Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

durch dieselbe zur Herrin aller Umwohner erhoben ha-
ben. Denn erstens ist die Anlage dieser Stadt gar nicht
in der Art und Weise, wie Mykenä, Tiryns und andere
vordorische Fürstenstädte gebaut waren; die Akropolis
ist ein ziemlich niedriger und leicht zu ersteigender Hügel,
ohne Spur alter Befestigungswerke und Mauern. Dann
ist Sparta auffallend arm an Monumenten und Lokal-
erinnerungen aus den Zeiten der Pelopiden und anderer
mythischer Fürsten, so sehr auch die Spartiaten sonst an
Traditionen und Denkmalen der Art hingen. Dagegen
sind Amyklä und Therapne an solchen um desto reicher.
Amyklä, in einer sehr schönen und baumreichen Ge-
gend 1, war Sitz des Tyndareus und seines Geschlechts;
hier waren Denkmale der Cassandra und des Agamemnon,
der nach einheimischer Sage, welche Stesichoros und
Simonides aufgenommen, hier geherrscht hatte 2, da-
her
ging von hier Orestes Zug aus 3. Therapne lag
nicht weit davon. Das wohlumthürmte The-
rapne
nennt es Alkman 4; den hoch gelegenen Sitz
Therapnas Pindar 5; beide deuten dadurch eine Tiryn-
thische Anlage und Bauart an. Der letztere nennt es
als alten Hauptsitz der Achäer, unter denen die Dios-
kuren lebten; hier waren unterirdische vielleicht nach
alter Weise gewölbte Gräber des Kastor und Polydeu-
kes 6, hier auch Tempel der Brüder und der Helena
im Phöbäon und viele Reste alten symbolischen Cultus 7.

1 Polyb. 5, 19, 2.
2 Bei den Schol. Eur. Orest. 46.
Simon. Fr. 177. Gaisf.
3 Ob Karnia, wo Orest gewohnt ha-
ben und gesühnt worden sein soll, Amyklä ist in Bezug auf Kar-
neen? Schol. Soph. Kön. Oed. 40.
4 Fragm. 1. Welck.
5 Pind. J. 1, 31.
6 en gualois Therapnas Pind. N. 10, 55.
Die dokana waren nach Einigen solche Gräber.
7 S. Dissens
Commentar zu Pind. a. O. S. 471. -- vgl. über Helena zu The-
rapne Eurip. Helena 211. und Tryphiod. V. 520. Schol.

durch dieſelbe zur Herrin aller Umwohner erhoben ha-
ben. Denn erſtens iſt die Anlage dieſer Stadt gar nicht
in der Art und Weiſe, wie Mykenaͤ, Tiryns und andere
vordoriſche Fuͤrſtenſtaͤdte gebaut waren; die Akropolis
iſt ein ziemlich niedriger und leicht zu erſteigender Huͤgel,
ohne Spur alter Befeſtigungswerke und Mauern. Dann
iſt Sparta auffallend arm an Monumenten und Lokal-
erinnerungen aus den Zeiten der Pelopiden und anderer
mythiſcher Fuͤrſten, ſo ſehr auch die Spartiaten ſonſt an
Traditionen und Denkmalen der Art hingen. Dagegen
ſind Amyklaͤ und Therapne an ſolchen um deſto reicher.
Amyklaͤ, in einer ſehr ſchoͤnen und baumreichen Ge-
gend 1, war Sitz des Tyndareus und ſeines Geſchlechts;
hier waren Denkmale der Caſſandra und des Agamemnon,
der nach einheimiſcher Sage, welche Steſichoros und
Simonides aufgenommen, hier geherrſcht hatte 2, da-
her
ging von hier Oreſtes Zug aus 3. Therapne lag
nicht weit davon. Das wohlumthuͤrmte The-
rapne
nennt es Alkman 4; den hoch gelegenen Sitz
Therapnas Pindar 5; beide deuten dadurch eine Tiryn-
thiſche Anlage und Bauart an. Der letztere nennt es
als alten Hauptſitz der Achaͤer, unter denen die Dios-
kuren lebten; hier waren unterirdiſche vielleicht nach
alter Weiſe gewoͤlbte Graͤber des Kaſtor und Polydeu-
kes 6, hier auch Tempel der Bruͤder und der Helena
im Phoͤbaͤon und viele Reſte alten ſymboliſchen Cultus 7.

