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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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nien für das Gesammte. Hiedurch sind sie genugsam
von dem durch die Natur edelgeschaffnen Stamme der
Griechen unterschieden. Wir werden also anzunehmen
bewogen, daß dieses Volk, welches kurz vor dem Hera-
klidenzuge aus Thesprotien, und zwar aus der Gegend
von Ephyra (Kichyros) in die Ebne des Peneios ein-
wanderte, vorher schon aus dem Gebiete der Illyrier
dahin hinabgekommen war. Dagegen können freilich
manche Uebereinstimmungen in den Sitten der Thessaler
mit den Doriern angeführt werden. So daß sie ebenfalls
jene eigenthümlich Dorische Männerliebe hatten, und den
Geliebten (wie die Spartaner) Aitas nannten 1, daß
sie ferner die Frauen, gleich den Doriern, mit dem Na-
men Herrinnen (despoinai) ehrten 2. Indessen war ein
freieres und allzufreies Verhältniß des weiblichen Ge-
schlechts bei allen Illyriern herkömmlich, die sich darin
schon dem Norden näherten 3. Ueberhaupt aber sind
durch diese Wanderungen nördlicher Stämme nach Süden
Sitten, Einrichtungen, Verhältnisse unter den Griechen
verbreitet worden, die dem von Homer dargestellten
Griechenlande völlig fremd waren.

5.

Wie viel Land Illyrische Völker im Westen über
Griechenland gewannen: schließt man hieraus. Epeiros
war ehemals größtentheils von Pelasgern bewohnt gewe-
sen 4, die Umwohner von Dodona waren solche nach sich-
rer Ueberlieferung, die gesammten Thesproter 5, die
Chaoner an den Akrokeraunischen Gebürgen ebenfalls 6,
wie gegenüber in Italien die Choner, Oenotrer und Peu-

1 Vgl. Theokr. 12, 14. mit Alkman bei den Schol.
2 He-
sych. despoinas. vgl. Buch 4.
3 Nach Aelian V. G. 3, 15. die
Frauen in Illyrien bei Gastmählern und Weingelagen; Herod. 5.
18. das Gegentheil von den Makedoniern.
4 S. Str. 5, 221,
5 S. besonders Stephan. Byz. Ephura.
6 Alexandros Ephes.
bei Steph. Byz. Khaonia.

nien fuͤr das Geſammte. Hiedurch ſind ſie genugſam
von dem durch die Natur edelgeſchaffnen Stamme der
Griechen unterſchieden. Wir werden alſo anzunehmen
bewogen, daß dieſes Volk, welches kurz vor dem Hera-
klidenzuge aus Thesprotien, und zwar aus der Gegend
von Ephyra (Kichyros) in die Ebne des Peneios ein-
wanderte, vorher ſchon aus dem Gebiete der Illyrier
dahin hinabgekommen war. Dagegen koͤnnen freilich
manche Uebereinſtimmungen in den Sitten der Theſſaler
mit den Doriern angefuͤhrt werden. So daß ſie ebenfalls
jene eigenthuͤmlich Doriſche Maͤnnerliebe hatten, und den
Geliebten (wie die Spartaner) Ἀΐτας nannten 1, daß
ſie ferner die Frauen, gleich den Doriern, mit dem Na-
men Herrinnen (δέσποιναι) ehrten 2. Indeſſen war ein
freieres und allzufreies Verhaͤltniß des weiblichen Ge-
ſchlechts bei allen Illyriern herkoͤmmlich, die ſich darin
ſchon dem Norden naͤherten 3. Ueberhaupt aber ſind
durch dieſe Wanderungen noͤrdlicher Staͤmme nach Suͤden
Sitten, Einrichtungen, Verhaͤltniſſe unter den Griechen
verbreitet worden, die dem von Homer dargeſtellten
Griechenlande voͤllig fremd waren.

5.

Wie viel Land Illyriſche Voͤlker im Weſten uͤber
Griechenland gewannen: ſchließt man hieraus. Epeiros
war ehemals groͤßtentheils von Pelasgern bewohnt gewe-
ſen 4, die Umwohner von Dodona waren ſolche nach ſich-
rer Ueberlieferung, die geſammten Thesproter 5, die
Chaoner an den Akrokerauniſchen Gebuͤrgen ebenfalls 6,
wie gegenuͤber in Italien die Choner, Oenotrer und Peu-

1 Vgl. Theokr. 12, 14. mit Alkman bei den Schol.
2 He-
ſych. δεσποίνας. vgl. Buch 4.
3 Nach Aelian V. G. 3, 15. die
Frauen in Illyrien bei Gaſtmaͤhlern und Weingelagen; Herod. 5.
18. das Gegentheil von den Makedoniern.
4 S. Str. 5, 221,
5 S. beſonders Stephan. Byz. Ἔφυϱα.
6 Alexandros Epheſ.
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[5/0035] nien fuͤr das Geſammte. Hiedurch ſind ſie genugſam von dem durch die Natur edelgeſchaffnen Stamme der Griechen unterſchieden. Wir werden alſo anzunehmen bewogen, daß dieſes Volk, welches kurz vor dem Hera- klidenzuge aus Thesprotien, und zwar aus der Gegend von Ephyra (Kichyros) in die Ebne des Peneios ein- wanderte, vorher ſchon aus dem Gebiete der Illyrier dahin hinabgekommen war. Dagegen koͤnnen freilich manche Uebereinſtimmungen in den Sitten der Theſſaler mit den Doriern angefuͤhrt werden. So daß ſie ebenfalls jene eigenthuͤmlich Doriſche Maͤnnerliebe hatten, und den Geliebten (wie die Spartaner) Ἀΐτας nannten 1, daß ſie ferner die Frauen, gleich den Doriern, mit dem Na- men Herrinnen (δέσποιναι) ehrten 2. Indeſſen war ein freieres und allzufreies Verhaͤltniß des weiblichen Ge- ſchlechts bei allen Illyriern herkoͤmmlich, die ſich darin ſchon dem Norden naͤherten 3. Ueberhaupt aber ſind durch dieſe Wanderungen noͤrdlicher Staͤmme nach Suͤden Sitten, Einrichtungen, Verhaͤltniſſe unter den Griechen verbreitet worden, die dem von Homer dargeſtellten Griechenlande voͤllig fremd waren. 5. Wie viel Land Illyriſche Voͤlker im Weſten uͤber Griechenland gewannen: ſchließt man hieraus. Epeiros war ehemals groͤßtentheils von Pelasgern bewohnt gewe- ſen 4, die Umwohner von Dodona waren ſolche nach ſich- rer Ueberlieferung, die geſammten Thesproter 5, die Chaoner an den Akrokerauniſchen Gebuͤrgen ebenfalls 6, wie gegenuͤber in Italien die Choner, Oenotrer und Peu- 1 Vgl. Theokr. 12, 14. mit Alkman bei den Schol. 2 He- ſych. δεσποίνας. vgl. Buch 4. 3 Nach Aelian V. G. 3, 15. die Frauen in Illyrien bei Gaſtmaͤhlern und Weingelagen; Herod. 5. 18. das Gegentheil von den Makedoniern. 4 S. Str. 5, 221, 5 S. beſonders Stephan. Byz. Ἔφυϱα. 6 Alexandros Epheſ. bei Steph. Byz. Χαονία.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/35>, abgerufen am 29.04.2024.