grade der entgegengesetzten Schule, der Jonischen, als das eigentlich Reale erschien. Diese Abstraktion von dem Materiellen hat aber eben die Apollinische Re- ligion auch, auch diese hebt den Begriff der Ordnung, Uebereinstimmung, Gesetzmäßigkeit überall hervor, und setzt in diese das Wesen und Wirken der Gottheit. Die Musik war darum ein Hauptbestandtheil jener Philosophie, wie ein Hauptelement dieses Cultus, weil sie die Harmonie, die allem Sein zum Grunde liegt, am deutlichsten ausspricht; in beiden wurde durch sie besonders Besänftigung und Beruhigung der Leidenschaft bezweckt und bewirkt, um dem Gemüthe zugleich Ruhe und Stärke zu verleihn. Die Produktivität der Na- tur wie die ins Unendliche hinausstrebende innere Kraft schien in beiden an sich werthlos und nichtig, und je- des Sein nur durch das richtige Verhältniß zu allen andern seine Bestimmung erfüllend u. s. w. Denn eine eigentliche Ergründung dieses Thema's müssen wir ganz und gar tieferen Kennern der genannten Philosophie überlassen.
grade der entgegengeſetzten Schule, der Joniſchen, als das eigentlich Reale erſchien. Dieſe Abſtraktion von dem Materiellen hat aber eben die Apolliniſche Re- ligion auch, auch dieſe hebt den Begriff der Ordnung, Uebereinſtimmung, Geſetzmaͤßigkeit uͤberall hervor, und ſetzt in dieſe das Weſen und Wirken der Gottheit. Die Muſik war darum ein Hauptbeſtandtheil jener Philoſophie, wie ein Hauptelement dieſes Cultus, weil ſie die Harmonie, die allem Sein zum Grunde liegt, am deutlichſten ausſpricht; in beiden wurde durch ſie beſonders Beſaͤnftigung und Beruhigung der Leidenſchaft bezweckt und bewirkt, um dem Gemuͤthe zugleich Ruhe und Staͤrke zu verleihn. Die Produktivitaͤt der Na- tur wie die ins Unendliche hinausſtrebende innere Kraft ſchien in beiden an ſich werthlos und nichtig, und je- des Sein nur durch das richtige Verhaͤltniß zu allen andern ſeine Beſtimmung erfuͤllend u. ſ. w. Denn eine eigentliche Ergruͤndung dieſes Thema’s muͤſſen wir ganz und gar tieferen Kennern der genannten Philoſophie uͤberlaſſen.
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grade der entgegengeſetzten Schule, der Joniſchen, als
das eigentlich Reale erſchien. Dieſe Abſtraktion von
dem Materiellen hat aber eben die Apolliniſche Re-
ligion auch, auch dieſe hebt den Begriff der Ordnung,
Uebereinſtimmung, Geſetzmaͤßigkeit uͤberall hervor, und
ſetzt in dieſe das Weſen und Wirken der Gottheit.
Die Muſik war darum ein Hauptbeſtandtheil jener
Philoſophie, wie ein Hauptelement dieſes Cultus, weil
ſie die Harmonie, die allem Sein zum Grunde liegt,
am deutlichſten ausſpricht; in beiden wurde durch ſie
beſonders Beſaͤnftigung und Beruhigung der Leidenſchaft
bezweckt und bewirkt, um dem Gemuͤthe zugleich Ruhe
und Staͤrke zu verleihn. Die Produktivitaͤt der Na-
tur wie die ins Unendliche hinausſtrebende innere Kraft
ſchien in beiden an ſich werthlos und nichtig, und je-
des Sein nur durch das richtige Verhaͤltniß zu allen
andern ſeine Beſtimmung erfuͤllend u. ſ. w. Denn eine
eigentliche Ergruͤndung dieſes Thema’s muͤſſen wir ganz
und gar tieferen Kennern der genannten Philoſophie
uͤberlaſſen.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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