1 Polyb. 5, 19, 2.
2 Bei den Schol. Eur. Oreſt. 46.
Simon. Fr. 177. Gaisf.
3 Ob Karnia, wo Oreſt gewohnt ha-
ben und geſuͤhnt worden ſein ſoll, Amyklaͤ iſt in Bezug auf Kar-
neen? Schol. Soph. Koͤn. Oed. 40.
4 Fragm. 1. Welck.
5 Pind. J. 1, 31.
6 ἐν γυάλοις Θεϱάπνας Pind. N. 10, 55.
Die δόκανα waren nach Einigen ſolche Graͤber.
7 S. Diſſens
Commentar zu Pind. a. O. S. 471. — vgl. uͤber Helena zu The-
rapne Eurip. Helena 211. und Tryphiod. V. 520. Schol.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0122" n="92"/>
durch die&#x017F;elbe zur Herrin aller Umwohner erhoben ha-<lb/>
ben. Denn er&#x017F;tens i&#x017F;t die Anlage die&#x017F;er Stadt gar nicht<lb/>
in der Art und Wei&#x017F;e, wie Mykena&#x0364;, Tiryns und andere<lb/>
vordori&#x017F;che Fu&#x0364;r&#x017F;ten&#x017F;ta&#x0364;dte gebaut waren; die Akropolis<lb/>
i&#x017F;t ein ziemlich niedriger und leicht zu er&#x017F;teigender Hu&#x0364;gel,<lb/>
ohne Spur alter Befe&#x017F;tigungswerke und Mauern. Dann<lb/>
i&#x017F;t Sparta auffallend arm an Monumenten und Lokal-<lb/>
erinnerungen aus den Zeiten der Pelopiden und anderer<lb/>
mythi&#x017F;cher Fu&#x0364;r&#x017F;ten, &#x017F;o &#x017F;ehr auch die Spartiaten &#x017F;on&#x017F;t an<lb/>
Traditionen und Denkmalen der Art hingen. Dagegen<lb/>
&#x017F;ind Amykla&#x0364; und Therapne an &#x017F;olchen um de&#x017F;to reicher.<lb/><hi rendition="#g">Amykla&#x0364;</hi>, in einer &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;nen und baumreichen Ge-<lb/>
gend <note place="foot" n="1">Polyb. 5, 19, 2.</note>, war Sitz des Tyndareus und &#x017F;eines Ge&#x017F;chlechts;<lb/>
hier waren Denkmale der Ca&#x017F;&#x017F;andra und des Agamemnon,<lb/>
der nach einheimi&#x017F;cher Sage, welche Ste&#x017F;ichoros und<lb/>
Simonides aufgenommen, hier geherr&#x017F;cht hatte <note place="foot" n="2">Bei den Schol. Eur. Ore&#x017F;t. 46.<lb/>
Simon. Fr. 177. Gaisf.</note>, <hi rendition="#g">da-<lb/>
her</hi> ging von hier Ore&#x017F;tes Zug aus <note place="foot" n="3">Ob Karnia, wo Ore&#x017F;t gewohnt ha-<lb/>
ben und ge&#x017F;u&#x0364;hnt worden &#x017F;ein &#x017F;oll, Amykla&#x0364; i&#x017F;t in Bezug auf Kar-<lb/>
neen? Schol. Soph. Ko&#x0364;n. Oed. 40.</note>. Therapne lag<lb/>
nicht weit davon. Das <hi rendition="#g">wohlumthu&#x0364;rmte The-<lb/>
rapne</hi> nennt es Alkman <note place="foot" n="4">Fragm. 1. Welck.</note>; den hoch gelegenen Sitz<lb/>
Therapnas Pindar <note place="foot" n="5">Pind. J. 1, 31.</note>; beide deuten dadurch eine Tiryn-<lb/>
thi&#x017F;che Anlage und Bauart an. Der letztere nennt es<lb/>
als alten Haupt&#x017F;itz der Acha&#x0364;er, unter denen die Dios-<lb/>
kuren lebten; hier waren unterirdi&#x017F;che vielleicht nach<lb/>
alter Wei&#x017F;e gewo&#x0364;lbte Gra&#x0364;ber des Ka&#x017F;tor und Polydeu-<lb/>
