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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Und solt' er seinen Schatz nicht also können weiden
Der selbst mit Himmels-Kost Erlauchte Häupter nehrt.
Drumb ward der Seeligen ein so vergnügt Abscheiden
Als wie dem Simeon im Tempel einst gewehrt.
Der Kranckheit Schmertzen hat nie die Gedult ermüdet
Sie war Amazonin in Unglück und Gefahr/
Sie übt' ihr Christenthum so sittsam und befriedet/
Daß wie die Sonne stets ihr Lebens-Wandel klar.
Nichts was nur eitel heist und irrdisch ist zu nennen
Hat den ergebnen Sinn vom Himmel abgewand/
Sie ließ ihr reines Oel in wahrer Andacht brennen/
Und hat den Armen frey geboten ihre Hand.
Die Cedern hoher Ehr/ der Palmen Liebes-Zweige/
Der Oelbaum sanffter Ruh/ der Mandelbaum der Treu
Erfreuten zwar ihr Hertz/ doch blieb es stets ein Zeuge
Daß ihr Vergnügen nur ein Baum des Lebens sey;
Der hieß ihr Heyland selbst/ so das verlohrne Leben/
Das nach dem Apffelbieß verfallen/ wiederbracht.
Es mag Malabar sonst sein Engelsüß erheben
Der Stamm ist bloß allein der Menschen seelig macht.
Der Stock entwirfft sein Creutz/ sein Wort die heilgen Blätter/
Als wie der graue Mund der Kirchen hat gelehrt/
Die Sacramenta sind die Früchte/ so kein Wetter
Noch einge Wechselung der Zeiten ie zerstört.
Man kan ja Mexico den Lebens-Baum verstatten/
Der einen dürren Reiß am nechsten ähnlich sieht/
Und dessen Frucht und Blüth bezeichnen nur die Schatten
Jn welchem sonderlich der Menschen Elend blüht.
Nein/ dieser Lebens-Baum/ den CHristus uns vorstellet
Macht alle Blumen bleich/ sticht alle Pflantzen weg.
Ach seelig' wer sich stets zu diesem Stock gesellet/
Dem wird die Ewigkeit im Sterben auch seyn Zweg.
Hochwürdiger/ daß zwar sein Hertz im Blute schwimmet
Weil seiner Seelen Trost und Augen-Lust entweicht/
Trifft ein mit der Natur/ doch was schon GOtt bestimmet
Das ist ein solch Befehl/ dem keine Satzung gleicht.
Die Tugend läst sie nicht in seinem Hertzen sterben/
Es baut ihr Treu und Pflicht noch täglich ein Altar/
Hier kan sie Ehr und Ruhm/ und dort den Himmel erben/
Welch ein beglückter Sarg! welch eine schöne Bahr!
Redli-
Leichen-Gedichte.
Und ſolt’ er ſeinen Schatz nicht alſo koͤnnen weiden
Der ſelbſt mit Himmels-Koſt Erlauchte Haͤupter nehrt.
Drumb ward der Seeligen ein ſo vergnuͤgt Abſcheiden
Als wie dem Simeon im Tempel einſt gewehrt.
Der Kranckheit Schmertzen hat nie die Gedult ermuͤdet
Sie war Amazonin in Ungluͤck und Gefahr/
Sie uͤbt’ ihr Chriſtenthum ſo ſittſam und befriedet/
Daß wie die Sonne ſtets ihr Lebens-Wandel klar.
Nichts was nur eitel heiſt und irrdiſch iſt zu nennen
Hat den ergebnen Sinn vom Himmel abgewand/
Sie ließ ihr reines Oel in wahrer Andacht brennen/
Und hat den Armen frey geboten ihre Hand.
Die Cedern hoher Ehr/ der Palmen Liebes-Zweige/
Der Oelbaum ſanffter Ruh/ der Mandelbaum der Treu
Erfreuten zwar ihr Hertz/ doch blieb es ſtets ein Zeuge
Daß ihr Vergnuͤgen nur ein Baum des Lebens ſey;
Der hieß ihr Heyland ſelbſt/ ſo das verlohrne Leben/
Das nach dem Apffelbieß verfallen/ wiederbracht.
Es mag Malabar ſonſt ſein Engelſuͤß erheben
Der Stamm iſt bloß allein der Menſchen ſeelig macht.
Der Stock entwirfft ſein Creutz/ ſein Wort die heilgen Blaͤtter/
Als wie der graue Mund der Kirchen hat gelehrt/
Die Sacramenta ſind die Fruͤchte/ ſo kein Wetter
Noch einge Wechſelung der Zeiten ie zerſtoͤrt.
