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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Stephani Worte:
Jch sehe den Himmel offen/
Bey Beerdigung Hn. S. S. d. R. den 26.

Decembr. 1674.
JEtzt seh' ich höchst erfreut die Schos des Himmels
offen/

Und gehe durch mein Grab zu jenem grossen Licht!
O Gnadenreiche Zeit! o seeligstes Verhoffen!
Jetzt kan ich erst recht sehn nun mir mein Auge bricht.
Nun kalter Todes-Schweiß auff meinen Gliedern klebet/
So brennt mein Hertze mehr die Glaubens-Fackel an.
Ob die verzehrte Lung' auch kaum mehr Athem hebet/
Führt mich doch GOttes Geist auf einer guten Bahn.
Verlangte Finsternüß du kanst mich nicht erschrecken/
Jhr Schatten voller Heil/ nehmt hin die Hand-voll Staub/
Der Stern ist gar nicht schwer so meinen Leib sol decken/
Jst noch was Fleisch an mir das sey der Wür mer Raub.
Hier wil ich gantz nicht weg. Aus dieser engen Höle
Hoff' ich ins weite Reich des Himmels einzugehn.
Den Vorschmack hat schon längst empfunden meine Seele/
Wenn sehnlich sie gewünscht für GOttes Stuhl zu stehn.
Jsts möglich daß so scharff die Sterbenden noch sehen?
Ja/ Glaubens-Augen sind in letzten Zügen klar.
Versichert Sterbliche/ daß mein unendlich flehen
Nach einem sanfften Tod vor vielen Jahren war.
Jch konte mich so sehr nicht in die Welt vergaffen/
Daß ich das ewige geschlagen in den Wind/
Jch wuste schon den Lohn/ den sie pflegt zu verschaffen/
Daß Diener ihrer Pracht verblendte Thoren sind.
Und freilich sehen wir den Schau-Platz dieser Erden
Mit blödem Angesicht und tuncklen Augen an.
Sind Gauckler nach der Zeit/ verstellen die Geberden/
Und leben andrer Sinn und Meynung unterthan.
Das allerthörichste ist daß wir diß nicht achten/
Was uns zum Untergang den ersten Fallstrick legt;
Nach Hoheit/ Ehre/ Stand/ und solchen Gütern trachten/
Auff die die Eitelkeit ihr Bildnüß doch gepregt.
Wir
Leichen-Gedichte.
Stephani Worte:
Jch ſehe den Himmel offen/
Bey Beerdigung Hn. S. S. d. R. den 26.

Decembr. 1674.
JEtzt ſeh’ ich hoͤchſt erfreut die Schos des Himmels
offen/

Und gehe durch mein Grab zu jenem groſſen Licht!
O Gnadenreiche Zeit! o ſeeligſtes Verhoffen!
Jetzt kan ich erſt recht ſehn nun mir mein Auge bricht.
Nun kalter Todes-Schweiß auff meinen Gliedern klebet/
So brennt mein Hertze mehr die Glaubens-Fackel an.
Ob die verzehrte Lung’ auch kaum mehr Athem hebet/
Fuͤhrt mich doch GOttes Geiſt auf einer guten Bahn.
Verlangte Finſternuͤß du kanſt mich nicht erſchrecken/
Jhr Schatten voller Heil/ nehmt hin die Hand-voll Staub/
Der Stern iſt gar nicht ſchwer ſo meinen Leib ſol decken/
Jſt noch was Fleiſch an mir das ſey der Wuͤr mer Raub.
Hier wil ich gantz nicht weg. Aus dieſer engen Hoͤle
Hoff’ ich ins weite Reich des Himmels einzugehn.
Den Vorſchmack hat ſchon laͤngſt empfunden meine Seele/
Wenn ſehnlich ſie gewuͤnſcht fuͤr GOttes Stuhl zu ſtehn.
Jſts moͤglich daß ſo ſcharff die Sterbenden noch ſehen?
Ja/ Glaubens-Augen ſind in letzten Zuͤgen klar.
Verſichert Sterbliche/ daß mein unendlich flehen
Nach einem ſanfften Tod vor vielen Jahren war.
Jch konte mich ſo ſehr nicht in die Welt vergaffen/
Daß ich das ewige geſchlagen in den Wind/
Jch wuſte ſchon den Lohn/ den ſie pflegt zu verſchaffen/
Daß Diener ihrer Pracht verblendte Thoren ſind.
Und freilich ſehen wir den Schau-Platz dieſer Erden
Mit bloͤdem Angeſicht und tuncklen Augen an.
Sind Gauckler nach der Zeit/ verſtellen die Geberden/
Und leben andrer Sinn und Meynung unterthan.
Das allerthoͤrichſte iſt daß wir diß nicht achten/
Was uns zum Untergang den erſten Fallſtrick legt;
Nach Hoheit/ Ehre/ Stand/ und ſolchen Guͤtern trachten/
Auff die die Eitelkeit ihr Bildnuͤß doch gepregt.
Wir
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[198/0430] Leichen-Gedichte. Stephani Worte: Jch ſehe den Himmel offen/ Bey Beerdigung Hn. S. S. d. R. den 26. Decembr. 1674. JEtzt ſeh’ ich hoͤchſt erfreut die Schos des Himmels offen/ Und gehe durch mein Grab zu jenem groſſen Licht! O Gnadenreiche Zeit! o ſeeligſtes Verhoffen! Jetzt kan ich erſt recht ſehn nun mir mein Auge bricht. Nun kalter Todes-Schweiß auff meinen Gliedern klebet/ So brennt mein Hertze mehr die Glaubens-Fackel an. Ob die verzehrte Lung’ auch kaum mehr Athem hebet/ Fuͤhrt mich doch GOttes Geiſt auf einer guten Bahn. Verlangte Finſternuͤß du kanſt mich nicht erſchrecken/ Jhr Schatten voller Heil/ nehmt hin die Hand-voll Staub/ Der Stern iſt gar nicht ſchwer ſo meinen Leib ſol decken/ Jſt noch was Fleiſch an mir das ſey der Wuͤr mer Raub. Hier wil ich gantz nicht weg. Aus dieſer engen Hoͤle Hoff’ ich ins weite Reich des Himmels einzugehn. Den Vorſchmack hat ſchon laͤngſt empfunden meine Seele/ Wenn ſehnlich ſie gewuͤnſcht fuͤr GOttes Stuhl zu ſtehn. Jſts moͤglich daß ſo ſcharff die Sterbenden noch ſehen? Ja/ Glaubens-Augen ſind in letzten Zuͤgen klar. Verſichert Sterbliche/ daß mein unendlich flehen Nach einem ſanfften Tod vor vielen Jahren war. Jch konte mich ſo ſehr nicht in die Welt vergaffen/ Daß ich das ewige geſchlagen in den Wind/ Jch wuſte ſchon den Lohn/ den ſie pflegt zu verſchaffen/ Daß Diener ihrer Pracht verblendte Thoren ſind. Und freilich ſehen wir den Schau-Platz dieſer Erden Mit bloͤdem Angeſicht und tuncklen Augen an. Sind Gauckler nach der Zeit/ verſtellen die Geberden/ Und leben andrer Sinn und Meynung unterthan. Das allerthoͤrichſte iſt daß wir diß nicht achten/ Was uns zum Untergang den erſten Fallſtrick legt; Nach Hoheit/ Ehre/ Stand/ und ſolchen Guͤtern trachten/ Auff die die Eitelkeit ihr Bildnuͤß doch gepregt. Wir

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/430>, abgerufen am 24.11.2024.