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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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ihm gehörte wahrscheinlich Epidauros, gewiß Aegina;
keine der andern Städte der Umgegend wird dem küh-
nen und entschlossenen Eroberer haben widerstehen kön-
nen 1. Die Vollendung seiner Thaten ist offenbar die
Feier der Olympischen Spiele, die er nach Verdrän-
gung der Aetolisch-Eleischen Hellanodiken, als Nach-
komme und Nachfolger des Herakles, des ersten Olym-
pioniken -- wie damals schon die Sage ihn nannte.--
mit den Einwohnern der Pelopischen Pisa anordnete.
Diese giebt zugleich ein unzweideutiges Zeugniß über
die Zeit seiner Herrschaft, da in den Eleischen Ver-
zeichnissen die achte Olympias als von ihm gefeiert
bemerkt war. Aber eben diese Anmaßung war es, die
die Eleer und Lakedämoaier gegen ihu vereinte, und
dadurch seinen Sturz herbei führte. Dieweil Pheidons
Unternehmungen auf diese Weise für die Nachkommen er-
folglos blieben, hat ihn die Stimme darauf folgender
Geschlechter für den übermüthigsten der Tyrannen in
Griechenland erklärt; man würde ihn neben Lykurgos
ehren, wenn es ihm gelungen wäre, einen bleibenden
Zustand zu begründen. Indessen sind doch auch so In-

1 Was die Herrschaft seines Bruders in Makedonien betrifft:
so scheint mir das Verhältniß dieser Erzählung zu der bei Herod.
8, 137. diefes. Beide bezeichnen dasselbe Ereigniß, aber die letztere
ist rohe Makedonische Landessage, unter einem Volke gebildet, das
wenig geschichtliche Erinnerung hatte; die erste beruht auf Argivi-
scher Sage, und ist, wenn auch ebenfalls nicht ganz historisch, doch
auf eine weit wahrscheinlichere Weise verknüpft. Karanos ist viel-
leicht nur eine andere Form von Koiranos. vgl. Hesych Korannos
Eurip. Erzählung, daß Archelaos, Temenos Sohn, Aegä in Ma-
kedonien eingenommen, wohin er als Ziegenhirt in großer Armuth
kam, (Hygin Fb. 219. Dio Chrys. S. 70. die Fragmente) ist die un-
begründetste. Ob Isokrates an Philipp 45. S. 152 L. die Sage
von Karanos kennt, oder der Herodotischen folgt, ist nicht klar.
Abweichend auch Konstant. Porphyr. Them. 1. S. 1453.

ihm gehoͤrte wahrſcheinlich Epidauros, gewiß Aegina;
keine der andern Staͤdte der Umgegend wird dem kuͤh-
nen und entſchloſſenen Eroberer haben widerſtehen koͤn-
nen 1. Die Vollendung ſeiner Thaten iſt offenbar die
Feier der Olympiſchen Spiele, die er nach Verdraͤn-
gung der Aetoliſch-Eleiſchen Hellanodiken, als Nach-
komme und Nachfolger des Herakles, des erſten Olym-
pioniken — wie damals ſchon die Sage ihn nannte.—
mit den Einwohnern der Pelopiſchen Piſa anordnete.
Dieſe giebt zugleich ein unzweideutiges Zeugniß uͤber
die Zeit ſeiner Herrſchaft, da in den Eleiſchen Ver-
zeichniſſen die achte Olympias als von ihm gefeiert
bemerkt war. Aber eben dieſe Anmaßung war es, die
die Eleer und Lakedaͤmoaier gegen ihu vereinte, und
dadurch ſeinen Sturz herbei fuͤhrte. Dieweil Pheidons
Unternehmungen auf dieſe Weiſe fuͤr die Nachkommen er-
folglos blieben, hat ihn die Stimme darauf folgender
Geſchlechter fuͤr den uͤbermuͤthigſten der Tyrannen in
Griechenland erklaͤrt; man wuͤrde ihn neben Lykurgos
ehren, wenn es ihm gelungen waͤre, einen bleibenden
Zuſtand zu begruͤnden. Indeſſen ſind doch auch ſo In-

