ausgezeichneter Männer von der andern zu erklä- ren, da man einsieht, daß Nationen nur größre Individuen sind, deren Charakter, von einer hö- hern Natur von Anfang an bestimmt, durch die Erziehung der Weltgeschichte entwickelt wird, nach Gesetzen, die eben so weit über dem Causalnex der einzelnen Momente als über der subjektiven Frei- heit der Individuen stehn. Auch herrscht die letz- tre Ansicht jetzt schon in den tiefern Studien der Griechischen Geschichte vor, und hat uns das bald in Gegensätzen sich entzweiende und wieder verei- nigende, bald in organischer Metamorphose neue Gestalt gewinnende Leben der Hellenen in vielfa- cher Hinsicht mit größerer Klarheit erkennen lassen; welche Stelle aber in demselben die Stämme ein- nehmen, wie in ihnen die Hellenische Nationalität bis auf die tiefste Wurzel sich spaltet und ver- zweigt, daher sie in jeder Richtung des geistigen Lebens auseinandertreten, und erst vereint den vollen Begriff des Griechenthums geben, haben geistreiche Männer schon einigemal nachzuweisen gesucht, mit einer unverabredeten Uebereinstim- mung, der nur wenige Unzusammenhängendes re- dende Stimmen widersprachen. Auch hat man wohl schon den Gesammtbegriff des Hellenismus aus denen der einzelnen Stämme, und die letztern als nothwendig in jenem enthalten andeutungs- weise zu construiren unternommen; Bemühungen, die ich nicht zu tadeln wage, obgleich nur gar zu
ausgezeichneter Maͤnner von der andern zu erklaͤ- ren, da man einſieht, daß Nationen nur groͤßre Individuen ſind, deren Charakter, von einer hoͤ- hern Natur von Anfang an beſtimmt, durch die Erziehung der Weltgeſchichte entwickelt wird, nach Geſetzen, die eben ſo weit uͤber dem Cauſalnex der einzelnen Momente als uͤber der ſubjektiven Frei- heit der Individuen ſtehn. Auch herrſcht die letz- tre Anſicht jetzt ſchon in den tiefern Studien der Griechiſchen Geſchichte vor, und hat uns das bald in Gegenſaͤtzen ſich entzweiende und wieder verei- nigende, bald in organiſcher Metamorphoſe neue Geſtalt gewinnende Leben der Hellenen in vielfa- cher Hinſicht mit groͤßerer Klarheit erkennen laſſen; welche Stelle aber in demſelben die Staͤmme ein- nehmen, wie in ihnen die Helleniſche Nationalitaͤt bis auf die tiefſte Wurzel ſich ſpaltet und ver- zweigt, daher ſie in jeder Richtung des geiſtigen Lebens auseinandertreten, und erſt vereint den vollen Begriff des Griechenthums geben, haben geiſtreiche Maͤnner ſchon einigemal nachzuweiſen geſucht, mit einer unverabredeten Uebereinſtim- mung, der nur wenige Unzuſammenhaͤngendes re- dende Stimmen widerſprachen. Auch hat man wohl ſchon den Geſammtbegriff des Hellenismus aus denen der einzelnen Staͤmme, und die letztern als nothwendig in jenem enthalten andeutungs- weiſe zu conſtruiren unternommen; Bemuͤhungen, die ich nicht zu tadeln wage, obgleich nur gar zu
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[VI/0012]
ausgezeichneter Maͤnner von der andern zu erklaͤ-
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Individuen ſind, deren Charakter, von einer hoͤ-
hern Natur von Anfang an beſtimmt, durch die
Erziehung der Weltgeſchichte entwickelt wird, nach
Geſetzen, die eben ſo weit uͤber dem Cauſalnex der
einzelnen Momente als uͤber der ſubjektiven Frei-
heit der Individuen ſtehn. Auch herrſcht die letz-
tre Anſicht jetzt ſchon in den tiefern Studien der
Griechiſchen Geſchichte vor, und hat uns das bald
in Gegenſaͤtzen ſich entzweiende und wieder verei-
nigende, bald in organiſcher Metamorphoſe neue
Geſtalt gewinnende Leben der Hellenen in vielfa-
cher Hinſicht mit groͤßerer Klarheit erkennen laſſen;
welche Stelle aber in demſelben die Staͤmme ein-
nehmen, wie in ihnen die Helleniſche Nationalitaͤt
bis auf die tiefſte Wurzel ſich ſpaltet und ver-
zweigt, daher ſie in jeder Richtung des geiſtigen
Lebens auseinandertreten, und erſt vereint den
vollen Begriff des Griechenthums geben, haben
geiſtreiche Maͤnner ſchon einigemal nachzuweiſen
geſucht, mit einer unverabredeten Uebereinſtim-
mung, der nur wenige Unzuſammenhaͤngendes re-
dende Stimmen widerſprachen. Auch hat man
wohl ſchon den Geſammtbegriff des Hellenismus
aus denen der einzelnen Staͤmme, und die letztern
als nothwendig in jenem enthalten andeutungs-
weiſe zu conſtruiren unternommen; Bemuͤhungen,
die ich nicht zu tadeln wage, obgleich nur gar zu
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/12>, abgerufen am 21.11.2024.
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