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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Kunst folgen lasse, und alles Dies unter dem Ti-
tel von Geschichte, wird Niemand tadeln, der nicht
von Geschichte überhaupt sehr enge und unleben-
dige Vorstellungen hat. Die Religion, gebildet
in Zeiten, da Staat und Recht noch embryonisch
in den Keimen lagen, und als diese sich zu ge-
stalten anfingen, schon lange festgestellt, ist ganz
eigentlich die älteste Geschichtsurkunde des geisti-
gen Lebens einer Nation, zumal wenn nachgewie-
sen wird, was bei der Dorischen des Apollon mit
genügender Evidenz geschehen zu sein scheint: daß
sie der Volkstamm nicht durch äußerliche Ueber-
tragung erhalten, sondern aus dem eignen reli-
giösen Gefühl zur bestimmten Gestalt erschaffen
habe. Wie schwierig aber die Behandlung die-
ses Gegenstandes sei, mag am besten die Betrach-
tung lehren, daß überhaupt keine Religion, mit
Ausnahme des Christenthums, in einer geschicht-
lichen Zeit neu entstanden ist, daß aller andern
Ursprung in einer völlig verhüllten Urzelt liegt,
welche ein später untergegangnes Vermögen,
religiöse Gefühle in bestimmter Form festzuhalten
und dem Bedürfniß des Glaubens sein Objekt zu
schaffen, besessen haben muß. In einer solchen
Zeit ruhend stehen beim ersten dämmernden Beginn
der Geschichte die Gottheiten und Culte aller Völker
schon vor uns, den Sprachen ähnlich, die auch nie-
mals nachweisbar ein neues wesentliches Element,
ein Wurzelwort oder eine Flexion, erhalten haben;

Kunſt folgen laſſe, und alles Dies unter dem Ti-
tel von Geſchichte, wird Niemand tadeln, der nicht
von Geſchichte uͤberhaupt ſehr enge und unleben-
dige Vorſtellungen hat. Die Religion, gebildet
in Zeiten, da Staat und Recht noch embryoniſch
in den Keimen lagen, und als dieſe ſich zu ge-
ſtalten anfingen, ſchon lange feſtgeſtellt, iſt ganz
eigentlich die aͤlteſte Geſchichtsurkunde des geiſti-
gen Lebens einer Nation, zumal wenn nachgewie-
ſen wird, was bei der Doriſchen des Apollon mit
genuͤgender Evidenz geſchehen zu ſein ſcheint: daß
ſie der Volkſtamm nicht durch aͤußerliche Ueber-
tragung erhalten, ſondern aus dem eignen reli-
gioͤſen Gefuͤhl zur beſtimmten Geſtalt erſchaffen
habe. Wie ſchwierig aber die Behandlung die-
ſes Gegenſtandes ſei, mag am beſten die Betrach-
tung lehren, daß uͤberhaupt keine Religion, mit
Ausnahme des Chriſtenthums, in einer geſchicht-
lichen Zeit neu entſtanden iſt, daß aller andern
Urſprung in einer voͤllig verhuͤllten Urzelt liegt,
welche ein ſpaͤter untergegangnes Vermoͤgen,
religioͤſe Gefuͤhle in beſtimmter Form feſtzuhalten
und dem Beduͤrfniß des Glaubens ſein Objekt zu
ſchaffen, beſeſſen haben muß. In einer ſolchen
Zeit ruhend ſtehen beim erſten daͤmmernden Beginn
der Geſchichte die Gottheiten und Culte aller Voͤlker
ſchon vor uns, den Sprachen aͤhnlich, die auch nie-
mals nachweisbar ein neues weſentliches Element,
ein Wurzelwort oder eine Flexion, erhalten haben;

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[IX/0015] Kunſt folgen laſſe, und alles Dies unter dem Ti- tel von Geſchichte, wird Niemand tadeln, der nicht von Geſchichte uͤberhaupt ſehr enge und unleben- dige Vorſtellungen hat. Die Religion, gebildet in Zeiten, da Staat und Recht noch embryoniſch in den Keimen lagen, und als dieſe ſich zu ge- ſtalten anfingen, ſchon lange feſtgeſtellt, iſt ganz eigentlich die aͤlteſte Geſchichtsurkunde des geiſti- gen Lebens einer Nation, zumal wenn nachgewie- ſen wird, was bei der Doriſchen des Apollon mit genuͤgender Evidenz geſchehen zu ſein ſcheint: daß ſie der Volkſtamm nicht durch aͤußerliche Ueber- tragung erhalten, ſondern aus dem eignen reli- gioͤſen Gefuͤhl zur beſtimmten Geſtalt erſchaffen habe. Wie ſchwierig aber die Behandlung die- ſes Gegenſtandes ſei, mag am beſten die Betrach- tung lehren, daß uͤberhaupt keine Religion, mit Ausnahme des Chriſtenthums, in einer geſchicht- lichen Zeit neu entſtanden iſt, daß aller andern Urſprung in einer voͤllig verhuͤllten Urzelt liegt, welche ein ſpaͤter untergegangnes Vermoͤgen, religioͤſe Gefuͤhle in beſtimmter Form feſtzuhalten und dem Beduͤrfniß des Glaubens ſein Objekt zu ſchaffen, beſeſſen haben muß. In einer ſolchen Zeit ruhend ſtehen beim erſten daͤmmernden Beginn der Geſchichte die Gottheiten und Culte aller Voͤlker ſchon vor uns, den Sprachen aͤhnlich, die auch nie- mals nachweisbar ein neues weſentliches Element, ein Wurzelwort oder eine Flexion, erhalten haben;

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/15>, abgerufen am 23.11.2024.