1 Was die Herrſchaft ſeines Bruders in Makedonien betrifft:
ſo ſcheint mir das Verhaͤltniß dieſer Erzaͤhlung zu der bei Herod.
8, 137. diefes. Beide bezeichnen daſſelbe Ereigniß, aber die letztere
iſt rohe Makedoniſche Landesſage, unter einem Volke gebildet, das
wenig geſchichtliche Erinnerung hatte; die erſte beruht auf Argivi-
ſcher Sage, und iſt, wenn auch ebenfalls nicht ganz hiſtoriſch, doch
auf eine weit wahrſcheinlichere Weiſe verknuͤpft. Κάϱανος iſt viel-
leicht nur eine andere Form von Κοίϱανος. vgl. Heſych Κόϱαννος
Eurip. Erzaͤhlung, daß Archelaos, Temenos Sohn, Aegaͤ in Ma-
kedonien eingenommen, wohin er als Ziegenhirt in großer Armuth
kam, (Hygin Fb. 219. Dio Chryſ. S. 70. die Fragmente) iſt die un-
begruͤndetſte. Ob Iſokrates an Philipp 45. S. 152 L. die Sage
von Karanos kennt, oder der Herodotiſchen folgt, iſt nicht klar.
Abweichend auch Konſtant. Porphyr. Them. 1. S. 1453.
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[156/0186] ihm gehoͤrte wahrſcheinlich Epidauros, gewiß Aegina; keine der andern Staͤdte der Umgegend wird dem kuͤh- nen und entſchloſſenen Eroberer haben widerſtehen koͤn- nen 1. Die Vollendung ſeiner Thaten iſt offenbar die Feier der Olympiſchen Spiele, die er nach Verdraͤn- gung der Aetoliſch-Eleiſchen Hellanodiken, als Nach- komme und Nachfolger des Herakles, des erſten Olym- pioniken — wie damals ſchon die Sage ihn nannte.— mit den Einwohnern der Pelopiſchen Piſa anordnete. Dieſe giebt zugleich ein unzweideutiges Zeugniß uͤber die Zeit ſeiner Herrſchaft, da in den Eleiſchen Ver- zeichniſſen die achte Olympias als von ihm gefeiert bemerkt war. Aber eben dieſe Anmaßung war es, die die Eleer und Lakedaͤmoaier gegen ihu vereinte, und dadurch ſeinen Sturz herbei fuͤhrte. Dieweil Pheidons Unternehmungen auf dieſe Weiſe fuͤr die Nachkommen er- folglos blieben, hat ihn die Stimme darauf folgender Geſchlechter fuͤr den uͤbermuͤthigſten der Tyrannen in Griechenland erklaͤrt; man wuͤrde ihn neben Lykurgos ehren, wenn es ihm gelungen waͤre, einen bleibenden Zuſtand zu begruͤnden. Indeſſen ſind doch auch ſo In- 1 Was die Herrſchaft ſeines Bruders in Makedonien betrifft: ſo ſcheint mir das Verhaͤltniß dieſer Erzaͤhlung zu der bei Herod. 8, 137. diefes. Beide bezeichnen daſſelbe Ereigniß, aber die letztere iſt rohe Makedoniſche Landesſage, unter einem Volke gebildet, das wenig geſchichtliche Erinnerung hatte; die erſte beruht auf Argivi- ſcher Sage, und iſt, wenn auch ebenfalls nicht ganz hiſtoriſch, doch auf eine weit wahrſcheinlichere Weiſe verknuͤpft. Κάϱανος iſt viel- leicht nur eine andere Form von Κοίϱανος. vgl. Heſych Κόϱαννος Eurip. Erzaͤhlung, daß Archelaos, Temenos Sohn, Aegaͤ in Ma- kedonien eingenommen, wohin er als Ziegenhirt in großer Armuth kam, (Hygin Fb. 219. Dio Chryſ. S. 70. die Fragmente) iſt die un- begruͤndetſte. Ob Iſokrates an Philipp 45. S. 152 L. die Sage von Karanos kennt, oder der Herodotiſchen folgt, iſt nicht klar. Abweichend auch Konſtant. Porphyr. Them. 1. S. 1453.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/186>, abgerufen am 16.05.2024.