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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Redlicher Bürger
Bey Absterben Hn. St. Z. abgebildet den 27.
Julii 1672.
WJr scharren/ Seeliger/ mit dir auch in die Erde/
Ein Stück der Deutsche Treu/ und Alten Redligkeit;
Und eh' ich selber noch zu Staub und Asche werde/
So sey zum Nachruhm dir der schlechte Reim ge-
weyht.

Jch wildein ruhig Grab mit Worten nicht beschweren/
So eintzig angefüllt mit Zierligkeit und Pracht:
Doch wird der blasse Neid der Feder nicht verwehren/
Daß bey der Nachwelt dir sie noch ein Denckmal macht.
Und ob dich zwar geraubt der grimme Menschen-Würger/
Und diß/ was Jrrdisch war uns aus den Augen geht/
So bleibst du doch allhier/ ein Spiegel/ Werther Bürger/
Der noch gemeiner Stadt stets für Gesichte steht.
Der Erden Herrscherin/ Rom/ hielt es nicht geringe/
Wer diesen Titel hat durch seine Gunst geführt/
Und der Gelehrten Schaar bejahte schlechter Dinge/
Daß diß Vernünfftigen und Weisen nur gebührt.
Wie mühsam waren nicht die hocherfahrnen Grichen/
Von erster Jugend auff die Kinder so zu ziehn/
Daß sie zu keiner Zeit von den Gesetzen wichen/
Wordurch das Vaterland im Segen konte blühn.
Ob zwar der grosse GOtt den Unterscheid der Stände/
Nach seiner Weißheit Schluß hat heilsam ausgesetzt/
So lehrt doch die Natur/ zu welchem Ziel und Ende/
Vor andern sie den Mensch offt würdig hat geschätzt.
Jedwede Sterbliche sind nicht zu Kronen tüchtig/
Und allen steh't auch nicht der Pflug und Acker an:
Doch bleibt gemeines Heil auff seinem Grunde richtig/
Wenn jeder nur sein Ampt nach Pflicht verwalten kan.
Denn/ sollen Reich und Land/ und Städt' und Dörffer bleiben/
So muß der Niedrigste zugleich dem Hohen seyn/
Und wer sich zu Athen wolt' einen Bürger schreiben/
Der gieng den andern vor mit seiner Tugend Schein.
Jch wil den Socrates nicht auff den Schau-Platz führen/
Und was der Phocion zum Beyspiel hat gethan.
Kurtz:
H h h 2
Leichen-Gedichte.
Redlicher Buͤrger
Bey Abſterben Hn. St. Z. abgebildet den 27.
Julii 1672.
WJr ſcharren/ Seeliger/ mit dir auch in die Erde/
Ein Stuͤck der Deutſchē Treu/ und Alten Redligkeit;
Und eh’ ich ſelber noch zu Staub und Aſche werde/
So ſey zum Nachruhm dir der ſchlechte Reim ge-
weyht.