Man kan ja Mexico den Lebens-Baum verſtatten/
Der einen duͤrren Reiß am nechſten aͤhnlich ſieht/
Und deſſen Frucht und Bluͤth bezeichnen nur die Schatten
Jn welchem ſonderlich der Menſchen Elend bluͤht.
Nein/ dieſer Lebens-Baum/ den CHriſtus uns vorſtellet
Macht alle Blumen bleich/ ſticht alle Pflantzen weg.
Ach ſeelig’ wer ſich ſtets zu dieſem Stock geſellet/
Dem wird die Ewigkeit im Sterben auch ſeyn Zweg.
Hochwuͤrdiger/ daß zwar ſein Hertz im Blute ſchwimmet
Weil ſeiner Seelen Troſt und Augen-Luſt entweicht/
Trifft ein mit der Natur/ doch was ſchon GOtt beſtimmet
Das iſt ein ſolch Befehl/ dem keine Satzung gleicht.
Die Tugend laͤſt ſie nicht in ſeinem Hertzen ſterben/
Es baut ihr Treu und Pflicht noch taͤglich ein Altar/
Hier kan ſie Ehr und Ruhm/ und dort den Himmel erben/
Welch ein begluͤckter Sarg! welch eine ſchoͤne Bahr!
Redli-
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[114/0346] Leichen-Gedichte. Und ſolt’ er ſeinen Schatz nicht alſo koͤnnen weiden Der ſelbſt mit Himmels-Koſt Erlauchte Haͤupter nehrt. Drumb ward der Seeligen ein ſo vergnuͤgt Abſcheiden Als wie dem Simeon im Tempel einſt gewehrt. Der Kranckheit Schmertzen hat nie die Gedult ermuͤdet Sie war Amazonin in Ungluͤck und Gefahr/ Sie uͤbt’ ihr Chriſtenthum ſo ſittſam und befriedet/ Daß wie die Sonne ſtets ihr Lebens-Wandel klar. Nichts was nur eitel heiſt und irrdiſch iſt zu nennen Hat den ergebnen Sinn vom Himmel abgewand/ Sie ließ ihr reines Oel in wahrer Andacht brennen/ Und hat den Armen frey geboten ihre Hand. Die Cedern hoher Ehr/ der Palmen Liebes-Zweige/ Der Oelbaum ſanffter Ruh/ der Mandelbaum der Treu Erfreuten zwar ihr Hertz/ doch blieb es ſtets ein Zeuge Daß ihr Vergnuͤgen nur ein Baum des Lebens ſey; Der hieß ihr Heyland ſelbſt/ ſo das verlohrne Leben/ Das nach dem Apffelbieß verfallen/ wiederbracht. Es mag Malabar ſonſt ſein Engelſuͤß erheben Der Stamm iſt bloß allein der Menſchen ſeelig macht. Der Stock entwirfft ſein Creutz/ ſein Wort die heilgen Blaͤtter/ Als wie der graue Mund der Kirchen hat gelehrt/ Die Sacramenta ſind die Fruͤchte/ ſo kein Wetter Noch einge Wechſelung der Zeiten ie zerſtoͤrt. Man kan ja Mexico den Lebens-Baum verſtatten/ Der einen duͤrren Reiß am nechſten aͤhnlich ſieht/ Und deſſen Frucht und Bluͤth bezeichnen nur die Schatten Jn welchem ſonderlich der Menſchen Elend bluͤht. Nein/ dieſer Lebens-Baum/ den CHriſtus uns vorſtellet Macht alle Blumen bleich/ ſticht alle Pflantzen weg. Ach ſeelig’ wer ſich ſtets zu dieſem Stock geſellet/ Dem wird die Ewigkeit im Sterben auch ſeyn Zweg. Hochwuͤrdiger/ daß zwar ſein Hertz im Blute ſchwimmet Weil ſeiner Seelen Troſt und Augen-Luſt entweicht/ Trifft ein mit der Natur/ doch was ſchon GOtt beſtimmet Das iſt ein ſolch Befehl/ dem keine Satzung gleicht. Die Tugend laͤſt ſie nicht in ſeinem Hertzen ſterben/ Es baut ihr Treu und Pflicht noch taͤglich ein Altar/ Hier kan ſie Ehr und Ruhm/ und dort den Himmel erben/ Welch ein begluͤckter Sarg! welch eine ſchoͤne Bahr! Redli-

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/346>, abgerufen am 23.11.2024.