Wenn nun also Personen und Sachen beyde als ökono- mische Werthe sich in einander gewoben, und durch einander verbürgt haben, so entsteht die Fülle, die Ganzheit, der dauerhafte und vollständige Mensch, wornach alle Einzelnen gestrebt haben. Alle müssen zusammen treten, zusammen wir- ken, sich zusammen verpflichten, damit er für jeden Einzelnen wirklich werde. Dieser vollständige Mensch, an dem sich alle Einzelnen erheben, durch den sich alle Einzelne vervollständi- gen, ist der Staat, ist dasjenige, was wir oben unter dem Bilde des Vaterhauses dargestellt. So wäre nun die Vorstel- lung von einem vollständigen und unvergänglichen Menschen, welche die Seele mit sich umher trug, realisirt. Aber wie kann man dieses Wesen, welches immer außerhalb des Men- schen bleibt, und das er sich nie vollständig anzueignen ver- mag, eine Verwirklichung seines Ideals nennen? Ich antworte: alles was der Mensch sich aneignet, ist nur in so fern sein eigen, als er selbst dafür Verpflichtungen eingegangen, als er durch Verpflichtungen gegen Personen sein Eigenthum selbstthä- tig verbürgt hat. Der Staat, diese größte unter allen Sachen und zugleich diese größte unter allen Personen, ist als Sache in so fern wirklich sein eigen, als er sich ihm in seiner persönli- chen Qualität persönlich und selbstthätig verpflichtet hat. Der andere Zweck der Nationalökonomie ist dem- nach, da der Staat unaufhörlich die ökonomi- sche Existenz des Einzelnen garantirt, in wie fern der Einzelne für die ökonomische Erhaltung des Ganzen lebt, die Belebung des Verhältnis- ses der Personen und Sachen zum Staate.
Wenn nun alſo Perſonen und Sachen beyde als oͤkono- miſche Werthe ſich in einander gewoben, und durch einander verbuͤrgt haben, ſo entſteht die Fuͤlle, die Ganzheit, der dauerhafte und vollſtaͤndige Menſch, wornach alle Einzelnen geſtrebt haben. Alle muͤſſen zuſammen treten, zuſammen wir- ken, ſich zuſammen verpflichten, damit er fuͤr jeden Einzelnen wirklich werde. Dieſer vollſtaͤndige Menſch, an dem ſich alle Einzelnen erheben, durch den ſich alle Einzelne vervollſtaͤndi- gen, iſt der Staat, iſt dasjenige, was wir oben unter dem Bilde des Vaterhauſes dargeſtellt. So waͤre nun die Vorſtel- lung von einem vollſtaͤndigen und unvergaͤnglichen Menſchen, welche die Seele mit ſich umher trug, realiſirt. Aber wie kann man dieſes Weſen, welches immer außerhalb des Men- ſchen bleibt, und das er ſich nie vollſtaͤndig anzueignen ver- mag, eine Verwirklichung ſeines Ideals nennen? Ich antworte: alles was der Menſch ſich aneignet, iſt nur in ſo fern ſein eigen, als er ſelbſt dafuͤr Verpflichtungen eingegangen, als er durch Verpflichtungen gegen Perſonen ſein Eigenthum ſelbſtthaͤ- tig verbuͤrgt hat. Der Staat, dieſe groͤßte unter allen Sachen und zugleich dieſe groͤßte unter allen Perſonen, iſt als Sache in ſo fern wirklich ſein eigen, als er ſich ihm in ſeiner perſoͤnli- chen Qualitaͤt perſoͤnlich und ſelbſtthaͤtig verpflichtet hat. Der andere Zweck der Nationaloͤkonomie iſt dem- nach, da der Staat unaufhoͤrlich die oͤkonomi- ſche Exiſtenz des Einzelnen garantirt, in wie fern der Einzelne fuͤr die oͤkonomiſche Erhaltung des Ganzen lebt, die Belebung des Verhaͤltniſ- ſes der Perſonen und Sachen zum Staate.
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Wenn nun alſo Perſonen und Sachen beyde als oͤkono-
miſche Werthe ſich in einander gewoben, und durch einander
verbuͤrgt haben, ſo entſteht die Fuͤlle, die Ganzheit, der
dauerhafte und vollſtaͤndige Menſch, wornach alle Einzelnen
geſtrebt haben. Alle muͤſſen zuſammen treten, zuſammen wir-
ken, ſich zuſammen verpflichten, damit er fuͤr jeden Einzelnen
wirklich werde. Dieſer vollſtaͤndige Menſch, an dem ſich alle
Einzelnen erheben, durch den ſich alle Einzelne vervollſtaͤndi-
gen, iſt der Staat, iſt dasjenige, was wir oben unter dem
Bilde des Vaterhauſes dargeſtellt. So waͤre nun die Vorſtel-
lung von einem vollſtaͤndigen und unvergaͤnglichen Menſchen,
welche die Seele mit ſich umher trug, realiſirt. Aber wie
kann man dieſes Weſen, welches immer außerhalb des Men-
ſchen bleibt, und das er ſich nie vollſtaͤndig anzueignen ver-
mag, eine Verwirklichung ſeines Ideals nennen? Ich antworte:
alles was der Menſch ſich aneignet, iſt nur in ſo fern ſein
eigen, als er ſelbſt dafuͤr Verpflichtungen eingegangen, als er
durch Verpflichtungen gegen Perſonen ſein Eigenthum ſelbſtthaͤ-
tig verbuͤrgt hat. Der Staat, dieſe groͤßte unter allen Sachen
und zugleich dieſe groͤßte unter allen Perſonen, iſt als Sache in
ſo fern wirklich ſein eigen, als er ſich ihm in ſeiner perſoͤnli-
chen Qualitaͤt perſoͤnlich und ſelbſtthaͤtig verpflichtet hat. Der
andere Zweck der Nationaloͤkonomie iſt dem-
nach, da der Staat unaufhoͤrlich die oͤkonomi-
ſche Exiſtenz des Einzelnen garantirt, in wie
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des Ganzen lebt, die Belebung des Verhaͤltniſ-
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/34>, abgerufen am 03.12.2024.
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