeſtadt.
Und
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[44/0276] Leichen-Gedichte. Zwar wie ein freyes Volck in reinen Sitten lebte/ Und nicht ein Goͤtzen-Knecht des ſchnoͤden Goldes war/ Als ein ermuntert Geiſt nach Helden-Thaten ſtrebte/ Und ihm ſein eignes Lob ſein’ eigne Fauſt gebahr; Hat oft ein ſchlechtes Blat des Siegers Haupt bekraͤntzet; Rom theilte friſches Graß an ſtatt der Kronen aus/ Jn welchem Ehrenſchmuck ſein Buͤrger mehr geglaͤntzet/ Als der ſo Perlen ſucht itzt bey der Sonnen Hauß. Minerva hat darumb den Oelzweig ſelbſt geſetzet/ Damit ihr jaͤhrlich Feſt bekroͤnet konte ſeyn; Die Eiche Jupiter zu Kronen werth geſchaͤtzet. Jm gruͤnen Myrtenſchmuck ſtellt ſich die Venus ein. Der Heyden Prieſter ward belaubt mit Blum und Blaͤttern/ Und ihm das Opffer Vieh in Kraͤntzen zugefuͤhrt/ Und wenn die Kaͤyſer ſelbſt ſich wolten recht vergoͤttern/ Hat ihr geweyhtes Haupt der Lorbeer-ſtrauß geziert. Der Zeiten Unſchuld blieb in ſolchen guten Schrancken/ Biß daß die Uppigkeit die Oberhand gewan: Dann fieng der Vaͤter Witz und Tugend an zukrancken/ Als ein gantz Morgenland zu Kleidern Seide ſpan. Auguſtus ließ zu erſt die goldnen Kronen blicken/ Und ſeine Herꝛlichkeit im hoͤchſten Purpur ſehn Drauf hat was Oſt und Weſt von Steinen koͤnnen ſchicken/ Deß Phrygers kluge Hand auf Kronen muͤſſen nehn. Biß der Tyrannen Stoltz und Hochmuth ſo geſtiegen/ Daß ihre Scheitel ſtets von Demant traͤchtig ſtand/ Daß Strahlen umb ihr Haupt wie Sonnen muſten fliegen/ Und dieſe Raſerey verzehrt ein gantzes Land. Es war das Capitol ein Schauplatz ſolcher Schaͤtze/ So von dem Kronen-Gold verſchwendriſch beygelegt/ Biß daß Veſpaſian entweyhte die Geſetze/ Und hat das Heiligthum durch Muͤntzen umbgepraͤgt. Zwar Kronen bleiben noch der Majeſtaͤten Zeichen/ Und Spiegel/ welche recht die Hoheit ſtellen fuͤr; Sie ſind Kleinodien bey den begluͤckten Reichen/ Der Throne Morgenroͤth und aller Zepter Zier. Hingegen ſind ſie auch ein Gauckelſpiel der Zeiten/ Ein Ziel worauf das Gluͤck die ſchaͤrffſten Augen hat: Wenn ſie von auffen Pracht und Herꝛlichkeit begleiten/ So haͤlt inwendig Angſt und Noth die Hofeſtadt. Und

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/276>, abgerufen am 22.11.2024.