Jch wildein ruhig Grab mit Worten nicht beſchweren/
So eintzig angefuͤllt mit Zierligkeit und Pracht:
Doch wird der blaſſe Neid der Feder nicht verwehren/
Daß bey der Nachwelt dir ſie noch ein Denckmal macht.
Und ob dich zwar geraubt der grimme Menſchen-Wuͤrger/
Und diß/ was Jrrdiſch war uns aus den Augen geht/
So bleibſt du doch allhier/ ein Spiegel/ Werther Buͤrger/
Der noch gemeiner Stadt ſtets fuͤr Geſichte ſteht.
Der Erden Herrſcherin/ Rom/ hielt es nicht geringe/
Wer dieſen Titel hat durch ſeine Gunſt gefuͤhrt/
Und der Gelehrten Schaar bejahte ſchlechter Dinge/
Daß diß Vernuͤnfftigen und Weiſen nur gebuͤhrt.
Wie muͤhſam waren nicht die hocherfahrnen Grichen/
Von erſter Jugend auff die Kinder ſo zu ziehn/
Daß ſie zu keiner Zeit von den Geſetzen wichen/
Wordurch das Vaterland im Segen konte bluͤhn.
Ob zwar der groſſe GOtt den Unterſcheid der Staͤnde/
Nach ſeiner Weißheit Schluß hat heilſam ausgeſetzt/
So lehrt doch die Natur/ zu welchem Ziel und Ende/
Vor andern ſie den Menſch offt wuͤrdig hat geſchaͤtzt.
Jedwede Sterbliche ſind nicht zu Kronen tuͤchtig/
Und allen ſteh’t auch nicht der Pflug und Acker an:
Doch bleibt gemeines Heil auff ſeinem Grunde richtig/
Wenn jeder nur ſein Ampt nach Pflicht verwalten kan.
Denn/ ſollen Reich und Land/ und Staͤdt’ und Doͤrffer bleiben/
So muß der Niedrigſte zugleich dem Hohen ſeyn/
Und wer ſich zu Athen wolt’ einen Buͤrger ſchreiben/
Der gieng den andern vor mit ſeiner Tugend Schein.
Jch wil den Socrates nicht auff den Schau-Platz fuͤhren/
Und was der Phocion zum Beyſpiel hat gethan.
Kurtz:
H h h 2
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[115/0347] Leichen-Gedichte. Redlicher Buͤrger Bey Abſterben Hn. St. Z. abgebildet den 27. Julii 1672. WJr ſcharren/ Seeliger/ mit dir auch in die Erde/ Ein Stuͤck der Deutſchē Treu/ und Alten Redligkeit; Und eh’ ich ſelber noch zu Staub und Aſche werde/ So ſey zum Nachruhm dir der ſchlechte Reim ge- weyht. Jch wildein ruhig Grab mit Worten nicht beſchweren/ So eintzig angefuͤllt mit Zierligkeit und Pracht: Doch wird der blaſſe Neid der Feder nicht verwehren/ Daß bey der Nachwelt dir ſie noch ein Denckmal macht. Und ob dich zwar geraubt der grimme Menſchen-Wuͤrger/ Und diß/ was Jrrdiſch war uns aus den Augen geht/ So bleibſt du doch allhier/ ein Spiegel/ Werther Buͤrger/ Der noch gemeiner Stadt ſtets fuͤr Geſichte ſteht. Der Erden Herrſcherin/ Rom/ hielt es nicht geringe/ Wer dieſen Titel hat durch ſeine Gunſt gefuͤhrt/ Und der Gelehrten Schaar bejahte ſchlechter Dinge/ Daß diß Vernuͤnfftigen und Weiſen nur gebuͤhrt. Wie muͤhſam waren nicht die hocherfahrnen Grichen/ Von erſter Jugend auff die Kinder ſo zu ziehn/ Daß ſie zu keiner Zeit von den Geſetzen wichen/ Wordurch das Vaterland im Segen konte bluͤhn. Ob zwar der groſſe GOtt den Unterſcheid der Staͤnde/ Nach ſeiner Weißheit Schluß hat heilſam ausgeſetzt/ So lehrt doch die Natur/ zu welchem Ziel und Ende/ Vor andern ſie den Menſch offt wuͤrdig hat geſchaͤtzt. Jedwede Sterbliche ſind nicht zu Kronen tuͤchtig/ Und allen ſteh’t auch nicht der Pflug und Acker an: Doch bleibt gemeines Heil auff ſeinem Grunde richtig/ Wenn jeder nur ſein Ampt nach Pflicht verwalten kan. Denn/ ſollen Reich und Land/ und Staͤdt’ und Doͤrffer bleiben/ So muß der Niedrigſte zugleich dem Hohen ſeyn/ Und wer ſich zu Athen wolt’ einen Buͤrger ſchreiben/ Der gieng den andern vor mit ſeiner Tugend Schein. Jch wil den Socrates nicht auff den Schau-Platz fuͤhren/ Und was der Phocion zum Beyſpiel hat gethan. Kurtz: H h h 2

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/347>, abgerufen am 23.11.2024.