kes <note place="foot" n="6">&#x1F10;&#x03BD; &#x03B3;&#x03C5;&#x03AC;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2; &#x0398;&#x03B5;&#x03F1;&#x03AC;&#x03C0;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C2; Pind. N. 10, 55.<lb/>
Die &#x03B4;&#x03CC;&#x03BA;&#x03B1;&#x03BD;&#x03B1; waren nach Einigen &#x017F;olche Gra&#x0364;ber.</note>, hier auch Tempel der Bru&#x0364;der und der Helena<lb/>
im Pho&#x0364;ba&#x0364;on und viele Re&#x017F;te alten &#x017F;ymboli&#x017F;chen Cultus <note xml:id="seg2pn_9_1" next="#seg2pn_9_2" place="foot" n="7">S. Di&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
Commentar zu Pind. a. O. S. 471. &#x2014; vgl. u&#x0364;ber Helena zu The-<lb/>
rapne Eurip. Helena 211. und Tryphiod. V. 520. Schol.</note>.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0122] durch dieſelbe zur Herrin aller Umwohner erhoben ha- ben. Denn erſtens iſt die Anlage dieſer Stadt gar nicht in der Art und Weiſe, wie Mykenaͤ, Tiryns und andere vordoriſche Fuͤrſtenſtaͤdte gebaut waren; die Akropolis iſt ein ziemlich niedriger und leicht zu erſteigender Huͤgel, ohne Spur alter Befeſtigungswerke und Mauern. Dann iſt Sparta auffallend arm an Monumenten und Lokal- erinnerungen aus den Zeiten der Pelopiden und anderer mythiſcher Fuͤrſten, ſo ſehr auch die Spartiaten ſonſt an Traditionen und Denkmalen der Art hingen. Dagegen ſind Amyklaͤ und Therapne an ſolchen um deſto reicher. Amyklaͤ, in einer ſehr ſchoͤnen und baumreichen Ge- gend 1, war Sitz des Tyndareus und ſeines Geſchlechts; hier waren Denkmale der Caſſandra und des Agamemnon, der nach einheimiſcher Sage, welche Steſichoros und Simonides aufgenommen, hier geherrſcht hatte 2, da- her ging von hier Oreſtes Zug aus 3. Therapne lag nicht weit davon. Das wohlumthuͤrmte The- rapne nennt es Alkman 4; den hoch gelegenen Sitz Therapnas Pindar 5; beide deuten dadurch eine Tiryn- thiſche Anlage und Bauart an. Der letztere nennt es als alten Hauptſitz der Achaͤer, unter denen die Dios- kuren lebten; hier waren unterirdiſche vielleicht nach alter Weiſe gewoͤlbte Graͤber des Kaſtor und Polydeu- kes 6, hier auch Tempel der Bruͤder und der Helena im Phoͤbaͤon und viele Reſte alten ſymboliſchen Cultus 7. 1 Polyb. 5, 19, 2. 2 Bei den Schol. Eur. Oreſt. 46. Simon. Fr. 177. Gaisf. 3 Ob Karnia, wo Oreſt gewohnt ha- ben und geſuͤhnt worden ſein ſoll, Amyklaͤ iſt in Bezug auf Kar- neen? Schol. Soph. Koͤn. Oed. 40. 4 Fragm. 1. Welck. 5 Pind. J. 1, 31. 6 ἐν γυάλοις Θεϱάπνας Pind. N. 10, 55. Die δόκανα waren nach Einigen ſolche Graͤber. 7 S. Diſſens Commentar zu Pind. a. O. S. 471. — vgl. uͤber Helena zu The- rapne Eurip. Helena 211. und Tryphiod. V. 520. Schol.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/122
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/122>, abgerufen am 09.11.2024.